• Hallo zusammen,

    ich habe folgende Akte vorliegen:
    Der Erblasser hat ein umfangreichen Erbvertrag abgeschlossen. Unter anderem ist sein minderjähriger Stiefsohn als Vermächtnisnehmer benannt. Gleichzeitig wurde die Ehefrau (Mutter des Stiefsohns) als Testamentsvollstreckerin ernannt.
    Des Weiteren wurden zwei minderjährigen Kindern aus der ersten Ehe ein Vermächtnis zugesprochen.

    Neben der Testamentsvollstreckung hat der Erblasser angeordnet, dass für die beiden minderjährigen Kinder aus der ersten Ehe eine Pflegschaft nach § 1638 BGB angeordnet werden soll. Als Pflegerin wurde die aktuelle Ehefrau (welche zugleich TV ist) benannt. Nun stellt sich mir die Frage, ob die Pflegschaft überhaupt Sinn ergibt, wenn bereits TV angeordnet wurde und die Pflegerin und TV'in identische Personen sein sollen? Die Kindsmutter, welche ich grundsätzlich beteiligen müsste, ist in Russland wohnhaft. Ich denke aber, dass dt. Recht anzuwenden ist, da die Kinder ja ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben?

    Zudem enthält das Testament noch folgenden Passus: "Die vorstehenden Anordnungen gelten auch für meinen Stiefsohn entsprechend, soweit es um die Annahme, Ausschlagung und Verwaltung des zugedachten Vermächtnisses gilt). Die vorstehenden Anordnungen waren dabei die nach § 1638 BGB für die beiden minderjährigen Kinder, wo die Mutter in Russland lebt. Wenn die vorstehenden Anordnungen aber entsprechend gelten sollen, würde ja die leibliche Mutter des Stiefsohnes als Pflegerin vorgeschlagen, was ja wiederum keinen Sinn ergibt, wenn sie kein Verwaltungsrecht bzgl. des Nachlasses haben soll? Außerdem ist diese ja bereits Testamentsvollstreckerin. Der mitsorgeberechtigte Vater lebt in Russland. Ob die Anordnung nur für diesen gelten soll, ist mir ein Rätsel.


    Wie ihr seht, habe ich absolut keine Ahnung was der Erblasser wollte und ob ich nun für alle drei Kinder eine Pflegschaft nach § 1638 BGB einrichten muss.

  • Oh je.

    Gemeint war vermutlich:

    1. TV für das Vermächtnis zugunsten Stiefsohn (Sohn der Ehefrau), damit das Vermächtnis einfacher erfüllt werden kann.
    2. TV für das Vermächtnis zugunsten der Kinder aus erster Ehe (Kinder des Erblassers), damit das Vermächtnis einfacher erfüllt werden kann.
    3. Ausschluß Vermögenssorge (§ 1638 BGB) der Kindsmutter (eigene Kinder), damit die nicht "Ärger machen kann", z.B. durch Geltendmachung eines Pflichtteils oder spätere Veräußerung der Vermächtnisgegenstände (unausgesprochener Verdacht dabei ist immer, dass der Erlös den Kindern entszogen und von dem/der Ex sebst verbraten wird, bevor das Gericht sie daran hindern kann), und damit man nicht für die Verwaltung des Erwerbs von Todes wegen immer Dokumenten aus Rußland nachrennen muss.
    4. wie 3. bezüglich des Kindsvaters (Stiefsohn), falls dieser sorgeberechtigt sein sollte.

    Das ist Erbrecht am Hochreck. Ob die Verfügung von Todes wegen das vorstehend vermutete Ergebnis hergibt, kann man ohne Kenntnis des genauen Wortlauts nicht beurteilen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Wenn die vorstehenden Anordnungen aber entsprechend gelten sollen, würde ja die leibliche Mutter des Stiefsohnes als Pflegerin vorgeschlagen, was ja wiederum keinen Sinn ergibt, wenn sie kein Verwaltungsrecht bzgl. des Nachlasses haben soll?

    MüKo bejaht die Möglichkeit, den Ausgeschlossenen als Pfleger zu benennen, da dieser dann den entsprechenden Beschränkungen und der gerichtlichen Aufsicht unterliegt. Wenn der EL der Ansicht ist, dass seine Sorge um die Unzuverlässigkeit damit ausgeräumt ist, warum nicht.

    Im Hinblick auf die TV drängt sich aber die Vermutung auf, dass tatsächlich nur der Kindevater von der Verwaltung ausgeschlossen sein soll.

  • Es ist echt absolut Schwierig den Erbvertrag zu überblicken.

