Amtswiderspruch wegen § 111h StPO

  • Hallo liebes Forum,

    nachdem ich schon viele viele Beiträge interessiert und passiv verfolgt habe, zwingt mich folgender Fehler dann doch zur aktiven Teilnahme und Ratsuche:

    2019 wurde auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft die übliche Sicherungshypothek zum Höchstbetrag sowie ein Veräußerungsverbot eingetragen.

    Als neuer Bearbeiter dieser Gemarkung habe ich mir das Grundbuch 2020 wahrscheinlich nicht gut genug angeschaut oder sonstwie keine Gedanken gemacht und eine Sicherungshypothek auf Ersuchen des Finanzamtes und etwas später auch eine auf Ersuchen des NLBV wegen der vorherigen Gerichtskosten eingetragen.

    Dass ich diese beiden Rechte nicht hätte eintragen dürfen, weil § 111h Abs. 2 StPO die weitere Vollstreckung für die Dauer der Arrestvollziehung (Ja, die läuft auch heute noch) unzulässig macht, ist mir erst später bekannt geworden und im Übrigen für dieses Grundbuch wieder relevant, weil vor kurzem auch die Gemeinde die Eintragung einer weiteren Sicherungshypothek beantragt hat. Nach Rn. 2236d vom Schöner/Stöber sind solche Anträge konsequenterweise als unzulässig zurückzuweisen.

    (Das Finanzamt vollstreckt "normal" und nicht nach § 324 AO)


    Bevor ich mit einem unberechtigten Amtswiderspruch alles noch schlimmer mache, möchte ich mich hier einmal absichern, ob dieser erforderlich ist.
    Über die übrigen Tatbestände des § 53 GBO besteht hier kein Zweifel, jedoch bin ich durch § 111h Abs. 1 StPO verunsichert, ob langfristig ein gutgläubiger Erwerb der Sicherungshypotheken/Eigentümergrundschulden möglich wäre.

    Nach Absatz 1 hat das Veräußerungsverbot eine Wirkung im Sinne des § 136 BGB. Laut dem Münchener Kommentar zu § 135 BGB, Rn. 50 besteht der gute Glaube in der Annahme, dass ein Verfügungsverbot nicht existiert, dies würde durch Eintragung des Verfügungsverbot ausgeschlossen werden.

    Verhindert das zuletzt genannte also die Eintragung eines Amtswiderspruchs? Die Beteiligten habe ich mittlerweile über den Grundbuchstand in Kenntnis gesetzt, an einer Löschung "auf dem Dienstweg" wollten das Finanzamt und das NLBV jedoch nicht freiwillig mitwirken.

    Vielen Dank!

  • Löschung auf Antrag des Eigentümers kommt nicht in Betracht?

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  • Zu dieser Möglichkeit würde ich auch tendieren.

    Die Begründung in der BT-Drs. 18/9525 vom 05.09.2016 führt zur früheren Fassung des § 111h Absatz 2 StPO
    https://dserver.bundestag.de/btd/18/095/1809525.pdf
    aus, dass die Regelung eine notwendige Ergänzung des Vollstreckungsverbotes des § 89 InsO darstellt.

    Daran hat sich mit Neufassung des § 111h StPO zum 1.7.2021 (s. die Gegenüberstellung hier:
    https://www.buzer.de/gesetz/5815/al149601-0.htm
    nichts geändert.

    Im Gegensatz zu § 111h Absatz 1 StPO (dort relatives Veräußerungsverbot) stellt § 111h Absatz 2 StPO ein absolutes Verbot von Zwangsvollstreckungen in Gegenstände, die im Wege der Arrestvollziehung gepfändet worden sind, für die Dauer der Arrestvollziehung dar („nicht zulässig“). Für dieses absolute Verbot kann auf die Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die zum Verstoß gegen § 89 InsO ergangen ist.

    Wird gegen das Vollstreckungsverbot des § 89 InsO verstoßen, hat dies die Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme und die Unrichtigkeit des Grundbuchs auch dann zur Folge, wenn der Grundbuchrechtspfleger die Eintragung in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung vorgenommen hat (Wilsch im BeckOK GBO, Hügel, Stand: 01.08.2021, Sonderbereich Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren, RN 88 mwN).

