Vermögensabschöpfung

  • Hallo an alle, die sich mitVermögensabschöpfung beschäftigen!

    Wir haben bei unseren Jugendlichen und Heranwachsenden immerwieder Fälle, wo (von eigentlich mittellosen Verurteilten) kleine Raten angeboten werden, aber hoheEinziehungsbeträge angeordnet wurden. Wir rechnen dann immer um, wie lange zuzahlen wäre, wenn die Verurteilten denn bis zum Schluss regelmäßig zahlenwürden (was ja kaum mal der Fall ist). Der eine hätte über 66 Jahre zahlenmüssen. Jetzt habe ich jemanden, der über 16 Jahre zahlen müsste.

    Mir ist klar, dass Einziehungsbeträge in der Regel längstensnach 24 Monaten beigetrieben sein sollten und dass die Vollstreckung derEinziehungsentscheidung verjährt, sobald die Vollstreckung der Jugendstrafe verjährt(§ 79 Abs. 5 Satz 1 StGB). (Wann verjährt eigentlich die Vollstreckung vonAuflagen/Weisungen nebst Einziehung?). Auch kann es in keiner Weise praktikabelsein (außer die Staatskasse ist alleiniger Gläubiger), wenn jemand z. B. 8 Jahrelang Raten zahlt, weil dann vielleicht Geschädigte bereits einen Rechtsnachfolgerhaben, welche der zuständige Rechtspfleger dann auch noch ausfindig machenmüsste.

    Wie handhabt Ihr solche Fälle? Auch wenn z. B. ein ALGII-Bescheid vorliegt, aber Euer Richter keine Anhaltspunkte sieht, von derVollstreckung der Einziehungsentscheidung abzusehen?

    Es grüßt der Infosucher

  • Ich rufe den Beitrag noch einmal auf.
    Ich habe als Rpfl. bei Gericht gegen eine Heranwachsende die "Einziehung des Wertes eines Tatertrages" von fast 40.000,00 € zu vollstrecken. Die VU beantragt jetzt Ratenzahlung von monatlich 25,00 €. Konkret würde die VU bei einer solchen Ratenhöhe über 120 Jahre (!) zahlen - mir ist klar, das ist absoluter Blödsinn.

    Meine Frage ist aber eigentlich eine andere:
    Kann für die "Einziehung des Wertes eines Tatertrages" überhaupt eine Ratenzahlung bewilligt/gewährt werden?
    Und wenn ja, wonach geht das und woran sollte man sich bei der Ratenhöhe orientieren?

    Ich meine mich erinnern zu können mal gehört oder gelesen zu haben, dass eine Ratenzahlung nur bei Geldstrafen (§ 42 StGB), nicht aber für Wertersatz angeordnet werden kann.

    Wenn ich danach gehe, würde das in meinem Fall bedeuten:
    Ratenzahlung kann ich nicht gewähren. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Vollstreckung des Wertersatzes in absehbarer Zeit zu einem Erfolg führt (die VU hat nur eine ganz geringe Azubi-Vergütung). Ggf. könnte ich versuchen beim Gericht des Gerichts des ersten Rechtszuges (§ 459g Abs. 5; § 462a Abs. 2 S. 1 StPO) eine Anordnung zu erwirken, wonach die (weitere) Beitreibung unterbleiben (§§ 459g Abs. 2, 459c Abs. 2 StPO) kann.

    Habt ihr evtl. noch andere Ideen?

  • §459c Abs. 2 iVm §459g Abs. 2 StPO hilft einem nicht wirklich weiter, weil das nur zeitweilig die Akte vom Tisch bringt. Für § 459g Abs. 5 StPO reicht es schon gar nicht, denn es können ja - kleine - Beträge eingezogen werden.

    Ratenzahlungen für die Einziehung von Wertersatz sind hier (Jugendstrafvollstreckung in Deutschlands Armenhaus) tägliches Brot. In unseren Ratenzahlungsbeschlüssen heißt es:

    "Gemäß §§ 459a Abs. 2, 3 und 459g Abs. 2 StPO i.V.m. § 57 StVollstrO i.V.m. § 12 EBAO kann eine Zahlungserleichterung bewilligt werden, wenn der Verurteilte die Kosten nicht auf einmal zahlen kann. Die Zahlungserleichterung kann nicht gewährt werden, wenn dadurch der Erfolg der Forderungseinziehung gefährdet wird."

    Dass die Forderung binnen 24 Monaten abgezahlt sein soll oder gar muss, gilt, meine ich, für Geldstrafenvollstreckung.

    Im Übrigen muss es doch nicht bis zum Abtragen der gesamten Forderung bei 25 EUR bleiben. In Deinem Fall würde ich Raten bis zum Ende der Ausbildung bewilligen. Es besteht doch eine gewisse Hoffnung, dass ein junger Mensch reifer und solider wird und dereinst einer entgeltichen Beschäftigung nachgehen wird. Dann kann man die Ratenhöhe immer noch anpassen.

