Hinterlegung zur Vermeidung von Strafzinsen

  • Betreuer berichten jetzt häufig, dass kein Sparkonto mehr zu bekommen ist.

    Negativzinsen für Sparanlagen bedeuten für die Betreuer und Rechtspfleger ein Dilemma.

    Ich möchte aber keine Geldanlagen genehmigen, deren Bedingungen ich nicht durchschauen kann, insbesondere wenn der Betreute schon betagt ist.

    Und vielleicht immer alles Geld einfach auf dem Sparkonto hatte.

    Was haltet ihr davon, in solchen Fällen die Hinterlegung von Mündelgeld zur Vermeidung von Strafzinsen anzuordnen?

    Gibt es schon Erfahrungen damit?

  • Ich finde den Gedanken toll. Kam mir schon öffters in noch nicht abgeschlossenen Nachlasspflegschaften.

    Die Herausforderung ist für die Landeskasse aber die Gleiche wie für die Banken, was macht sie mit den ganzen liquiden Mitteln. In Thüringen hat die Finanzmisiterin 50 Mio € versenkt, weil sie die liquiden Mittel bei dieser Green Bank angelegt hatte, welche Pleite gegengen ist, um Strafzinsen zu vermeiden.

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  • Die Idee an sich hat schon Charme, besonders früher war das ja mal hübsch: 1 Promill Verzinsung pro Monat...

    Aber wie schon geschrieben: Es fehlt am Hinterlegungsgrund. Jedenfalls an einem solchen aus dem BGB. Ob man sich einen Grund durch Beschluß des Betreuungsgerichts konstruieren kann, wäre zu überlegen; ich tendiere aber eher zu "nein".

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Den Hinterlegungsgrund stellt mein gerichtlicher Beschluss dar, dass die und die Geldsumme zu hinterlegen ist.
    Den Beschluss begründe ich damit, dass das Vermögen des Betreuten ansonsten durch Negativzinsen geschmälert wird.
    Braucht der Betreuer dann doch noch etwas von dem Kapital, ersuche ich die Hinterlegungsstelle um Herausgabe, das macht nicht mehr Arbeit als ein Freigabebeschluss.
    Ich hab das auch noch nicht ausprobiert, aber müsste funktionieren. Oder?


  • Ich hab das auch noch nicht ausprobiert, aber müsste funktionieren. Oder?

    Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist eben, ob es nach deinem Landes-Hinterlegungsgesetz (und den Ausführungsbestimmungen dazu) möglich ist, dir einen Hinterlegungsgrund durch Beschluß zu schaffen.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Offen gestanden war mein erster Gedanke: Geht's noch?!? Und auch der zweite Gedanke geht in diese Richtung.
    Mit welchem Recht - bzw. auf welcher Rechtsgrundlage - nimmst du die gerichtliche Infrastruktur in Anspruch um einer Person einen Vermögensvorteil zu verschaffen? Nur weil diese Person zufällig unter Betreuung steht?
    Tut mir leid, geht in meinen Augen gar nicht.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Mit welchem Recht - bzw. auf welcher Rechtsgrundlage - nimmst du die gerichtliche Infrastruktur in Anspruch um einer Person einen Vermögensvorteil zu verschaffen?

    Mit etwa dem selben Recht, mit dem z. B.

    a) ein Zivilrichter ein Urteil für vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von xxxx EUR erklärt und der Gläubiger zur Vollstreckung hinterlegt bzw.
    b) der RPfl. eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen HL einer SHL in Höhe von xxxx EUR anordnet.

    Nicht falsch verstehen: Ich bin auch noch nicht davon überzeugt, daß die rechtliche Grundlage sauber ist.

    Aber das kann man relativ einfach klären, indem man als HL-Stelle die Annahme verweigert und die Sache dann den Weg des Rechtsbehelfs in der Justizverwaltung geht.

    Und mal noch ein anderer Gedanke: Jeder "Insider", sprich Rechtskundiger mit etwas Ahnung von Hinterlegung kann - wenn er denn möchte - einen Sachverhalt konstruieren, der einen HL-Grund bietet und dann auch sein privates Geld hinterlegen. Was weiß ich, z. B. ein angeblich zurückzuzahlendes Darlehn, hinsichtlich dessen sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.


  • Und mal noch ein anderer Gedanke: Jeder "Insider", sprich Rechtskundiger mit etwas Ahnung von Hinterlegung kann - wenn er denn möchte - einen Sachverhalt konstruieren, der einen HL-Grund bietet und dann auch sein privates Geld hinterlegen. Was weiß ich, z. B. ein angeblich zurückzuzahlendes Darlehn, hinsichtlich dessen sich der Gläubiger im Annahmeverzug befindet.

    Das ist doch genau der Punkt: natürlich kann jeder, der sich ein bisschen auskennt, einen Hinterlegungsgrund konstruieren, sodass die Hinterlegungsstelle zur Annahme verpflichtet ist. Konstruieren.
    Allein der Gedanke, das Betreuungsgericht würde regelmäßig und vorsätzlich diesen Weg gehen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt.... man mag mir Übertreibung vorwerfen, aber für mich ginge ein solches Vorgehen in den disziplinarrechtlich (wenn nicht gar strafrechtlich) relevanten Bereich.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Den Hinterlegungsgrund stellt mein gerichtlicher Beschluss dar, dass die und die Geldsumme zu hinterlegen ist.
    Den Beschluss begründe ich damit, dass das Vermögen des Betreuten ansonsten durch Negativzinsen geschmälert wird.

