Terminsgebühr im eAO - Verfahren ohne Termin

  • Hallo zusammen,

    bekommt der RA wirklich eine Terminsgebühr im eAO - Verfahren (Umgangsrecht) nach schriftlicher Anhörung mit dem Einverständnis der Parteien für die Entscheidung durch Beschluss ? Ein Termin hat nicht stattgefunden.

  • In dieser Konstellation würde ich das auch bejahen (vgl. AnwK-RVG/Reckin, 9. Aufl. 2021, Nr. 3104 Rn. 58).

    In den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es nach dem Grundsatz des § 32 Abs. 1 FamFG zwar nicht notwendig eines Termins. Eine Ausnahme gilt gem. § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG (zur EAO: s. auch § 156 Abs. 3 FamFG) in den Kindschaftssachen, die den Aufenthalt, den Umgang oder die Herausgabe des Kindes sowie Entscheidungen wegen Gefährdung des Kindeswohls betreffen. In diesen Verfahren hat das Gericht nach dem deutlichen Wortlaut der Vorschrift die Sache mit den Beteiligten mündlich zu erörtern (vgl. z.B. Keidel/Engelhardt, 17. Aufl., § 155 FamFG Rz. 7), so dass eine entsprechende Anwendung von Nr. 3104 VV RVG in Betracht kommt (vgl. KG, Rpfleger 2013, 53; OLG Stuttgart, NJW 2010, 3524), wenn die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sind.

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  • Das KG hatte es offen gelassen.


    Ne, das hatte sich dem OLG Stuttgart inhaltlich angeschlossen und diesbezüglich auch auf eine weitere Entscheidung des 19. ZS des KG verwiesen (s. Rn. 6). Im vom 24. ZS des KG (Rpfleger 2013, 53) zu entscheidenden Fall spielten diese Entscheidungen aber keine Rolle.

    Reckin (#3) weist m. E. zurecht darauf hin, daß die Beteiligten die verpflichtende Erörterung erzwingen könnten (wodurch die TG dann auf jeden Fall entstanden wäre). In diese Richtigung argumentiert auch das OLG Brandenburg (#2) bezüglich der EAO in Unterhaltssachen (übrigens von mir erwirkt :D;)). Das ist aber gerade die Motivation des Gesetzgebers gewesen, in diesen Fällen eine fiktive TG für die in Verlust tretende mündliche Verhandlung den RAe zuzusprechen. Insofern ist das Festhalten am Wortlaut ("erörtern" / "verhandeln") kein starkes Argument. Auch nicht, es könne keine Analogie gebildet werden, weil der Gesetzgeber klar und eindeutig zu formulieren habe bzw. sich trotz 2. KostRModG nicht zu einer Klarstellung veranlaßt sah. Das kann man z. B. an der Entscheidung des BGH zur analogen Anwendung des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG (Rpfleger 2018, 350) ersehen, bei dem sich der Gesetzgeber trotz des KostRÄG 2021 auch nicht veranlaßt sah, eine Klarstellung aufzunehmen.

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  • Doch, KG, 25 WF 58/12 "In Literatur und Rechtsprechung wird teilweise mit durchaus beachtlichen Gründen die Ansicht vertreten, dass durch die Wortwahl "mündliche Verhandlung" die Anwendung des Gebührentatbestandes auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen wird ...Hier kann offen bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist. Denn vorliegend fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal, dass eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist...."

    KG, 19 WF 102/11 "Es kann offen bleiben, ob angesichts der Verwendung des Begriffs "mündliche Verhandlung" diese Regelung auch auf ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung finden kann, in denen keine mündliche Verhandlung, sondern gegebenenfalls ein Erörterungstermin (§ 32 Abs. 1 FamFG) durchgeführt wird ... Voraussetzung für eine (entsprechende) Anwendung wäre, dass die Durchführung eines Erörterungstermins vorgeschrieben ist. Daran fehlt es hier...."

    Angesichts der Vielzahl der OLGs glaube ich nicht mal, dass Stuttgart seine Meinung bei einer Neubefassung aufrecht erhält.

