• Mir liegt ein Antrag auf Eintragung eines Überbaurechts vor. Es handelt sich um einen nachträglichen Eigengrenzüberbau. Das Grundstück wurde durch den Eigentümer geteilt. Es ragt ein Raum im Obergeschoss auf das Grundstück, das veräußert wird (verschachtelte Bauweise).
    Die Überbaurecht soll durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit (nicht Grunddienstbarkeit) zugunsten der Veräußerer gesichert werden.
    Das Überbaurecht erlischt, wenn der Verkäufer nicht mehr Eigentümer oder Miteigentümer des überbauenden Grundstücks ist oder der Verkäufer ein Nießbrauchsrecht, Wohnungsrecht, Erbbaurecht, Dauerwohn- oder Dauernutzungsrecht bestellt. Es erlischt spätestens am 30.12.2035.
    Mit Erlöschen des Überbaurechts geht das Eigentum am Überbau auf den Eigentümer des dienenden Grundstücks über. Der übergebaute Gebäudeteil wird sodann wesentlicher Bestandteil des überbauten Grundstücks. Die beschränkte persönliche Dienstbarkeit soll löschbar mit Todesnachweis sein.
    Zudem soll dinglicher Inhalt sein, dass die laufenden öffentlichen und privatrechtlichen Lasten des dienenden Grundstücks der jeweilige Eigentümer des dienenden Grundstücks alleine trägt.
    Ein Verzicht auf Überbaurente soll auf in dem Grundbuch des überbauenden Grundstücks eingetragen werden.

    Ich kenne ein Überbaurecht nur als Grunddienstbarkeit. Durch die Grunddienstbarkeit soll doch die eigentumsrechtliche Zuordnung des Überbaus zu dem überbauenden Grundstück klargestellt werden und der Überbau wird wesentlicher Bestandteil des überbauenden Grundstücks.
    Ist die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit möglich?

    Einmal editiert, zuletzt von Lena (20. Juli 2021 um 12:01)

  • Nach § 912 Absatz 1 BGB trifft den jeweiligen Eigentümer des überbauten Grundstücks eine Duldungspflicht, die kraft Gesetzes besteht und in das Grundbuch nicht eingetragen werden kann ( s. Roth im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2020, Updatestand 30.06.2021, § 912 RN 35 unter Hinweis auf die allgM und BGH NJW 2014, 310 Rn 9; LM Nr 1; MünchKomm/Brückner8 Rn 25).

    Bestehende Zweifel an dem Bestehen einer Duldungspflicht kann dies durch eine Grunddienstbarkeit klargestellt werden (Staudinger/Roth, § 912 BGB RN 36 unter Zitat BGH NJW 2014, 310 Rn 9; OLG Düsseldorf OLGZ 1978, 19; Palandt/Herrler79 Rn 11; Wolff/Raiser, Sachenrecht 199).

    Roth führt aus: „Doch greifen auch dann die Vorschriften über den Überbau nach den §§ 912 ff BGB ein, um eine Rechtsverkürzung des überbauenden Eigentümers zu vermeiden (BGH NJW 2014, 310 Rn 13). Die Duldungspflicht kann auch ganz aufgehoben werden. Erforderlich dafür ist die Begründung einer Grunddienstbarkeit am Stammgrundstück zugunsten des überbauten Grundstücks (§§ 1018, 873 BGB; mit Recht Wolff/Raiser, Sachenrecht 199 Fn 15 gegen Wolff 157 Fn 3 [dort: § 875]; ferner BGH LM Nr 9; Palandt/Herrler79 Rn 11). Davon geht auch das Urteil des BGH vom 26.04.1961, V ZR 203/59 = BeckRS 1961, 31348800 aus, wonach der Ausschluss der Duldungspflicht durch eine Grunddienstbarkeit möglich ist.

    Ansonsten kann der Überbau wohl nicht auf Zeit abgesichert werden. Der BGH führt dazu im Urteil vom 16.01.2004, V ZR 243/03 = NJW 2004, 1237
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…451&pos=0&anz=1
    aus (Hervorhebung durch mich):