    Das OLG Hamm führt dazu in den Randziffern 19, 20 des Beschlusses vom 07.12.2011, I-15 W 26/11, 15 W 26/11
    https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm…ss20111207.html
    aus:
    „Ein Verstoß gegen § 89 Abs. 1 InsO führt zur materiell-rechtlichen Unwirksamkeit der Vollstreckungsmaßnahme (Braun/Kroth, InsO, 3. Aufl., § 89, Rn. 14; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 89, Rn. 40; Hess a.a.O., Rn. 35; Jaeger/Eckardt a.a.O., Rn. 74; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Kuleisa, 3. Aufl., § 89 InsO, Rn. 13; Andres/Leithaus, InsO, 2. Aufl., § 89, Rn. 8). Im Falle der unzulässigen Eintragung einer Zwangshypothek entsteht keine Grundstücksbelastung und das Grundbuch wird unrichtig (Jaeger/Eckardt a.a.O., Rn. 76; Hess a.a.O., Rn. 36; Uhlenbruck/Uhlenbruck a.a.O., Rn. 45; Nerlich/Römermann/Wittkowski a.a.O., Rn. 26; Münchener Kommentar zur InsO/Breuer a.a.O., Rn. 40; Hügel/Wilsch, GBO, 2. Aufl., Insolvenzrecht und Grundbuchverfahren, Rn. 87). Die Grundbuchberichtigung durch Löschung der Zwangshypothek kann dann entgegen der Ansicht des Grundbuchamtes auch aufgrund Unrichtigkeitsnachweises (§ 22 GBO) erfolgen (Jaeger/Eckardt a.a.O., Rn. 76; Uhlenbruck/Uhlenbruck a.a.O., Rn. 45; Münchener Kommentar zur InsO/Breuer a.a.O., Rn. 40; Hügel/Wilsch a.a.O.), zumal bei der entgegen § 89 Abs. 1 InsO eingetragenen Zwangshypothek eine Heilung nicht möglich ist (Münchener Kommentar zur InsO/Breuer a.a.O., Rn. 33 a.E.; Uhlenbruck/Uhlenbruck a.a.O., Rn. 41 a.E.; Jaeger/Eckardt a.a.O., Rn. 77). Dem steht auch das von dem Grundbuchamt angeführte BGH-Urteil vom 19.01.2006 (IX ZR 232/04) zur Rückschlagsperre nicht entgegen. Der BGH hat in der vorgenannten Entscheidung im Falle des § 88 InsO vielmehr eine Löschung der unwirksam gewordenen Zwangshypothek aufgrund Unrichtigkeitsnachweises ausdrücklich für zulässig erachtet (vgl. das vorgenannte BGH-Urteil, zitiert nach juris Rn. 22; so auch OLG Köln, Beschluss vom 14.07.2010, 2 Wx 86/10, zitiert nach juris Rn. 14 ff. und Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rn. 2223a). Dann muss dieses im Falle des § 89 Abs. 1 InsO erst recht gelten, da hier die Einzelzwangsvollstreckung sogar von Anfang an unzulässig war und der zu Unrecht eingetragene Gläubiger somit noch weniger schutzbedürftig ist als im Falle des § 88 InsO“.

    Die Berichtigung nach § 22 GBO erfolgt jedoch nur auf Antrag (Schrandt/Kalb in: Keller/Munzig, KEHE Grundbuchrecht - Kommentar, 8. Aufl. 2019, § 22 GBO RN 152).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen Dank für die beiden schnellen Antworten.

    Probiert habe ich es noch nicht, aber ich vermute anhand der Akte und dem Verlauf sehr stark, dass von dort keine Reaktion kommen wird.

    Leider ist die Angelegenheit hier erst zum Ende meiner Zeit an der Dienststelle akut geworden, sodass ich meinen Fokus darauf gelegt habe, wie ich bei diesem Fall "Nägel mit Köpfen" mache und die Entscheidung nicht meiner Nachfolgerin aufbürde.

  • Ein Eigentümer, der sich die Chance entgehen läßt, kostenfrei Zwangshypotheken loszuwerden, dürfte selten sein. Andererseits könnte es ihm in diesem speziellen Fall tatsächlich egal sein, weil ohnehin die StA den Daumen drauf hat (nach dem Motto: sollen die doch den Ärger haben;)) und er den Verlust einplant. Anschreiben würde ich ihn aber auf jeden Fall und hier vermutlich sogar den vorgedruckten Antrag beilegen.

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

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  • Hallo. Ähnlicher Fall. Weiß derzeit noch nicht, ob das Arrestverfahren bei Eintragung der ZwaSiHyp noch lief.

    Soweit ich es verstehe, ist nur ein Amtswiderspruch einzutragen, wenn das Arrest-Verfahren noch lief, unabhängig davon, ob noch das Veräußerungsverbot und die Arresthypothek eingetragen waren im Zeitpunkt der später eingetragenen ZwaSiHyp?

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