Akteneinsichtsrecht des Ehegatten

  • Der betreute Ehemann, zwischenzeitlich dement, ist in einem Heim. Zwischen ihm und seiner Ehefrau gab es jahrelang Steit. Der Ehemann hat es abgelehnt, seine Ehefrau über seine Vermögensverhältnisse zu informieren und hat sie auch sonst "kurz" gehalten.
    Wegen der bestehenden Streitigkeiten wurde für den Ehemann auch ein Berufsbetreuer bestellt.
    Die Ehefrau verlangt jetzt vom Betreuer des Ehemannes die Übersendung des Vermögensverzeichnisses des Ehemannes und verlangt beim Betreuungsgericht Einsicht in die Betreuungsakten.
    Sind die Ansprüche der Ehefrau begründet ?

  • Einzelfallentscheidung nach § 13 Abs. 2 FamFG, sofern sie nicht nach Abs. 1 ohnehin Beteiligte ist. Es käme auf die Begründung für das berechtigte Interesse an.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die Ehefrau des Betroffenen ist nur auf Antrag am Betreuungsverfahren zu beteiligen. Ggf. wäre der Betroffene zu hören. Über die Beteiligung ist ggf. durch rechtsmittelfähigen Beschluss zu entscheiden.

    Ansonsten ist die Ehefrau nur Dritte, die ihr Einsichtsrecht begründen muss. Auch hier ist gegen den Beschluss, der die Einsicht zulässt, ggf. ein Rechtsmittel zulässig. Deshalb sollte vor Einsichtsgewährung ggf. die Rechtsmittelfrist abgewartet werden.

    Ob ein zivilrechtlicher Anspruch auf Auskunft besteht muss ggf. der Betreuer bzw. das Zivilgericht (auf keinen Fall das Betreuungsgericht) entscheiden.

  • Zunächst wäre meiner Meinung nach der Betreuer und (sofern noch sinnvoll möglich) der Betroffene anzuhören.

    Ich denke, bei der Entscheidung muss man neben dem berechtigten Interesse auch den (mutmaßlichen) Willen des Betroffenen berücksichtigen. Wenn dieser die Ehefrau bislang bewusst aus seinen finanziellen Angelegenheiten herausgehalten hat und sie finanziell eher wenig gefördert hat, spricht viel dafür, dass er Einwände gegen die Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hätte.

    Generell wäre ich bei solchen Auskunftserteilungen vorsichtig. Sofern die Ehegattin meint, einen (vermutlich unterhaltsrechtlichen) Auskunftsanspruch über die finanziellen Verhältnisse des Betroffenen zu haben, mag sie diesen gegenüber dem Betreuer geltend machen. Im Streitfall hat ein Familiengericht über die Pflicht und den Umfang der Auskunftserteilung entscheiden.

    Ich hatte vor einiger Zeit auch einen Fall, in dem sich der Vater meines Betreuten massiv angestrengt hat, entweder bei mir Akteneinsicht zu erhalten oder eine Weisung gegen den Betreuer zu erwirken, dass dieser die Verhältnisse des Betroffenen offenlegen muss. Der Vater war ziemlich sicher auf der Suche nach einer Entschuldigung, die es ihm erlauben würde, die Unterhaltszahlungen einzustellen. Dieses Anliegen habe ich mit sehr deutlichen Worten zurückgewiesen und ihn auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Es ist nicht unsere Aufgabe, familienrechtlichen Auskunftsverfahren vorzugreifen.

  • Wir sollten aber bedenken:
    wir geben keine Auskunft aus den Akten.
    wir entscheiden über Akteneinsicht oder erteilen Abschriften aus den Akten.
    und es gibt Personen, denen wir Einsicht gewähren müssen oder solche ,denen wir Einsicht gewähren können.
    uns ist egal, ob der Einsichtbegeherende einen Unterhaltsanpruch hat oder nicht. Entweder er ist einsichtberechtigt oder eben nicht.
    ist der Einsichtbegehrende am Verfahren beteiligt? Oder ist er es nicht. Wenn nein muss ich entscheiden, ob ein anderweitiges Einsichtsrecht besteht oder ob das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt.
    Was wir nicht sagen können: hol dir dein Wissen woanders.
    Gewähren wir keine Einsicht muss es uns egal sein, woher der Einsichtbegehende sein Wissen holt. Ob durch Klage oder anderweitigen Antrag auf Eisicht. Egal.

  • Grundsätzlich sind Betreuungsakten nicht zur vollständigen Kenntnisnahme durch Dritte bestimmt (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 02.12.2013 - OLG Köln, Aktenzeichen 7VA213 7 VA 2/13).
    Die ersuchende Person hat konkret darzulegen (vgl. BVerfGE 27, BVERFGE Jahr 27 Seite 344 ff; OLG Hamm, Beschluss vom 7.10.2008, OLG Hamm. Aktenzeichen 15VA7908 15 VA 7-9/08), aus welchen Gründen sie Akteneinsicht begehrt, damit das entscheidende Gericht in die Lage versetzt wird, eine Abwägung zwischen den Informationsinteressen des Antragsstellers und dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung zu treffen.
    Durch das informationelle Selbstbestimmungsrecht soll die Intimsphäre des Betroffenen geschützt werden, was in Hinblick auf die im Betreuungsverfahren ausführlich angesprochenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse besonders zu beachten ist.