    Es ist immer besser, die Figuren des Gegners zu opfern.

    Savielly Tartakover

  • Doch, KG, 25 WF 58/12 "In Literatur und Rechtsprechung wird teilweise mit durchaus beachtlichen Gründen die Ansicht vertreten, dass durch die Wortwahl "mündliche Verhandlung" die Anwendung des Gebührentatbestandes auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht ausgeschlossen wird ...Hier kann offen bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen ist. Denn vorliegend fehlt es bereits an dem Tatbestandsmerkmal, dass eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist...."

    Lies mal einen Absatz (Rn. 6) weiter. ;) Für die (im hiesigen Fall vorliegende) Kindschaftssache des Umgangs schließt es sich insoweit der Auffassung des OLG Stuttgart an.

    Angesichts der Vielzahl der OLGs glaube ich nicht mal, dass Stuttgart seine Meinung bei einer Neubefassung aufrecht erhält.


    Es ist genau(er) zwischen den sowohl Familiensachen als solches, aber insbesondere zwischen den Kindschaftssachen zu differenzieren (s. auch Rn. 7 der Entscheidung KG).

    Für mein Dafürhalten sollten immer noch die überzeugenderen Argumente zählen. Die Durchführung des Termins in den in § 155 Abs. 1 FamFG genannten Kindschaftssachen ist Pflicht (§ 155 Abs. 2 S. 1 FamFG). Das Gericht hat insoweit kein Ermessen (vgl. MüKo-FamFG/Heilmann, § 155 Rn. 48). Wenn also durch Zustimmung der Beteiligten zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren davon abgesehen wird, dann sprechen m. E. jedenfalls die besseren Gründe für das Zuerkennen der fiktiven TG als sie abzulehnen.

    Die unstreitige Motivation des Gesetzgebers für die Schaffung der fiktiven TG für den RA in den Fällen, in denen er bei Zustimmung seiner TG verlustig geht, und der damit einhergehenden planwidrigen Lücke des Gesetzgebers stehen insoweit im Widerstreit mit dem Wortlaut des Gesetzes und der Vermutung der OLG, der Gesetzgeber hätte sich sonst mittlerweile veranlaßt gesehen, eine Gesetzesänderung (Klarstellung) herbeizuführen. Daß das keineswegs zwingende Annahme ist, dafür habe ich nur mal beispielhaft die aktuelle BGH-Entscheidung angeführt. Wägt man beide Positionen ab, halte ich die aktuelle(re) Entscheidung des OLG München nicht für überzeugend(er).

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  • Gelesen, ich sehe es nicht, zitiere mal bitte. In der Sache kann mal sämtliche Argumente bei den OLGs nachlesen. Als die fikt. TG im RVG geschaffen wurde, galt das FGG und schon dort gab es nach h.M. keine fikt. TG in solchen Sachen. Es hat sich daher mit dem FamFG nichts verändert.

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    Savielly Tartakover

  • Gelesen, ich sehe es nicht, zitiere mal bitte.

    KG (- 25. ZS - Rpfleger 2013, 53 = FamRZ 2013, 730):


    "In den Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit bedarf es nach dem Grundsatz des § 32 Abs. 1 FamFG nicht notwendig eines Termins. Eine Ausnahme gilt gem. § 155 Abs. 2 Satz 1 FamFG in den Kindschaftssachen, die den Aufenthalt, den Umgang oder die Herausgabe des Kindes sowie Entscheidungen wegen Gefährdung des Kindeswohls betreffen.In diesen Verfahren hat das Gericht nach dem deutlichen Wortlaut der Vorschrift die Sache mit den Beteiligten mündlich zu erörtern (vgl. z.B. Keidel/Engelhardt, 17. Aufl., § 155 FamFG Rz. 7), so dass eine entsprechende Anwendung von Nr. 3104 VV RVG in Betracht kommt (vgl. OLG Stuttgart aaO.; KG – 19. ZS –, FamRZ 2011, 19781 = RVGreport 2011, 306 (Hansens)).

