Aktive Altpfändungen nach Erteilung der Restschuldbefreiung

  • Guten Morgen!

    Zwei Jahre nach Erteilung der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren teilt der Schuldner dem Vollstreckungsgericht mit, dass auf seinem Konto noch (Alt-)Pfändungen aktiv sind, die einige Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgebracht wurden. Seine Bank habe ihn nunmehr gebeten, diese Pfändungen aufgrund Erteilung der Restschuldbefreiung "löschen zu lassen". Ist hier seitens des Vollstreckungsgerichts im Wege der Auslegung nach § 766 ZPO eine Aufhebung der Pfändungen zu veranlassen oder wäre der Schuldner auf die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO zu verweisen? :gruebel:

    Vielen Dank für die Unterstützung! :daumenrau

  • Und wie funktioniert das rein praktisch ?

    767: zuständig das "Prozessgericht" also nicht das Vollstreckungsgericht, das den PfÜb erlassen hat, sondern das AG, das zuständig gewesen wäre, wenn gegen die Titulierung (Mahnverfahren) Widerspruch eingelegt worden wäre. Bzw. je nach Höhe der Forderung dann auch das LG ? Ansonsten das Amtsgericht am Wohnort zum Zeitpunkt der Titulierung ?

    Und genügt dann, ganz laienhaft gesprochen, ein einfaches Schreiben an das AG: "....beantrage die Aufhebung der Pfändung xy aus dem Vollstreckungsbescheid xy ...Begründung: RSB erteilt am...."

    Und falls der Sachverhalt eindeutig, stellt dann das Prozessgericht dem Drittschuldner das Urteil zu und dort steht sinngemäß "....PfÜb....aufgehoben / unzulässig".

  • Ich denke, dass es für die brachiale Methode zunächst kein Rechtsschutzbedürfnis gibt und die Klage schlimmstenfalls unzulässig ist.

    Zunächst müsste der Schuldner seinen Gläubiger wohl erstmal auffordern, die Wirkungen der früheren Pfändung zu beseitigen. Erst wenn der Gläubiger dies ablehnt bzw. sogar wieder vollstreckt, dürfte das Bedürfnis nach einer gerichtlichen Durchsetzung bestehen. Dann ist es ein ganz normaler Zivilprozess mit Zustellung von Schriftsätzen / Urteil an die beteiligten Personen (u.U. mit Anwaltszwang).

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Und genügt dann, ganz laienhaft gesprochen, ein einfaches Schreiben an das AG: "....beantrage die Aufhebung der Pfändung xy aus dem Vollstreckungsbescheid xy ...Begründung: RSB erteilt am...."

    Das sicher nicht. Das Prozessgericht hebt nicht den PfüB auf. Es wird im Klageweg zu beantragen sein, dass die Vollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird.
    Auf Grundlage dieser Entscheidung wird das Vollstreckungsgericht dann gemäß §775 Nr. 1 ZPO i.V.m. §776 ZPO den PfÜB aufheben.

  • Hallo und vielen Dank für die Infos,

    @ Gegs: es geht natürlich nur um die Fälle, in denen der Gläubiger nicht reagiert oder (auch das gar nicht so selten) nicht mehr existiert

    Ja, wäre einfacher wenn in 775 ZPO die Erteilung der Restschuldbefreiung eingebastelt wäre ;)

    Bei klarer Rechtslage, also normale Insolvenzforderung (keine vbuH o.ä.) und klarer Beweisführung (Forderung vor Inso-Eröffnung begründet, RSB wirksam erteilt, mehr braucht es ja nicht), dürfte das Ganze inhaltlich aber doch eigentlich keine schwierige Sache sein und die Kosten dem Gläubiger auferlegt werden.

    Wahrscheinlich wird es da nicht viele Verfahren dergestalt geben, da die meisten Gläubiger(vertreter) die Rechtslage kennen und entsprechend selbst die Pfändung für erledigt erklären.

    Für die anderen Fälle hört sich Vollstreckungsgegenklage 767 für die betroffenen Schuldner ja erstmal genauso einfach an wie jeder andere Schutzantrag beim Vollstreckungsgericht, dürfte dann aber formal langwieriger umzusetzen sein.