    Nach OLG München, FGPrax 2007,227, besteht kein Akteneinsichtsrecht, wenn dieses allein dem Zweck dienen soll, die Erfüllung der Rechnungslegungspflicht des Betreuers zu überwachen. Die Rechnungslegungspflicht des Betreuers betrifft ausschließlich das Vermögen des Betreuten, nicht das von Angehörigen des Betreuten.
    Angehörigen steht kein allgemeines Kontrollrecht bezüglich der Tätigkeit des Betreuers zu, nämlich dahingehend, ob er frist- und ordnungsgemäß seiner Rechnungslegungspflicht nachkommt und das Vermögen des Betreuten korrekt verwaltet. Die Überwachung des Betreuers ist eine originäre Pflicht des Betreuungsgerichts. Angehörige haben kein Anrecht darauf, ihrerseits die Erfüllung dieser Prüfungspflicht durch das Betreuungsgericht zu überwachen.
    Überdies überwiegt bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Betreuten auf informationelle Selbstbestimmung gegenüber dem etwaigen Interesse von Angehörigen an der Überprüfung der Rechnungslegung und Vermögensverwaltung durch den Betreuer.

    vgl. auch
    Oberlandesgericht Köln, Beschluss v. 27.03.2015 - 7 VA 1/15
    OLG Karlsruhe, Beschluss vom 03.09.2020 - 6 VA 23/20

    Versagung der Bewilligung von Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft im Betreuungsverfahren:
    AG Fulda Gerichtsbescheid v. 27.1.2022 – 1451 E, BeckRS 2022, 2496
    Rpfleger 325, 2022


  • hier würde es meines Erachtens kein Einsichtsrecht geben- unsere Richter würden das ablehnen.

    Das Betreuungsverfahren ist nicht dazu da, um den offenbar feststehenden Willen des Betreuten (Zitat aus Ausgangsfrage "Der Ehemann hat es abgelehnt, seine Ehefrau über seine Vermögensverhältnisse zu informieren".) zu umgehen. Ansprechpartner für die Ehefrau ist und bleibt ihr Mann bzw. der Betreuer und Auskunftsrechte muss sie sich ggf. erklagen.


  • Wo ist geregelt, dass für die Akteneinsicht der Richter zuständig ist ?

    Letztlich im Rechtspflegergesetz.

    Grundsätzlich ist für Betreuungsverfahren der Richter zuständig und damit auch für die Akteneinsicht in sein Verfahren. Dem Rechtspfleger wurden durch das RPflG nur bestimmte Einzeltätigkeiten übertragen.

  • Das betrifft andere Fälle als den hier angesprochenen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Die Systematik des Rechtspflegergesetzes ist umgekehrt: für Betreuungssachen ist der Rechtspfleger zuständig mit Ausnahme der dem Richter vorbehaltenen Geschäfte.

    Du hast natürlich recht. :oops:

    Ungeachtet dessen ist bei uns laut GVP die Genehmigung der Akteneinsicht den Betreuungsrichtern vorbehalten (egal wer Akteneinsicht beantragt).

    Argument:
    Die Anordnung der Betreuung, Auswahl des Betreuers usw. obliegt dem Richter. Die Akte enthält das von ihm gefertigte Anhörungsprotokoll und weitere Verfügungen. Es soll daher nicht der Rechtspfleger entscheiden, ob anderen Beteiligten/Unbeteiligten Einblick in diese Unterlagen gewährt wird.
    (Da sowohl Richter als auch Rechtspfleger in einer Akte arbeiten, wäre eine Genehmigung der AE durch den Rechtspfleger z. B. nur hinsichtlich der wegen der Vermögenssorge eingereichten Unterlagen auch gar nicht möglich.)

  • Die Gewährung der Akteneinsicht obliegt nach §13 Abs. 7 FamFG dem Gericht.
    Gericht ist der derjenige der in der Hauptsache entscheidet.
    Daher ist in Betreuungssachen m.E. der Richter zur Entscheidung berufen. Das gilt zumindest für die Aktenteile die seiner Bearbeitung unterliegen und wenn Akteneinsicht insgesamt beantragt wird führt dies (ggf. über §6 RpflG) zur Zuständigkeit des Richters.

    Wenn ausschließlich Einsicht in einen Teil der Akte begehrt wird, die der Bearbeitung der Rpfl. unterliegt könnte man m.E. über eine Zuständigkeit des Rpfl. nachdenken.

  • Bei unserem Gericht liegt ein Akteneinsichtsgesuch in ein Gutachten vor. Die Akte wurde daher der Richterin vorgelegt. Die Richterin sieht keine funktionell Zuständigkeit bei sich. Sie überträgt nun sämtliche Akteneinsichten gem. Paragraf 7 RpflG mit Beschluss auf den Rechtspfleger. Das führt zu dem Ergebnis, dass die Rechtspfleger z.B. nun auch über Akteneinsicht in Unterbringungen entscheiden müssen. Die Rechtspfleger an unserem Gericht sind der Meinung, dass wir hinsichtlich der Akteneinsicht nur über die Teile der Akte entscheiden können, welche der Bearbeitung des Rechtspflegers unterliegen. Der Beschluss nach dem Rechtspflegergesetz ist nicht anfechtbar. Hat jemand ähnliche Probleme an seinem Gericht oder eine Idee ob man evtl. doch eine Möglichkeit hat die Angelegenheit entscheiden zu lassen?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!