Geerbte Altverfahren

  • Ich habe gerade (wegen Erkrankung eines Kollegen) ein runtergerocktes BerH-Dezernat übernommen, bin damit zum 1. Mal befasst und könnte Rat von den Erfahrenen unter Euch brauchen, wie man noch nicht einmal angefasste BerH-Anträge (z.T. älter 4 Jahre) zu Ende bringt.

    Nach erster Sichtung des Elends haben die alle irgendeinen mehr oder minder zurückweisungsfähigen Anlass, allerdings nichts Offenkundiges, überwiegend aus dem Bereich von § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3. Und so hat das Moos angesetzt, niemand hat zwischenverfügt, aber erstaunlicherweise auch niemand nachgefragt. Es sind halt nicht nur ein paar.

    Bin angesichts der Masse noch geschockt und sehe vielleicht die Lösung nicht. Hatte vielleicht jemand schon mal dieselbe Ehre und eine Idee für mich? Oder bleibt nur zwischenverfügen, Frist und zurückweisen, wenn nix kommt?

    Ich hab es wirklich versucht! Aber es geht einfach nicht komplizierter...

  • Puh. Schwierig.
    Es könnte durchaus sein, dass sich so manches Problem inzwischen auf die eine oder andere Weise rein durch Zeitablauf erledigt hat und eine Zwischenverfügung in diesen Fällen üble Zeitverschwendung wäre. Zeit, die für den Rest der Aufarbeitung der Rückstände fehlt.
    Ich denke mal ins Unreine. Vielleicht sollte man ein Schreiben aufsetzen in dem Tenor: bedauerlicherweise abgesoffen, soll jetzt aufgearbeitet werden und da der Antrag bereits fürchterlich alt ist, sich aber nie jemand gerührt hat, wird zunächst um Mitteilung gebeten, ob überhaupt noch ein Interesse an der Bescheidung besteht. Bejahendenfalls geben wir alles, um zügig eine sachgemäße Bearbeitung hinzubekommen, bitten aber angesichts der Mengen um etwas Geduld.
    Frist von sechs Monaten verfügen und sich über jede Akte freuen, die ohne Eingang bleibt. Die würde ich dann nach Aktenordnung weglegen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Ist der Behördenleitung das volle Ausmaß des Ganzen bekannt?

    Falls das nicht der Fall sein sollte, würde ich die informieren.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Danke erstmal, klar, die Behördenleitung weiß Bescheid, ich musste mich ja absichern. Aber ich suchte (suche noch) nach einem halbwegs effizienten Weg, um das Dezernat wieder zum laufen zu kriegen.

    Ich hab es wirklich versucht! Aber es geht einfach nicht komplizierter...

  • Danke erstmal, klar, die Behördenleitung weiß Bescheid, ich musste mich ja absichern. Aber ich suchte (suche noch) nach einem halbwegs effizienten Weg, um das Dezernat wieder zum laufen zu kriegen.

    So ein Problem hatte ich bislang noch nicht (und ich will es auch wirklich nicht haben). Der Vorschlag von omawetterwax klingt für mich aber vernünftig.

    Ich glaube, dass sich nach mehreren Jahren ein Großteil der Anträge mittlerweile von selbst erledigt haben sollte.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ich stand schon einmal vor einem ähnlichen Problem. Die Verfahren waren allerdings nicht ganz so alt wie in Deinem Fall.

    In Abstimmung mit der Behördenleitung, um Dich im Vorfeld gegen etwaige Dienstaufsichtsbeschwerden abzusichern, würde ich die Akten, in denen es seit mehr als sechs Monaten keine Bewegung gab, gemäß § 7 AktO weglegen.

    Die übrigen Akten würde ich "normal" bearbeiten.

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Ich habe auch schon mehrmals RASt aufräumen dürfen. Als Anwärter war ich auch live dabei, wie eine ähnlich abgesoffene RASt aufgearbeitet wurde.

    Zunächst empfehle ich eine grobe Sortierung nach Jahr und Aktenzeichen, damit man Sachen schnell wieder findet. Wenn man jetzt nämlich wieder anfängt, in den Verfahren rauszuschreiben, kommt in ca. 1 - 2 Wochen erhebliches Feedback.

    Soweit Telefonnummern angegeben sind, speziell Handynummern der Antragsteller, würde ich da erst mal anrufen. Wenn die Antragsteller sagen, die Angelegenheit hat sich erledigt aus den und den Gründen, Vermerk zur Akte und weg damit. Damit kriegt man schon mal viel weg. Ebenso, wenn das über Kanzleien gestellt wurde: Können die sich noch daran erinnern und sagen, ach das hat sich erledigt: Super, Vermerk und weg damit.

    Problematisch ist, wenn da seit vielen Jahren Ruhe eingekehrt ist und die Anwälte auch nichts mehr wissen. Dann würde ich schriftlich rausschreiben mit Zwischenverfügung und um Behebung oder Erledigungserklärung bitten; gleichzeitig würde ich darauf hinweisen, dass nach 6 Monaten das Weglegen beabsichtigt ist.