    „Immobiliareigentum, zu dem der Überbau zählt (Senat, BGHZ 62, 141 [145] = NJW 1974, 794; BGHZ 110, 298 [300] = NJW 1990, 1791), ist auf Zeit im Sachenrecht nicht vorgesehen (vgl. § 925 II BGB)….. Der Senat hält dies aber nicht für die einzige Möglichkeit, den Überbau in den Bestandteilsverband des überbauten Grundstücks zurückzuführen. In Frage kommt auch ein der Begründung des Eigentums am Überbau gegenläufiges Geschäft. In diesem Falle muss mit der erforderlichen Einigung über die Beendigung des Überbaurechts (vgl. Augustin, in: RGRK, 12. Aufl., § 921 Rdnr. 21) die Beseitigung der Gebäudeeinheit einhergehen, die den Überbau zum Bestandteil des Stammgrundstücks macht. Dies kann durch baulichen Abschluss des Überbaus von dem übrigen Gebäude erfolgen. Eine rechtsbegründende Dokumentation im Grundbuch ist nicht möglich, da der Überbau als Grundstücksbelastung nicht eintragungsfähig ist (vgl. Senat, LM § 912 BGB Nr. 1) und die Bestandsverzeichnisse der Grundbücher von der Änderung unberührt bleiben (§ 2 GBO i.V. mit dem Liegenschaftskataster).

    Dazu führt Grziwotz in seiner Anmerkung in der EWiR 2004, 595
    https://www.juris.de/perma?d=jzs-EWIR-2004-12-0595-01-R-14
    aus:
    „Der BGH geht von zwei Möglichkeiten zur Verbindung des Überbaus mit dem überbauten Grundstück aus: Zum einen soll dies durch Eintragung einer Dienstbarkeit am Stammgrundstück, die die Ausübung des Überbaurechts ausschließt (§ 1018 Alt. 3 BGB), geschehen. Die zweite Möglichkeit ist ein der Begründung des Eigentums am Überbau gegenläufiges Geschäft, das sich aus Einigung und Beseitigung der Gebäudeeinheit zusammensetzt; eine Grundbucheintragung kann in diesem Fall nicht erfolgen…“

    Vorliegend soll mit der bestellten beschränkten persönlichen Dienstbarkeit aber nicht die Ausübung des Überbaurechts ausgeschlossen werden. Und die Frage der Beseitigung eines Überbaus nach Zeitablauf kann nach dem Urteil des BGH vom 16.01.2004 nicht verdinglicht werden.

    Zwar kann die Zustimmung zum Überbau zeitlich befristet werden (Fritzsche im BeckOK BGB, Stand: 01.05.2021, § 912 RN 28 unter Zitat BGH BB 1966, 961; BGHZ 157, 301 [307 f.] = NJW 2004, 1237), sodass der Überbau später rechtswidrig wird. Die Befristung der Duldung ändert aber an den Eigentumsverhältnissen am Überbau nichts; dieser steht dem Überbauenden zu, auch wenn er den Überbau ggf. nach Ende der Duldung entfernen muss (Fritsche aaO unter Zitat BGHZ 157, 301 [306 f.] = NJW 2004, 1237).

    Das gilt auch bei einem Überbau mit einem einzelnen Geschoss. Dazu führt der BGH im Urteil vom 15.02.2008 - V ZR 222/06
    http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechts…055&pos=0&anz=1
    aus: „Ragt jedoch ein Teil des einen Gebäudes in das Nachbargrundstück hinein, findet auf diesen Teil, auch wenn es sich nur um eines von mehreren Geschossen handelt, wiederum § 93 BGB Anwendung; nach dem darin zum Ausdruck gekommenen Grundsatz, wirtschaftliche Werte möglichst zu erhalten, werden Räume, die von ihrer Größe, Lage, baulichen Eigenart und wirtschaftlichen Nutzung her einem Gebäudeteil zugeordnet sind, auch eigentumsrechtlich diesem Gebäudeteil zugeordnet, sind also mit dem Eigentum an dem Grundstück verbunden, auf dem sich der maßgebende Teil des Gebäudes befindet (Senat, WM 2004, 1340 = BeckRS 2003, 10178)…“

    Selbst wenn die Beteiligten eine andere Zuordnung des Eigentums wollen sind einzelne Räume, die von der Grundstücksgrenze durchschnitten werden und es dadurch in einzelnen Stockwerken zu unterschiedlichen Zuordnungen kommt, sind diese Räume aufgrund einer natürlichen Betrachtung zuzuordnen. Auf die Eigentumsverhältnisse am überbauten Grundstück hat all dies keinen Einfluss (s. Fritzsche im BeckOK BGB, Stand: 01.05.2021, § 94 RN 13 unter Hinweis auf allgM und Staudinger/Roth, 2020, § 912 Rn. 41 mwN; Westermann SachenR § 63 II 2).

    Ich denke daher, dass die Absicherung durch beschränkte persönliche Dienstbarkeit nicht möglich ist. Vielleicht gibt es aber auch andere Erkenntnisse ?

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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