Häufigkeit Nachprüfungsverfahren

  • Hallo,

    ich hoffe, diese Frage kam nicht schon einmal auf (falls doch, bitte ich um Verzeihung und wäre für einen kurzen Hinweis dankbar).

    Mich würde interessieren, ob es in anderen Bundesländern und/oder Gerichtsbarkeiten (wie auch immer geartete) Vorgaben (soweit es solche denn mit Blick auf sachliche Unabhängigkeit geben kann), in welchen Fällen bzw. in welchem Umfang Nachprüfungen im Sinne des § 120a Abs.1 S.3 ZPO durchzuführen sind.

    Bei uns steht ein Workshop zu diesem Thema an und eine der sehr häufig im Vorfeld gestellten Fragen ist diejenige der Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufwand der entsprechenden Nachprüfung und einem potentiellen Gewinn für die Landeskasse. Der Vollständigkeit halber muss man vielleicht sagen, dass es bei uns am SG noch eine besondere Situation ist, da viele der betroffenen Beteiligten im Grundsicherungsbezug stehen.

    Persönlich sehe ich hier immer die Schwierigkeit einer Abwägung zwischen einer Nachprüfung in allen Fällen (was personell kaum machbar ist), einer Nachprüfung nur in bestimmten Fällen (wobei man sich schnell im Bereich der Willkür bewegen könnte) und dem gänzlichen Verzicht auf eine Nachprüfung...

  • Ich mache in der Regel 2 Jahre nach Beendigung die erste Nachprüfung und die zweite ein paar Monate vor Ablauf von 4 Jahren.

    Wenn eine wesentliche Verbesserung nahezu ausgeschlossen ist (z.B. bei Alterrente), lasse ich es ganz bleiben.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ich mache in der Regel 2 Jahre nach Beendigung die erste Nachprüfung und die zweite ein paar Monate vor Ablauf von 4 Jahren.

    Aber das ist dann deine eigene Entscheidung im Rahmen deiner sachlich unabhängigen Tätigkeit, oder?

  • Ich mache in der Regel 2 Jahre nach Beendigung die erste Nachprüfung und die zweite ein paar Monate vor Ablauf von 4 Jahren.

    Aber das ist dann deine eigene Entscheidung im Rahmen deiner sachlich unabhängigen Tätigkeit, oder?

    ja

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Ich lege es mir nach der Festsetzung auf 3 Jahre, wenn ich nicht sehe, dass da zeitnah eine Verbesserung erfolgen könnte (Ende Ausbildung, Wegfall Raten..) und lege dann weg, wenn sich nach den drei Jahren nichts verbessert hat und von einer Verbesserung auch nicht auszugehen ist. Bei der Mitteilung an die Partei, dass sich die Verhältnisse nicht verbessert haben, füge ich ein Hinweisblatt bei, indem auf die Pflicht zur unaufgedorderten Mitteilung hingewiesen wird.

  • Wir beim Familiengericht prüfen alle VKH-Parteien ein Mal nach 2 Jahren. Wenn sich da keine Hinweise auf eine mögliche baldige Verbesserung ergeben (Ende Ausbildun/Studium z.B.), wird weggelegt. Dabei handelt es sich um eine interne Absprache der RPfl. Der BezRev ist darüber nicht glücklich, er würde sich eine häufigere Prfung wünschen (das Zivilgericht im Haus prüft z.B. immer 2 Mal). Das wird von uns aus personellen Gründen und unter Hinweis auf die sachliche Unabhängigkeit aber abgelehnt.

  • Hier prüfen wir auch 2 Jahre nach der Festsetzung/Verfahrensende meist 1x. Ich schaue dann jedoch vorab im Schuldnerverzeichnis nach, ob sich die Prüfung überhaupt lohnt. Meist lege ich die Akte danach weg.

  • Anweisungen gibt es nicht und dürfte es auch nicht geben.

    Ich gucke mir tatsächlich jedes einzelne Verfahren an und entscheide dann, ob und wie oft ich das sehen will: Das hängt von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Beruf und dem Alter ab.

  • Das würde ich so nicht unterschreiben.

    Wir machen in FamSachen nach drei Jahren regelmäßige Überprüfung und zusätzlich bei Anlass (absehbares Ende der Ausbildung, Auszug Kinder o. ä.). Bei den regelmäßigen Überprüfungen, die eigentlich oft aussichtslos erscheinen, sind relativ oft Zufallstreffer bzw. besser Glückstreffer dabei: Noch einmal neu gut verheiratet, guter Job oder ganz oft ein vier- bis fünfstelliger Sparbetrag auf einem Sparkonto.