    Vielleicht gibt es aber auch Fälle, in denen Anträge nach 766 ZPO trotz oben aufgeführter BGH Entscheidung beim Vollstreckungsgericht erledigt werden.


    Das Thema war auch schon mal im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages ....auch dort wurde auf § 767 ZPO verwiesen, aber auch auf die Möglichkeit, dass das Vollstreckungsgericht nach § 769 Abs. 2 ZPO "in dringenden Fällen" eine einstweilige Anordnung zur Einstellung der Zwangsvollstreckung veranlassen kann. ....die dort genannten Kriterien....Glaubhaftmachung, hinreichende Aussicht auf Erfolg dürften bei den klaren Konstellationen (normale Insoforderung, RSB erteilt) ja vorliegen...

    Solche Beschlüsse nach § 769 Abs. 2 ZPO dürften aber auch nicht sonderlich häufig sein ?

  • @ Gegs: es geht natürlich nur um die Fälle, in denen der Gläubiger nicht reagiert oder (auch das gar nicht so selten) nicht mehr existiert

    Auch hier halte ich eine Klage für sehr riskant. Jemand, der nicht mehr existiert, kann schwerlich Partei eines Rechtsstreits sein. Was spätestens dann auffallen sollte, wenn die Klageschrift nicht zugestellt werden kann (von Zustellern, die es damit nicht so genau damit nehmen, mal abgesehen).

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  • Die am einfachsten umzusetzende Lösung des Problems ist eindeutig eine nicht-juristische: Bank wechseln!


    :wechlach:oder Konto gar nicht erst pfänden lassen, ha ha

    nee, im Ernst, das is ja klar, machen ja auch viele schon mit/bei/vor Antrag/Eröffnung


    Aber viele auch nicht und mich wundert, dass da nicht mehr Anfragen zu dem Thema kommen. Müsste man mal genauer recherchieren und dokumentieren, was mit den ganzen Altpfändungen während und nach dem Verfahren passiert.

  • Das Verhältnis von der Höhe der monatlichen Einkünfte und dem Freibetrag auf dem gepfändeten bisherigen Konto wäre selbstverständlich im Einzelfall zu prüfen. Droht wesentliches Kontoguthaben an den pfändenden Gläubiger zu gehen, ist die Klage natürlich sinnvoll.

    Die Eröffnung eines neuen Kontos für die Gutschrift der künftigen Einkünfte wäre bei hohen Einkünften allerdings erst Recht mein dringender Rat. Soll der Schuldner tatenlos zusehen, wie er über einen Teil seines monatlichen Einkommens nicht verfügen kann, bis endlich eine Klage zulässig und darüber entschieden ist?

  • Steht denn überhaupt fest, dass der Schuldner einen Anspruch auf Aufhebung der Pfändung hat?

    § 301 Abs. 2 InsO sichert schließlich Ansprüche, die zu einer abgesonderten Befriedigung führen würden als insolvenzfest. Dazu gehören meines Erachtens auch Pfändungen.

    Wenn dem nicht so ist, wo ist es geregelt?

    Ich bin Weinkenner. Wenn ich Wein trinke, merke ich sofort: aah, Wein. (Han Twerker)

  • Steht denn überhaupt fest, dass der Schuldner einen Anspruch auf Aufhebung der Pfändung hat?

    § 301 Abs. 2 InsO sichert schließlich Ansprüche, die zu einer abgesonderten Befriedigung führen würden als insolvenzfest. Dazu gehören meines Erachtens auch Pfändungen.

    Wenn dem nicht so ist, wo ist es geregelt?

    Ergibt sich zum einen klar aus dem Gesetz und wurde auch durch Rechtsprechung eindeutigst bestätigt. Sonst würde eine Restschuldbefreiung ja keinen Sinn machen.


    Die Pfändung eines Kontos betrifft a) die Pfändung des aktuellen Guthabens am Tag der Zustellung PfÜB und b) die Pfändung zukünftiger Guthabensalden, ist also was die immer wieder neu entstehenden Guthaben angeht, genauso zu betrachten wie eine Lohnpfändung, Pfändung von Rentenansprüchen, Steuererstattungsansprüchen etc.