    Eine solche Entscheidung halte ich für evident rechtswidrig. Das Gesetz regelt nur die Anordnung der Hinterlegung von Wertpapieren oder Kostbarkeiten (vgl. §§1814 und 1818 BGB). Eine gesetzliche Grundlage für die Anordnung der Hinterlegung von Geld besteht nicht.
    Diese damit zu begründen, dass das Vermögen des Betreuten ansonsten durch Negativzinsen geschmälert wird, lässt die Unzulässigkeit der Anordnung m.E. evident werden.
    Denn dann dient die Anordnung gerade nicht dem Schutz des Betroffenen (denn eine Gefährdung des Vermögens im Rechtsinne liegt gar nicht vor), sondern dient vielmehr nur dem zweck dem Betroffenen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der ihm aus keinen rechtlichen Gesichtspunkt zusteht.


    Braucht der Betreuer dann doch noch etwas von dem Kapital, ersuche ich die Hinterlegungsstelle um Herausgabe, das macht nicht mehr Arbeit als ein Freigabebeschluss.
    Ich hab das auch noch nicht ausprobiert, aber müsste funktionieren. Oder?

    Ich finde es fragwürdig, dass dann offenbar auch noch ein geregeltes Auszahlungsverfahren umgangen werden soll. Denn eigentlich müsste der Betreuer die Herausgabe bei der Hinterlegungsstelle beantragen und dafür die Genehmigung des Betreuungsgerichtes erhalten (§1812 BGB). Ein Rechtsgrundlage dieses Verfahren durch ein Ersuchen zu umgehen gibt es m.E. nicht. Woher nimmst du die Berechtigung für ein Ersuchen?

    Die Hinterlegungsstelle ist nicht dafür da, dass man dort Geld wie auf einem Sparbuch parkt. Das ist zweckwidrig und das Ansinnen ist m.E. insgesamt rechtsmissbräuchlich.

    OT: Mit solchen Verfahrensweisen würde man im Übrigen m.E. nur provozieren, dass der (Landes)Gesetzgeber Gebühren für die Hinterlegung von Geld einführt (oder erhöht, sofern es solche schon gibt).

    Das ist doch genau der Punkt: natürlich kann jeder, der sich ein bisschen auskennt, einen Hinterlegungsgrund konstruieren, sodass die Hinterlegungsstelle zur Annahme verpflichtet ist. Konstruieren.
    Allein der Gedanke, das Betreuungsgericht würde regelmäßig und vorsätzlich diesen Weg gehen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt.... man mag mir Übertreibung vorwerfen, aber für mich ginge ein solches Vorgehen in den disziplinarrechtlich (wenn nicht gar strafrechtlich) relevanten Bereich.

    Das sehe ich ähnlich.

  • Gern nochmal die Grundkonstellation vor Augen führend:


    Negativzinsen für Sparanlagen bedeuten für die Betreuer und Rechtspfleger ein Dilemma.

    Nö. Ärgernis vielleicht, aber beileibe kein Dilemma. Ich hab als Rechtspfleger in meiner Funktion auch kein Problem damit.
    Hat denn der Betreuer eins? Oder gar der Betroffene das mal formuliert?

    Es geht nicht darum, was aus meiner (funktionellen) Sicht das Optimalste ist.



    Ich möchte aber keine Geldanlagen genehmigen, deren Bedingungen ich nicht durchschauen kann, insbesondere wenn der Betreute schon betagt ist.

    Dann hast Du ein Problem mit Deinem Beruf (oder zumindest der derzeitgen Zuständigkeit). Denn das verlangt das Gesetz von Dir an der Stelle wo Du sitzt.
    Kenntnisverschaffung ist Grundvoraussetzung.



    Was haltet ihr davon, in solchen Fällen die Hinterlegung von Mündelgeld zur Vermeidung von Strafzinsen anzuordnen?

    Nichts, wie man an den Ausführungen der Mitschreibenden sieht.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Das gäbe auch von mir maximal einen Punkt bei Kreativität, aber sonst auch nur :daumenrun. Das Nachdenken allerdings ist durchaus erlaubt...:D

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • a) und b) folgen aber nicht einem kreativen Brainstorming oder Tagesform des Spruchkörpers, sondern Normen der ZPO :)

    Daumenhoch hoch unendlich!

    (Da kommen einem bei manchem Kollegen gleich welchen biologischen oder ideellen Geschlechts ebenfalls Gedanken in den Kopf...)

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Seit wann steht dem Betreuungsgericht bei Vorhandensein eines Betreuers das Recht zu, aktiv eine Anlageentscheidung zu treffen und so aktiv in ein Betreuerhandeln einzugreifen?

    Ich dachte bisher nur, das Gericht sei zu einer Genehmigung einer bereits getroffenen Betreuerentscheidungen berufen?

    Da können wir uns künftig doch die Betreuer sparen, wenn die Betreuungsgerichte alles besser können, als die Betreuer? Oder?

  • Negativzinsen für Sparanlagen bedeuten für die Betreuer und Rechtspfleger ein Dilemma.

    Warum ist das für Betreuer und Rechtspfleger ein Dilemma ? Es ist unterm Strich ein Dilemma für den der die Strafzinsen zu zahlen hat.
    § 1806 BGB wurde erstellt, als die Welt noch "gut" war. Es ist halt so wie es ist, der Verlust der Strafzinsen ist eine kalkulierbare Größe, der evtl. eintretende Verlust bei einer spekulativen Anlageform ist ungewiss und nicht zu kalkulieren.
    Ist der Betroffene vermögend, zahlt er doch auch die Kosten des Verfahrens und auch die Kosten des Betreuers aus seinem Vermögen, das ist doch unterm Strich auch kein Dilemma.

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