    Ich versuche es noch etwas detaillierter darzustellen.
    Erben sind die vier leiblichen Kinder - zwei davon minderjährig (Mutter in Russland)

    Vermächtnisse:
    1. Zugunsten Ehefrau (gleichzeitig TV) bezüglich 1/2 an einer Gewerbeimmobilie
    2. Zugunsten Stiefsohn (Sohn der TV'in) bezüglich der anderen 1/2 an der Gewerbeimmobilie
    3. Zugunsten der Ehefrau die Beteiligung an einer GmbH
    4. Zugunsten den beiden volljährigen Kindern eine Wohnung zu jeweils 1/2

    Dann wurde für das Vermächtnis an den Sohn der TV'in Ersatztestamentsvollstreckung angeordnet = Großeltern des Kindes. Wofür die Ersatztestamentsvollstreckung nun greift, ist mir unklar. Soll diese greifen, damit das Vermächtnis erfüllt werden kann, da die gesetzliche Vertreterin ja TV ist? Wäre ja aber, denke ich, Aufgabe des Nachlassgerichts (?)

    Dann wurde Testamentsvollstreckung angeordnet. Dieser hat im Sinne einer Dauertestamentsvollstreckung die weitere Aufgabe, die Erbteile und Vermächtnisse der Kinder bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres zu verwalten. Zur Erbenteilung unter den Miterben ist der TV berechtigt, jedoch nicht verpflichtet. Als Testamentsvollstrecker wurde in erster Linie die Ehefrau benannt. Diese hat das Amt auch angenommen und ein TV- Zeugnis wurde Seitens des Nachlassgerichts erteilt.
    Ich schließe darauf eindeutig, dass die Testamentsvollstreckung für den gesamten Nachlass angeordnet wird und nicht nur für die Vermächtnisse.

    Dann kommen weiter hinten im Erbvertrag "familienrechtliche Anordnungen":
    1. Soweit zum Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft mein Sohn XX (Mutter in Russland) noch minderjährig ist, entziehe ich der Mutter die Befugnis zur Verwaltung des von mir vererbten Vermögens einschließlich der Entscheidung über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft, § 1638 BGB. Als Pfleger für die Verwaltung des vererbten Vermögens wurde die Ehefrau (gleichzeitig TV'in) bestimmt.

    => Meines Erachtens müsste ich nun ein Verfahren einleiten und prüfen, ob ich die Ehefrau als Pflegerin nach § 1638 BGB bestellen kann. Ich frage mich nur, ob die TV und Pflegerin nach § 1638 BGB identisch sein können. Die Pflegschaft hat für mich zwar keinen Sinn, da ja bereits TV gilt, dennoch müsste ich das Verfahren ja führen oder? Gibt es Besonderheiten zu beachten, weil die Mutter in Russland lebt?

    2. Die vorstehenden Anordnungen gelten für meinen Stiefsohn XX (Mutter TV'in + Vater in Russland) entsprechend, soweit es um die Annahme, Ausschlagung und Verwaltung des zugedachten Vermächtnisses gilt.

    => Hier habe ich halt echt das Problem, dass keine Person angegeben wurde, die die Pflegschaft übernehmen soll. Es kann ja schlecht die Mutter machen, welcher die Verwaltungsbefugnis nach § 1638 BGB entzogen wurde. Also müsste ich ja eigentlich einen berufsmäßigen Pfleger bestellen. Mir widerstrebt das allerdings, da der Erblasser ja sicher nicht die Verwaltungsbefugnis entziehen wollte, wenn die Ehefrau gleichzeitig TV ist und damit den Nachlass vollständig verwaltet. Ist dies lediglich hinsichtlich des Vaters auszulegen? Wie wäre das dann zu handhaben? Einen Pfleger bräuchte ich dann ja nicht, weil die Mutter noch handeln könnte? Für die Vermächtniserfüllung wäre dann lediglich ein Ergänzungspfleger erforderlich, aber nicht dauerhaft?

  • Ich habe nun mal Rücksprache mit dem Notar gehalten, da der Erbvertrag erst im Mai 2021 gemacht wurde. Es sollte tatsächlich nur die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach § 1638 BGB für den mitsorgebrechtigten Vater entzogen werden. Dies sollte dazu führen, dass die Ehefrau alleine handeln kann.

    Nun meine Frage, da ja nach § 1638 Abs. 3 BGB nun die Mutter alleine vertreten würde. Ist hierzu noch etwas familiengerichtlich zu veranlassen / auszustellen, dass die Mutter alleine handeln kann?


    Außerdem stellt sich folgendes Problem:
    Die Ehefrau ist TV und möchte das Grundstück zu 1/2 auf den minderjährigen Sohn übertragen (Vermächtniserfüllung). Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist sie befreit. Einen Ergänzungspfleger dürfte ich ja nicht brauchen, da ich die Erfüllung einer Verbindlichkeit habe oder?

    Aufgrund des Bruchteilseigentums würde ich jedoch von der Notwendigkeit einer familiengerichtlichen Genehmigung nach § 1822 Nr. 10 BGB ausgehen, da das Kind gemäß §§ 10 WEG, 16 Abs. 2 WEG mit der Eintragung als Eigentümer auch für die Verbindlichkeiten der anderen Bruchteilseigentümer haftet.

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