    Curiosity is not a sin.

    2 Mal editiert, zuletzt von 15.Meridian (20. Mai 2022 um 19:26) aus folgendem Grund: Dicke Finger ...

  • Die Vermögensabschöpfung/Einziehung namentlich in Jugendstrafsachen ist für mich kein befriedigendes Aufgabengebiet. Ich habe inzwischen einige Fortbildungen hierzu beansprucht, auch wenn mein Straf-Referat klein ist und dort wieder zum größten Teil Vergütungsanträge den Alltag bestimmen. Aus den Fortbildungen habe ich vor allem mitgenommen, dass man eigentlich gute Kenntnisse in der Einzelzwangsvollstreckung braucht, um die Vollstreckung sachgerecht durchzuführen. Ich hasse es, Pfändungsbeschlüsse erlassen zu müssen, wenn ich nicht weiß, wer im Fall eines Rechtsbehelfs/Rechtsmittels für die Entscheidung zuständig ist. Da es so wenige Verfahren sind, werde ich nie Routine in der Erledigung bekommen. Kollegen zu befragen, geht vielleicht telefonisch oder hier im Forum. Aber die Antworten der Kollegen der Staatsanwaltschaft helfen selten, weil die ganz andere Software benutzen, dort die Zuständigkeiten anders verteilt sind und sie auch andere Schnittstellen zur Landesjustizkasse haben. Und an den Amtsgerichten sind Kollegen, die genauso ungeübt in der Materie sind wie ich, weil auch bei ihnen das Straf-Referat nur einen Bruchteil ihres Tagwerks ausmacht.

    Aber auch rechtspolitisch ist es keine vernünftige Entscheidung, die Vermögensabschöpfung/Einziehung 1:1 auch im Jugendstrafrecht anzuwenden, da sie den dort - mit Recht - prägenden Erziehungsgedanken konterkariert. Ich bezweifle, dass die damals im Bundestag dieses Gesetz Durchpeitschenden beabsichtigt haben, jungen Menschen den Weg aus der Kriminalität in ein solides Leben so steinig wie möglich zu machen, aber genau so ist es gekommen.

  • Ich verstehe was du meinst. Allerdings habe ich den Vorteil, dass ich bei uns im Hause über viele Jahre selbst schon die „normalen“ Pfänder bearbeitet habe. Das hilft. An einem kleinen Gericht lässt sich halt nicht vermeiden, regelmäßig in verschiedenen Abteilungen arbeiten zu müssen.


    Zur Sache selbst:
    Ich habe noch eine interessante Entscheidung vom KG Berlin vom 12.11.2020. Az. 5 Ws 192/20 (veröffentlicht im juris oder unter: https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE200202021) gefunden. Dort wird folgende Auffassung vertreten:


    Leitsatz:
    „1. Für die Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei der Einziehung von Wertersatz sind die Regelungen des § 459a StPO entsprechend heranzuziehen (§ 459g Abs. 2 StPO).“


    Damit wäre dann wohl klargestellt, dass grundsätzlich eine Ratenzahlung beim Wertersatz uch zulässig ist.

    „5. Zahlungserleichterungen kommen nicht in Betracht, wenn die Zahlung nicht nur nicht sofort erfolgen kann, sondern wenn sie auch innerhalb einer gewissen Frist oder in angemessenen Teilbeträgen nicht zu erwarten ist; …“


    Bei meinem oben geschilderten Fall habe ich aber so meine Zweifel, ob die angebotene Ratenhöhe von 25,00 € tatsächlich angemessen ist. Bei dem geringen Zahlbetrag ist ja nicht damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit die Forderung beglichen werden kann. Unter Verweis auf obige Entscheidung könnte ich also auch die Ratenzahlung ablehnen.

    Aber selbst wenn ich ablehnen würde, ist die Akte damit ja immer noch da und ich muss anderweitig vollstrecken.

  • Wie gesagt: Bei einer VU in Ausbildung besteht ja Aussicht, dass sie nach der Ausbildung einen (gutbezahlten?) Job haben und "anständige" Raten zahlen kann. Je nach Höhe des Ausbildungsentgelts könntest Du auch die Ratenhöhe von Ausbildungsjahr zu Ausbildungsjahr steigen lassen - ich erinnere mich, das in einem Fall gemacht zu haben, wo die Ausbildung drei Jahre dauerte und die Ausbildungsvergütung von Jahr zu Jahr spürbar anstieg.

    In der Einzelzwangsvollstreckung war ich mal kurz mit kleinem AKA tätig, das ist aber Jahre her, da gab es kein P-Konto, geschweige denn die jüngsten Änderungen rund um § 850k ZPO. Ich tu mich richtig schwer mit allem im Umfeld von Kontopfändungen.

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