Pfändung von Hochwasser - Soforthilfen

  • Hallo zusammen,

    ein Schuldner, dessen P-Konto gepfändet wird, beantragt die Freigabe von auf seinem Konto eingegangenen Soforthilfen wegen der Flutkatastrophe.
    Die Entscheidung des AG Euskirchen zur Unpfändbarkeit von Hochwasser - Soforthilfen ist mir bekannt. Dort wurde die Freigabe in entsprechender Anwendung des § 850k Abs. 4 i.V.m. 851 Abs. 1 ZPO und unter Verweis auf die Rechtsprechung des BGH zu Corona - Soforthilfen erteilt.

    Im Gegensatz zu dem in Euskirchen entschiedenen Fall ist es hier jedoch so, dass die Soforthilfe nicht von einer staatlichen / kommunalen Stelle, sondern von einer Hilfsorganisation bzw. einer privaten Stiftung ausgezahlt wurde. Es ist also quasi nichts anderes, als eine Schenkung unter Privaten.
    Eine Freigabe über die entsprechende Anwendung der genannten §§ kommt daher wohl nicht in Betracht.
    Und eine Freigabe nur mit § 765a ZPO zu begründen finde ich auch nicht gerade überzeugend - zumal der BGH in der Corona - Entscheidung zwar offen gelassen hat, ob eine Freigabe allein mit § 765a ZPO begründet werden kann, diesbezüglich jedoch auch seine Bedenken angemeldet hat.

    Kurzum: Ich sehe keine Rechtsgrundlage für eine Freigabe. Ich wäre für Eure Meinungen / Einschätzungen dankbar.

  • Eine private Hilfsorganisation ist ja nicht der Schwager oder der Nachbar. Ich würde zu mit ein bisschen Mut zu einer analogen Anwendung tendiere. Das AG hatte ja nun auch keine Vorlage für seine Entscheidung gehabt.

  • Ich würde über 765a ZPO gehen.
    Und zwar kurz und schmerzfrei begründet.

    Bei dem, was dort passiert ist, wird von einer nationalen Tragödie gesprochen, welche gleichwohl den gesellschaftlichen Zusammenhalt gestärkt hat, eben durch jene Hilfen von "unbeteiligten" Dritten.

    Es handelt sich ohne jeden Zweifel um "ganz besondere Umstände", §765a I ZPO, eine Pfändbarkeit würde -meine ganz persönliche Meinung- eindeutig gegen -jede- gute Sitte verstoßen.

    Dass 765a eng auszulegen ist, gebe ich zu.
    Aber wenn schon nicht eine nationale Katastrophe, was denn dann?

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Für eine analoge Anwendung des §850k Abs. 4 ZPO sehe ich keinen Raum. Im Gegensatz zur öffentlich-rechtlichen Hochwasserhilfe fehlt es bei der nichtöffentlichen Hilfe m.E. an einer planwidrigen Regelungslücke. Es handelt sich schlicht um eine Schenkung. Ich würde den Antrag daher als Vollstreckungsschutzantrag nach §765a ZPO auslegen.

    Ob die Voraussetzungen des §765a ZPO vorliegen ist immer eine Entscheidung des Einzelfalls. Der BGH hat auch nicht ausführt, dass §765a ZPO nicht in Betracht kommt sondern lediglich angeführt, dass anhand der Feststellungen des Beschwerdegerichtes Zweifel daran bestehen ob die Voraussetzungen in dem zu entscheidenden Einzelfall vorliegen. Da die entsprechenden Feststellung nicht wiedergegeben sind, kann ich da keine Rückschlüsse auf die Auffassung des BGH ziehen.

    Vorliegend halte ich es aber für denkbar, dass die Voraussetzungen des §765a ZPO vorliegen. Das erfordert natürlich eine Interessensabwägung im Einzelfall, für die der Sachverhalt zu dünn ist.
    Es scheint mir allerdings mit den guten Sitten schwer vereinbar, dass die schenkungsweise Zuwendung einer Hilfsorganisation die zur Beseitigung der Schäden einer Naturkatastrophe gepfändet wird und somit den ihr innewohnenden Zweck verfehlt.
    Es steht zu vermuten, dass die Hilfe aus Spendengeldern resultiert welche sicher nicht dazu gedacht sind Altschulden der Betroffenen zu tilgen. Es wäre natürlich vom Schuldner darzulegen was genau hinter der Zuwendung steht und wie er ggf. zu ihr gekommen ist.
    Ein direkter Zugriff des Vollstreckungsgläubigers auf dem Schuldner anlässlich einer Naturkatastrophe (mittelbar) zugewandter privater Spendengelder halte ich grundsätzlich für mit den guten Sitten nicht vereinbar. Anderes gilt auf jeden Fall dann wenn der Gläubiger Anlassgläubiger bzgl. der Schadensbeseitigung der Katastrophe wäre.
    Für die Abwägung des §765a ZPO wäre m.E. auch die Höhe der Hilfsleistung ins Verhältnis zu den Schäden zu setzen (auch insoweit müsste der Schuldner vortragen).
    Hilfreich wäre auch Sachvortrag des Schuldners wofür genau die Hilfszahlung verwendet werden soll.

  • Einen staatlichen Rettungsring darf ich dem Ertrinkenden nicht wegnehmen, wohl aber einen privaten? Wie pervers ist dieser Gedanke.

    Ja, es ist eine nationale Tragödie und die Hilfsgelder (ob diese nun von staatlichen Quellen oder von Hilfsorganisationen stammen) sollen keinesfalls den Interessen eines Gläubigers dienen. Habt doch einmal Mut. Den hat letztlich auch das AG Euskirchen aufgebracht. Caverna ist zuzustimmen.

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