Erbe hat ausgeschlagen. Jetzt gesetzliche Erbfolge statt test. Ersatzerben ?

  • Huhu,

    ich habe hier ein kleines Problemchen und wir sind uns im Kollegenkreis nicht einig.

    Folgender Sachverhalt:

    Die Eheleute haben sich in einem notariellen Testament 2018 gegenseitig Bedacht. Erbe nach dem Längstlebenden
    soll der gemeinsame Sohn werden, sofern der Überlebende keine anderweitige Verfügung tritt.

    Die Ehefrau ist 2020 verstorben, dass Testament wurde also eröffnet.

    Im Jahr 2021 hat der Ehemann sodann ein weiteres Testament beurkunden lassen.
    Dort hat er seine Nachbarin, die ihn zuletzt gepflegt hat, als Erbin eingesetzt.
    Für den Fall des vorversterbens der eingesetzten Erbin, sollen deren Kinder Erben sein.

    Nun ist auch der Ehemann gestorben. Die Testamente wurden ordnungsgemäß eröffnet.
    Die im Testament aus 2021 Bedachte hat die Erbausschlagung erklärt. Nunmehr beantragt
    der Sohn des Erblassers, ihn als Alleinerben auszuweisen.

    Meiner Meinung nach dürfte das nicht dem Erblasserwillen entsprechen. Der Notar äußerte sich im Hinblick auf meine
    Bedenken dahingehend, dass kein Raum für eine Auslegung gegeben sein dürfte, da es sich um eine notarielle Verfügung
    handelt.

    Es ist zwar richtig, dass der Wortlaut auf das Vorversterben der Erbin lautet, jedoch denke ich das
    das einfach nicht richtig zum Ausdruck gebracht wurde. Gem. § 1953 Abs. 2 BGB wäre die Ausschlagende
    zudem als vorverstorben zu betrachten, womit das Testament dann wieder seine Gültigkeit entfachen würde.

    Wie seht ihr das? Gesetzliche Erbfolge oder sind nun doch die Ersatzerben Erben geworden?

  • Zuerst einmal bestimmen, ob die Erbeinsetzung des Sohnes im 1. Testament wechselbezüglich ist. Dies ist höchstwahrscheinlich zu Verneinen, da ja dem Überlebenden das Recht eingeräumt wurde, neu zu testieren.

    Nach der Ausschlagung der im 2. Testament eingesetzten Erbin, sind natürlich die dort genannten Ersatzerben als Erben berufen.
    Dass im Testament steht, dass die Ersatzerben bei Vorversterben der eingesetzten Erbin, zum Zug kommen soll, ist meines Erachtens dahingehend auszulegen, dass diese auch nach Ausschlagung etc. als Ersatzerben zum Zug kommen sollen. Dein Argument, dass ein Ausschlagender so behandelt wird, als wäre er nicht vorhanden (vorverstorben), ist doch gut.

  • "Gem. § 1953 Abs. 2 BGB wäre die Ausschlagende zudem als vorverstorben zu betrachten, womit das Testament dann wieder seine Gültigkeit entfachen würde."


    Ähm, Nein:

    Wirkung der Ausschlagung


    (1) Wird die Erbschaft ausgeschlagen, so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt.
    (2) Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Ausschlagende zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte; der Anfall gilt als mit dem Erbfall erfolgt.

    Nenn mich einen Erbsenzähler, aber "als vorverstorben zu betrachten" oder als "nicht gelebt hätte" sind unterschiedliche Paar Schuhe.

    Da hier Ersatzerben nur auf den Tatbestand "versterben" eingesetzt wurden, kommt gesetzliche Erbfolge zum Zug, da der Tatbestand nicht erfüllt ist. Dies kann man -da bei einem Notar verfasst- auch kaum auslegen dahingehend, dass die Ersatzerben auch für eine Ausschlagung vorgesehen sind. Hier wurde ganz klar ein Tatbestand geschaffen, der jedoch nicht erfüllt ist.

    So sieht es auch der Palandt, 2017, § 1953 Rn. 5 ab "bei gewillkürter Erbfolge", nur bei Einsatz von Ersatzerben- dies ist hier nicht der Fall, wegen des damit verknüpften Tatbestandes.

    Im Übrigen: Wer kommt denn ernsthaft auf die Idee, das wenn der Erblasser seine Pflegerin einsetzte, eben weil diese ihn gepflegt hat, dass er gewollt hätte, dass deren Kinder seine Erben werden, wenn sie selbst diese Dankbarkeit nicht will?
    Das ist total lebensfremd- es sei denn es gibt noch viel Unerwähntes ( z.B. wie den Umstand, dass deren Kinder die Pflege mit durchführten und er diesen sehr verbunden war). Dafür gibt es aber keinen Anhalt, deswegen wird das auch genau so im Testament erfasst worden sein, wie es jetzt ist.


    7 Mal editiert, zuletzt von Insulaner (17. November 2021 um 14:47) aus folgendem Grund: Beitrag #2

  • Das ein notarielles Testament nicht auslegungsfähig wäre (und oft auch auslegungsbedürftig ist), wäre mir neu.

    Nach meiner Ansicht sollte die Auslegung ergeben, dass die eingesetzten Ersatzerben zum Zuge kommen. Diese sind ja ohnehin noch zum Erbscheinsantrag anzuhören.

  • Danke für Eure Antworten. Die Ersatzerben wurden angehört. Von drei potentiellen Ersatzerben, habe ich eine Zustimmungserklärung, eine telefonische Nachfrage ohne weitere Reaktion und die dritte Person hat sich gar nicht erst gemeldet. Meines Erachtens spricht zu Gunsten der Ersatzerben insbesondere die Tatsache, dass der eigene Sohn in keiner Weise Berücksichtigung gefunden hat in der letzten Verfügung.