    Es entsteht mit der rechtzeitig vor Rückschlagsperre erfolgten Pfändung also kein Pfandrecht, das zu einer abgesonderten Befriedigung führen könnte, sondern quasi mit jedem neuen Tag / mit dem Entstehen eines Lohnzahlungsanspruchs / eines Steuererstattungsanspruchs usw. ein neues Pfandrecht und dafür gilt § 89, § 294 bzw. nach RSB die "Nicht-Durchsetzbarkeit"

    § 301 Abs. 2 InsO betrifft Sachverhalte wie z.B. die Pfändung einer beweglichen Sache, Grundpfandrechte etc.

    Dies sollte doch mittlerweile überall bekannt sein.

  • Ja, hat er. Insolvenzfest bedeutet, dass die Insolvenz selbst, also das Verfahren, dem Pfandrecht, wenn es als genug ist, nichts anhaben kann. Aber die Restschuldbefreiung wirkt sich auf die dem Pfandrecht zugrunde liegende Forderung aus. § 286 InsO sagt halt, dass der Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit wird. Allerdings endet die Verstrickung nicht automatisch. Es bedarf eines gerichtlichen Aktes und diese aufzuheben. Er wird eben nicht immer von allen Verbindlichkeiten befreit, sondern ein paar bleiben halt bestehen. Da die Verstrickung nicht automatisch aufgehoben wird, bleibt auch das Pfandrecht bestehen. Da die Restschuldbefreiung die Forderung in materiell-rechtlicher Art betrifft, funktioniert es eben nur über § 767 ZPO.

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  • Ausgehen muss man wohl davon, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenständen keine (Absonderungs-)Rechte mehr entstehen können. Letztere beziehen sich nur auf Sicherungsgut (Forderungen, Sachen, Immobilien etc.), bei denen die Zwangsvollstreckung oder auch die Sicherheitengewährung durch den Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegriffen hat. Diese Absonderungsrechte bleiben auch nach der Restschuldbefreiung erhalten, da anderenfalls die Möglichkeit, eine Forderung abzusichern, komplett entwertet wird.

    Bei der Pfändung von zukünftigen Bankguthaben dürfte es anders sein, denn da wird zwar das zukünftige Guthaben (nach der Erteilung der Restschuldbefreiung) formal noch von der Zwangsvollstreckung erfasst wird; dieses ist aber materiell nicht wirksam und deshalb - notfalls mittels Vollstreckungsabwehrklage - aufzuheben.

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  • Das Verhältnis von der Höhe der monatlichen Einkünfte und dem Freibetrag auf dem gepfändeten bisherigen Konto wäre selbstverständlich im Einzelfall zu prüfen. Droht wesentliches Kontoguthaben an den pfändenden Gläubiger zu gehen, ist die Klage natürlich sinnvoll.

    Die Eröffnung eines neuen Kontos für die Gutschrift der künftigen Einkünfte wäre bei hohen Einkünften allerdings erst Recht mein dringender Rat. Soll der Schuldner tatenlos zusehen, wie er über einen Teil seines monatlichen Einkommens nicht verfügen kann, bis endlich eine Klage zulässig und darüber entschieden ist?

    Ja, natürlich sollte in solchen Fällen bereits in der Vorbereitung der Insolvenzbeantragung das Thema Kontowechsel eindringlich besprochen werden um den Neubeginn mit Insolvenzeröffnung und späterer Restschuldbefreiung zu vereinfachen.

    Aber darum geht es nicht, sondern um die Fälle in denen - warum auch immer - plötzlich eine bis dahin vergessene Kontopfändung nochmal Thema wird. Theoretisch ist dies ja auch bei Pfändnung von Lohn, Rente ein Thema, wenn dort eine Altpfändung vorliegt und nach Erteilung der RSB plötzlich wieder zum Thema wird - kommt in der Praxis ja so gut wie nicht vor, aber

    Ich dacht halt nur, dass es da eine einfachere und praktikablere Möglichkeit für den Schuldner geben sollte, falls mal ein Gläubiger die Pfändung nicht aufhebt, der Drittschuldner sie weiter bedienen will, der Gläubiger nicht mehr auffindbar oder sonstiges.

    Sind aber ja zum Glück absolute Einzelfälle.

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