    Letztlich unterliegt das der rechtspflegerischen Unabhängigkeit, wobei ich neben dem rein wirtschaftlichen Aspekt, also dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag, dem Aspekt der Verhältnsimäßigkeit auch noch zusätzlich den Aspekt des "moral hazard" einbringen möchte: Gerade in Familiensachen gibt es sehr viele Stamm"kunden", die vermutlich nicht so oft gerichtlich in Erscheinung träten, wären sie Selbstzahler. Mit einem SGBII-Bescheid als "Freifahrtschein" könnten sie praktisch unbegrenzt Prozesse führen ohne eigenes Kostenrisiko - in Familiensachen kann man da auch schlechter mit Rechtsmissbräuchlichkeit argumentieren, denn manche brauchen tatsächlich alle Ferien eine Umgangsregelung oder die familiären Verhältnisse ändern sich aufgrund Patchwork/neue Kinder so oft, dass die Beziehungen regelmäßig unter gerichtlicher Assistenz neu austariert werden müssen - hier würden sich die Richter extrem schwer tun, ex ante vorherzusagen, dass es diesen Antrag nun gerade nicht braucht.
    Daher fragen wir auch bewusst bei allen an, damit auch unsere Stamm"kunden" nicht völlig anstrengungslos prozessieren können.

    Nebenbei: Vielleicht erklärt Pebb§y den Fleiß mancher Zivilrechtspfleger: Der Zivilrechtspfleger erhält 85 Minuten für PKH in Zivilsachen (Produkt GA 011) zusätzlich zu 33 Minunten im Produkt GA 010 ("Kostenfestsetzung und sonstige Rechtspflegertätigkeiten in Zivilsachen"), wohingegen der FamRechtspfleger leer ausgeht, weil es für ihn kein entsprechendes Produkt gibt. Beim FamRechtspfleger ist das im Produkt GA 080 "Kostenfestsetzung, VKH und sonstige Rechtspflegertätigkeiten in Familiensachen" mit einer Basiszahl von 30 Minuten abgegolten. Ein von mir angeregter Prüfauftrag für die Pebb§y Arbeitsgruppe wurde leider nicht weiter verfolgt...

  • Ich entscheide auch individuell je nach Verhältnissen, manche werden nach 6 Monaten geprüft, manche nie.

    Das ist doch das einzig sinnvolle

    Ja, wenn man eine Glaskugel hätte. :cool:

    Es kommt sicher auf die Abteilung an, aber eine Prüfung nach sechs Monaten finde ich verfrüht. So schnell ändert sich arbeitsmäßig bei der PKH-Partei meist nichts. Aber in zwei, drei Jahren können die wirtschaftlichen Verhältnisse schon ganz andere sein.

    Nie zu prüfen, sollte die absolute Ausnahme sein, auch aus den von Ivo genannten Gründen.

    Gerade in Abteilungen, in denen die PKH-Parteien häufig noch nicht so alt sind, kann grundsätzlich jederzeit eine Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse eintreten (Aufnahme einer Arbeit oder eine besser bezahlte Arbeitsstelle, Erbschaft...). Wenn es sich um Rentner handelt, sieht es sicher anders aus.

  • Hallo,

    ich hoffe, diese Frage kam nicht schon einmal auf (falls doch, bitte ich um Verzeihung und wäre für einen kurzen Hinweis dankbar).

    Mich würde interessieren, ob es in anderen Bundesländern und/oder Gerichtsbarkeiten (wie auch immer geartete) Vorgaben (soweit es solche denn mit Blick auf sachliche Unabhängigkeit geben kann), in welchen Fällen bzw. in welchem Umfang Nachprüfungen im Sinne des § 120a Abs.1 S.3 ZPO durchzuführen sind.

    Bei uns steht ein Workshop zu diesem Thema an und eine der sehr häufig im Vorfeld gestellten Fragen ist diejenige der Verhältnismäßigkeit zwischen dem Aufwand der entsprechenden Nachprüfung und einem potentiellen Gewinn für die Landeskasse. Der Vollständigkeit halber muss man vielleicht sagen, dass es bei uns am SG noch eine besondere Situation ist, da viele der betroffenen Beteiligten im Grundsicherungsbezug stehen.

    Persönlich sehe ich hier immer die Schwierigkeit einer Abwägung zwischen einer Nachprüfung in allen Fällen (was personell kaum machbar ist), einer Nachprüfung nur in bestimmten Fällen (wobei man sich schnell im Bereich der Willkür bewegen könnte) und dem gänzlichen Verzicht auf eine Nachprüfung...

    Ich bin mir sicher, dass es nirgendwo Vorgaben gibt und die darf es auch nicht geben.
    Allgemeine objektive Betrachtungen wirst du hier nicht bekommen, denn es ist die Sache jedes Einzelnen.
    Ich prüfe in 99,9 % der Fälle maximal 1 mal. Meist nach 3 Jahren. Ob das irgendjemandem gefällt oder nicht (Bezirksrevisor) ist mir egal :)


  • Allgemeine objektive Betrachtungen wirst du hier nicht bekommen, denn es ist die Sache jedes Einzelnen.

    Damit kann ich gut leben, mir hilft das hier ersichtliche bisherige Meinungsbild schon weiter. Gerade an normal großen bis kleineren Fachgerichten ist man in diesem Bereich schnell Einzelkämpfer ohne große Möglichkeiten zum fachlichen Austausch...