    In den von § 155 Abs. 2 FamFG nicht erfassten übrigen Familiensachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, somit auch in den übrigen Kindschaftssachen, ist eine Anwendung von Nr. 3104 Anm. (1) Nr. 1 VV RVG hingegen nicht gerechtfertigt."


    In der Sache kann mal sämtliche Argumente bei den OLGs nachlesen. Als die fikt. TG im RVG geschaffen wurde, galt das FGG und schon dort gab es nach h.M. keine fikt. TG in solchen Sachen. Es hat sich daher mit dem FamFG nichts verändert.


    Das ist in der Tat so (gewesen) - geschenkt. Und es wird in den Entscheidungen und in der Literatur (teilweise) auch darauf hingewiesen, daß der gesetzgeberische Wille eindeutig sei, weil er trotz Gesetzesänderung nichts am Wortlaut "mündliche Verhandlung" geändert habe (man ihm wohl nicht so viel "Unfähigkeit" unterstellen dürfe, er hätte die Problematik nicht erkannt).

    Ich frage mich aber, welche Motivation hinter diesem unterstellten gesetzgeberischen Willen stecken soll, wenn er angeblich zwischen mündlicher Verhandlung und Erörterung unterscheidet, in beiden Fällen ein gerichtliche Termin aber zwingend vorgeschrieben ist, in dem auch unstreitig eine Terminsgebühr für den RA entstehen würde und bei der Möglichkeit, einen solchen Termin erzwingen zu können, für seinen "Verzicht" die fiktive TG erhalten soll. Worin liegt also - nach unterstelltem gesetzgeberischen Willen - bei gleicher Ausgangslage (Termin zwingend durchzuführen) der qualitative Unterschied, daß der RA bei Zustimmung zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren einerseits eine fiktive TG ("mündliche Verhandlung"), andererseits keine TG ("Erörterung") erhalten soll?

    Daß der Gesetzgeber es in Wahrheit mit der Terminologie nicht so genau nimmt, kann man am FamFG selbst erkennen: § 51 Abs. 2 Satz 2 FamFG ordnet als Grundsatz bei der EAO an, daß das Gericht "ohne mündliche Verhandlung" entscheiden darf, meint damit aber zugleich auch die (im allgemeinen gem. § 32 FamFG, hier im Speziellen zum Umgang gem. §§ 155 Abs. 2 S. 1, 156 Abs. 3, 160 FamFG) ansonsten zwingenden Erörterungstermine.

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  • Als die fikt. TG im RVG geschaffen wurde, galt das FGG und schon dort gab es nach h.M. keine fikt. TG in solchen Sachen. Es hat sich daher mit dem FamFG nichts verändert.


    Einen Einwurf: Nach dem FGG konnte das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen darüber befinden, ob es im schriftlichen Verfahren oder nach mündlicher Verhandlung entscheiden will. Daher konnte auch kein Termin erzwungen werden. Darauf fußt u. a. die h. M., die keine fiktive TG zusprach (vgl. z. B. BGH, NJW 2003, 3133). Insoweit hat sich im Rahmen des FamFG - jedenfalls hier zum Umgang - schon etwas geändert.

    Das hat zwar auch das OLG Celle (FamRZ 2012, 245) erkannt, meint aber, der Gesetzgeber mache ausdrücklich einen Unterschied (er hätte ja sonst das Wort "Erörterung" ins Gesetz aufgenommen). Warum er das tun sollte, erörtert es aber nicht weiter, sondern verweist auf Gerold/Schmidt. Dort führt Müller-Rabe (z. B. 22. Aufl. 2015, Nr. 3104 VV Rn. 33) aber lediglich aus, daß der Unterschied darin bestehe, daß die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung nur sein kann, was Gegenstand der mündlichen Verhandlung war. In den Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit ihren Erörterungen bilde dagegen der gesamte Akteneinhalt die Grundlage der Entscheidung.

    Daran knüpft wieder meine Frage an: Wieso dann diese Ungleichbehandlung bei der fiktiven TG (evtl. daher auch Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG)?

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