    Dann bleibt noch der Rest, bei dem die Beteiligten es schon gerne sehen würden, wenn es weiter geht. Da bleibt dann nichts anderes übrig, als schriftlich wie üblich weiterzumachen: XY fehlt, bitte bis dann und dann erledigen ansonsten Zurückweisung bzw. Weglage nach 6 Monaten. Das ist der aufwendigere Teil.

    Ich wage die Prognose, dass sich rund die Hälfte telefonisch erledigen lässt. Das sind aber nicht immer angenehme Telefonate, wenn man sich für die Fehler der Vorgänger rechtfertigen soll. Da empfehle ich, auf die Situation hinzweisen, dass man als Referatsnachfolger nichts dafür kann, nun aber bemüht ist, alles wieder aufs Laufende zu bringen. Die Meckerer geben dann auch meist Ruhe.

    Bei den Antragstellern, die den Antrag selbst gestellt haben und nun vielleicht schriftlich und telefonisch nicht mehr erreichbar sind: Wenn aus dem Antrag oder den Unterlagen irgendwo E-Mailadressen ersichtlich sind, ist dies eine vergleichsweise zuverlässige Möglichkeit für die Erstkontaktaufnahme. Wegen Datenschutz würde ich da zwar nicht ins Detail gehen, aber um einen Rückruf zu bitten wegen des Antrags vom ... , reicht es oft; geht schneller als EMA und ist meist sogar zuverlässiger.

    Ansonsten: Kopf hoch! Der Anfang ist hart und schwer, der weitere Weg bleibt auch lange steinig, dafür hast Du jetzt die Möglichkeit, der ganzen RASt Deinen Stempel aufzudrücken. Wenn sich das meiste am Anfang auch telefonisch erledigen lässt und Du innerhalb kurzer Zeit super Erledigungszahlen und schrumpfende Rückstände an die Verwaltung liefern kannst, ist das sicher kein Schaden für Dich.

    Meine Erfahrungswerte: ca. 2 Monate heftig anstrengend; nach ca. 6 Monaten laufend, nach ca. 8 Monaten erste Entspannung, weil dann die ganzen "Wegleger" mit der "6Monatsfrist" aus der Wiedervorlage fallen. Dann nur noch der normale Wahnsinn....

  • Sicher ist etwas schwierig, da die Balance zu finden bzw. rechtlich sauber zu handeln.
    Die Frage ist in meinen Augen, ob es für einen vier Jahre alten Beratungshilfeantrag, an dessen Erledigung bislang nicht erinnert wurde, noch ein Rechtsschutzbedürfnis gibt. Zu Deutsch: solche Dinge würde ich schlicht weglegen.
    Ich weiß, dass das vielleicht dünnes Eis ist.

  • Ich finde den Vorschlag von omawetterwax super!

    Ebenso.:daumenrau

    Ohne Hinweis (egal ob mündlich oder schriftlich) weglegen ohne das sich je mit Antrag beschäftigt wurde geht m.E. nicht.
    Der Antragsteller muss die Möglichkeit bekommen sich zu äußern, ob er noch eine Entscheidung über den Antrag wünscht. Eine kurze Entschuldigung des Gerichtes für die Verfahrensdauer (völlig egal wie und warum es zu dieser Situation gekommen ist) ist m.E. auch nicht verkehrt.

  • wird zunächst um Mitteilung gebeten, ob überhaupt noch ein Interesse an der Bescheidung besteht

    Mach auf der Rückseite des Schreibens einen allg. Briefkopf Deines AG, mit den Ankreuzoptionen

    • hat sich erledigt
    • fehlende Unterlagen anbei


    und die sollen das in den Briefkasten werfen oder faxen. Sollte bei einem "normalen" AG-Bezirk auch funktionieren.

    "Ändere die Welt, sie braucht es." Brecht

    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • Ich finde den Vorschlag von omawetterwax super!

    Ebenso.:daumenrau

    Dem schließe ich mich an.
    Ich gebe allerdings zu bedenken, dass mit Sicherheit ein großer Teil des "Erstbriefs" als unbekannt verzogen zurückkommen wird.
    Daher würde ich schon im Vorfeld die Geschäftsstellen mit ins Boot holen, dass die z.B. die EMA selbständig verfassen bzw. sogar selbst erledigen, sofern eine Möglichkeit zum Zugriff auf die Daten vom Einwohnermeldeamt besteht.

  • ........................ Vielleicht sollte man ein Schreiben aufsetzen in dem Tenor: bedauerlicherweise abgesoffen, soll jetzt aufgearbeitet werden und da der Antrag bereits fürchterlich alt ist, sich aber nie jemand gerührt hat, wird zunächst um Mitteilung gebeten, ob überhaupt noch ein Interesse an der Bescheidung besteht. Bejahendenfalls geben wir alles, um zügig eine sachgemäße Bearbeitung hinzubekommen, bitten aber angesichts der Mengen um etwas Geduld.
    Frist von sechs Monaten verfügen und sich über jede Akte freuen, die ohne Eingang bleibt..........

    würde ich auch so handhaben.
    Du verfasst ein Schreiben -einen Textbaustein-, d. für alle Verfahren genommen werden kann.
    Zusätzlich würde ich noch nach dem aktuellen Sachstand fragen.

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