  • Na, für den Austausch habe ich ja das Forum.

    Und nur mal so: Zur Zeit liegt die ratenfreie Bewilligungsquote bei 62 %, mit Raten bei 18 % und Rücknahme oder Weisungen bei 20 %.

    Von den ratenfreien Bewilligungen gehen ungefähr 90 % ins NPV. Leute zu prüfen, bei denen offensichtlich keine Einkommensverbesserung zu erwarten ist, z.B. Rentner oder sehr kinderreiche Familien prüfe ich nicht. Klar, kann es da den Lottogewinn oder die Erbschaft geben (hatte ich beides auch schon), aber da steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

    Von den NPV-Verfahren werden 2/3 bei der ersten Nachprüfung aufgehoben, da meist eine Einkommensverbesserung nicht mitgeteilt wurde.


  • Von den NPV-Verfahren werden 2/3 bei der ersten Nachprüfung aufgehoben, da meist eine Einkommensverbesserung nicht mitgeteilt wurde.

    Kommt mir bekannt vor. Dicht gefolgt vom nicht mitgeteilten Umzug.

    Und nicht / nicht vollständig eingereichten Unterlagen.

    Hier (auch SG) prüft der Festsetzer nach eigenem ermessen. Manche werden gar nicht geprüft (Stammkunden, Rentner, dauerhaft Erwerbsunfähige usw. wer da alles noch so zugehört findet man schnell raus :)). Andere prüft man.
    Vorgaben gibt es dafür keine.


  • Von den NPV-Verfahren werden 2/3 bei der ersten Nachprüfung aufgehoben, da meist eine Einkommensverbesserung nicht mitgeteilt wurde.

    Kommt mir bekannt vor. Dicht gefolgt vom nicht mitgeteilten Umzug.

    Seid ihr da so konsequent? Wir praktizieren das nicht so, die Aufhebung der Aufhebung durch das Obergericht ist sehr wahrscheinlich.

    Auch bei (nicht unaufgefordert mitgeteilten) Einkommensverbesserungen ordnen wir dann eher Raten an als aufzuheben.

  • Yep, bei Umzügen hat man eher eine Chance durch zu kommen, aber bei einer Vermögensveränderung so gut wie keine.

    Und ja, die werden in fast allen Fällen vom Beschwerdegericht auch gehalten.

  • Yep, bei Umzügen hat man eher eine Chance durch zu kommen, aber bei einer Vermögensveränderung so gut wie keine.

    ...

    Zumindest bei uns ist es gerade anders herum.

    (Wobei wir auch bei einer nicht mitgeteilten Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse, z. B. Vermögenszuwachs, nicht aufheben, sondern uns mit einer Einmalzahlung "begnügen". Da bekommt dann der RA auch sicher seine weitere Vergütung.)

    Bei Umzügen mit erfolgter Ummeldung beim EMA wird die Aufhebung der PKH vom Obergericht eigentlich nie gehalten. (Ist da ja kein Problem, die neue Anschrift über das Melderegister herauszufinden.)

    vgl. z. B. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 06. Februar 2017 – 13 WF 19/17 –, juris

  • Bei uns ist es wie bei Frog.

    Unser Rechtsmittelgericht verlangt, dass das Gericht in jedem Fall nachweist, dass die unterlassene Mitteilung des Umzugs mit der Absicht erfolgt ist, der VKH-Prüfung zu entgehen. Die grobe Nachlässigkeit haben wir ursprünglich angenommen, weil bei PKH-/VKH-Bewilligung ja ein entsprechender Hinweis auf die Pflichten ergeht und dies im PKH-Antragsbeiblatt ja auch aufgeführt ist. Wir hatten § 124 I Nr. 4 ZPO vorher so gelesen, dass zumindest in der Alternative der nicht unverzüglich mitgeteilten Wohnungswechsel eine Aufhebung möglich ist "oder... oder... oder", sonst hätte der Gesetzgeber ja "...und... und" bzw. "...oder...und..." formulieren müssen.

    Die Täuschungsabsicht darzulegen ist regelmäßig unmöglich und für uns ist daher hier § 124 ZPO bei Umzügen ein stumpfes Schwert. Leider, denn die Gesetzesbegründung las sich ja schon so, dass eine drastische Verschärfung geplant war.

    Daher sind die Erfolgsaussichten bei nicht mitgeteilten Verbesserungen hier bei uns besser. Allerdings heben wir auch eher weniger auf, sondern machen lieber Abänderungsentscheidungen. Da ist die Möglichkeit der Aufhebung ein gutes Argument :teufel:

    Seit einem gemeinsamen Seminar mit Finanzbeamten in ganz anderer Sache sehe ich die Sache mit der PKH-/VKH-Überprüfung aber etwas entspannter: Wenn der Staat möchte, dass Geld in die Kasse kommt, sollte er die Finanzämter besserstellen. Das Geld liege für den Staat teilweise auf der Straße, dürfe aber oft nicht aufgehoben werden...
    Da geht es wohl auch nicht um Peanuts. Aber das ist ein anderes Thema...

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