Vormundschaft - Tod beider Eltern

  • Hallo zusammen,

    ich habe durch das Jugendamt eine Mitteilung über den Tod einer sorgebrechtigten Kindsmutter erhalten. Der Kindsvater ist bereits vorverstorben, sodass § 1680 Abs. 2 BGB ausscheidet. Das Jugendamt bittet um Bestellung als Amtsvormund. Kann ich nun einfach den Beschluss machen und das Jugendamt zum Vormund bestellen oder ist eine Kindesanhörung erforderlich? Das Kind ist 10 Jahre alt.

  • Falls eilig, würde ich das JA erstmal als Pfleger nach § 1909 Abs. 3 BGB einsetzen. Dann ermitteln und ja, auch das Kind anhören. Was trägt das JA denn so vor? Wo befindet sich das Kind aktuell? Gibt es Angehörige, die als Vormund in Betracht kämen? Ich würde auch die Nachlassakte(n) beiziehen. Vllt. gibt es ja ein Testament, in dem ein Vormund benannt ist.

  • Hat das Jugendamt denn etwas zur Eilbedürftigkeit vorgetragen? Das Jugendamt muss ohnehin in Obhut nehmen und kann notfallmäßig gewisse Dinge regeln.

    Grundsätzlich würde ich auf jeden Fall das Kind anhören, vielleicht kommen ja auch Oma, Opa, Tante oder Onkel oder gute Nachbarn, zu denen gute Bindung da ist, in Betracht. Grundsätzlich bestelle ich da bei der Frage der Wahl des Vormunds auf Verfahrensbeistand nach § 158 FamFG, da es für mich eine sehr persönliche Angelegenheit ist, wer für einen die Dinge entscheidet. In solchen Fällen, be idenen beide Eltern verstorben sind, versuche ich auch schnell das Kind vor Ort anzuhören, wo es sich gerade aufhält, damit man von den Verhältnissen etwas mitbekommt.

  • Das Jugendamt trägt vor, dass es noch eine volljährige Schwester gäbe, die eine Ausbildung mache. Man regt jedoch an, dass eine neutrale Person die Vormundschaft übernehmen sollte, um für das Kind die Entscheidungen treffen zu können. Aufgrund der Dringlichkeit wird beantragt einen Amtsvormund zu bestellen. Das Kind ist bereits seit Anfang 2021 in einer Wohngruppe untergebracht.

    Wird das Verfahren dann direkt als Vormundschaftsverfahren eingetragen und ich mache dann in dem Verfahren mein Beschluss und es läuft dann in der Akte weiter?

    Bedeutet, dass ich jetzt einen Beschluss mache. Das Jugendamt XY ganz normal zum Vormund bestelle. Dann das Kind lade und anhöre, um zu ermitteln, ob eine andere Person geeignet ist? Aber wenn das JA doch schon vorträgt, dass sie die Schwester als nicht geeignet ansehen?

  • Für mich hört sich da nichts nach dringlich an. Das Kind ist untergebracht, ist versorgt, geht zur Schule. Da würde ich schon anhören und erst mal keinen Beschluss machen. Wenn das Kind sich die große Schwester wünscht, wäre ein Verfahrensbeistand wirklich nicht verkehrt...

  • Kann man pauschal schwer sagen: Die Schwester würde ich persönlich nur dann dazu laden, wenn es bislang Anhaltspunkte gibt, dass sich das Kind sie als Vormund wünscht. Ansonsten ist sie erst einmal nicht Beteiligte.

    Im Rahmen des Auswahlverfahrens, bei dem alle nahen Verwandten einbezogen werden sollten, würde ich sie aber auf jeden Fall dazu hören; dazu genügt aber manchmal schon ein kurzes Telefonat, wenn es evtl. heißt "Danke, kein Interesse - kriege mein Leben selbst gerade nicht auf die Reihe!"

  • Keinen Vormund zu bestellen nimmt Druck aus der Sache. Insbesondere die Prüfung, ob das Erbe ausgeschlagen oder angetreten wird, gewinnt dadurch Zeit.

    Die volljährige Schwester und weitere Personen sollten erst nach dem Bericht des Beistands am Verfahren beteiligt werden. Ob sie als Vormund infrage kommt oder nicht sieht man später auch daran, ob sie in den Fragen Bestattung, Nachlass, Rente und eigener Lebensunterhalt weiter gekommen ist.

  • Das Jugendamt hat nur geschildert, dass aufgrund der Krisensituation eine neutrale Person zu bestellen wäre.

    Ich würde nun zunächst einen Verfahrensbeistand bestellen und auf den Bericht warten. Dann kann ich immer noch weiterprüfen, ob dieser ggf. eine geeignete Person vorschlägt und die Kindesanhörung machen.

    Die Frist zur Erbausschlagung beginnt dann erst mit Vormundbestellung, sehe ich das richtig?

  • Richtig, die Frist beginnt frühestens mit Vormundbestellung, der Vormund muss auch erst noch Kenntnis vom Erbfall haben, daher sollte das Familienericht bei Vormundbestellung das Nachlassgericht hierüber informieren - ohnehin dürfte ein enger Austausch vorteilhaft sein, falls beim Nachlassgericht eine testamentarische Sorgerechtsverfügung auftaucht, was ich hier nicht ausgeschlossen halte, wenn Vater vorverstorben und die Mutter vielleicht seit Monaten schwer krank, so dass das Kind bereits fremd untergebracht worden ist.

    Aber wie gesagt: Alles in Ruhe, das Kind ist seit Anfang des Jahres (!) untergebracht, da eilt jetzt erst einmal nichts.

    Einmal editiert, zuletzt von Ivo (21. Oktober 2021 um 07:41)

  • Genau. Die Frist beginnt ab Kenntnis des gesetzlichen Vertreters vom Erbfall.
    Im Gegensatz zu Kindergeld und zur Hinterbliebenenrente handelt es sich beim Erbe nicht um eine sonstige Sozialleistung, die nach § 1688 BGB Abs.2 seitens der Heimeinrichtung geltend gemacht werden können.
    Soeben habe ich erste Erfahrungen damit gemacht, bei älteren Kindern Rente und Kindergeld von der Erziehungsperson bearbeiten zu lassen. Dadurch wird die Kompetenz des Kindes in eigenen Angelegenheiten deutlich verbessert.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!