  • Ich wollte nicht sagen, dass ein notariell erstelltes Testament nicht auch ausgelegt werden darf bzw. werden muss manchmal.

    Nur in diesem Fall ergibt für mich persönlich das Testament so wie es ist Sinn: Sohn kümmert sich nicht, darum bekommt alles die Person, die sich kümmert und für den Fall, dass diese vor mir verstirbt geht es dann halt an deren Kinder. Will die Frau es nicht, gut, dann doch wieder der Sohn, der mir immer noch näher ist als unbekannte Kinder meiner geliebten Pflegerin.

    Und Rechtskundige sollten schon erkennen: "Für den Fall des vorversterbens der eingesetzten Erbin" ist ein Tatbestand, dieser ist hier ganz klar nicht erfüllt ist. Dieser Tatbestand wurde von einem NOTAR und nicht von einem Rechtsunkundigen geschaffen, einem Notar der sonst in seinen Urkunden mit Sicherheit schreibt, wenn es anders gewollt wäre: Ersatznacherben sollen die Kinder sein. - den Standardsatz, dass diese Formulierung eben nicht die normale ist und einen Zweck hat, ist in meinen Augen von keinem Rechtskundigen übersehbar- ich habe hier jahrelang Testamente gesehen und behaupte sagen zu können: das ist so nicht normal.

    Daher komme ich hier auch zu keiner Auslegung.


    "Meines Erachtens spricht zu Gunsten der Ersatzerben insbesondere die Tatsache, dass der eigene Sohn in keiner Weise Berücksichtigung gefunden hat in der letzten Verfügung."- finde ich total abwegig. Der Mann hat einen Notar aufgesucht, der ihm gesagt hat(sofern man das Testament so liest wie ich)- "das bekommt deine Pflegerin und wenn sie nicht will, gilt wieder das alte Testament, nur wenn sie stirbt kriegen es ihre Kinder, deinen Sohn noch mal reinschreiben ist nicht notwendig.

    Ich bin erschreckt darüber, dass dies hier auch nur ein Einziger anders sehen kann- aber ist meine persönliche Empfindung.


    Daher auch mein Appell an den Themenstarter: 
    Frag den Notar, der das letzte Testament aufsetzte, wenn du ansatzweise auf die Idee kommen würdest den Erbschein zugunsten des Sohnes nicht zu erlassen - selbst, wenn er den Einzelfall nicht mehr, erinnert, kann er Auskunft geben, warum er diese spezielle Formulierung wählte. Hier in unseren Dörfern kennen sie teilweise auch noch den ganzen Hergang und sind die daher beste Informationsquelle über den Willen des Erblassers, die es gibt!

    Ich würde zugunsten der hier erwähnten Ersatzerben nicht entscheiden und ohne Befragung des Notar erst recht nicht!

  • Alleine die Menge an vermurksten notariellen Testamenten, die einem hier im Forum begegnet, lässt es nicht als angebracht erscheinen, im Wortlaut einer bestimmten Formulierung zu kleben.

    Mit ist auch nicht plausibel, dass der enterbte Sohn, der sich nicht kümmert, nun auf einmal Erbe sein soll, obwohl er sich nicht kümmert, zumal die Erbeinsetzung der Nachbarin inzident dessen Enterbung enthält. Wenn die Nachbarin die Erbschaft annimmt, sie einen Tag später der Schlag trifft und dann die Kinder ihre Erben werden, läuft das Ganze im Übrigen auf das Gleiche hinaus.

    Es geht hier um die Beurteilung von Unwägbarkeiten, die sich nur im Wege der Auslegung erschließen können. Selbst wenn überhaupt keine Ersatznacherbschaft ausdrücklich angeordnet wäre, müsste geprüft werden, ob die Nachbarin ggf. als Erste ihres Stammes bedacht ist. Das sind eben die pathologischen Fälle, weil die (und zwar auch die notariellen) Testamente im Hinblick auf die entscheidenden Fragen eben oft schweigen, obwohl sie es im Interesse der Rechtssicherheit nicht tun sollten. Ich halte es daher für sehr gewagt, eine bestimmte Lösung im vorliegenden Fall von vorneherein als die einzig richtige hinzustellen.

    Der vorsichtige Berater wird außerdem stets ausdrücklich aufnehmen, was für welchen Fall gewollt ist, auch wenn es nach dieser oder jener Ansicht nur klarstellende Wirkung hat.

    Was die angehörten Ersatzerben meinen, ist nicht der Maßstab. Das Nachlassgericht hat nach der von ihm beurteilten objektiven Rechtslage zu entscheiden. Im Übrigen ist der Sohn ggf. natürlich pflichtteilsberechtigt.

  • Nur in diesem Fall ergibt für mich persönlich das Testament so wie es ist Sinn: Sohn kümmert sich nicht, darum bekommt alles die Person, die sich kümmert und für den Fall, dass diese vor mir verstirbt geht es dann halt an deren Kinder. Will die Frau es nicht, gut, dann doch wieder der Sohn, der mir immer noch näher ist als unbekannte Kinder meiner geliebten Pflegerin.

    ....

    "Meines Erachtens spricht zu Gunsten der Ersatzerben insbesondere die Tatsache, dass der eigene Sohn in keiner Weise Berücksichtigung gefunden hat in der letzten Verfügung."- finde ich total abwegig. Der Mann hat einen Notar aufgesucht, der ihm gesagt hat(sofern man das Testament so liest wie ich)- "das bekommt deine Pflegerin und wenn sie nicht will, gilt wieder das alte Testament, nur wenn sie stirbt kriegen es ihre Kinder, deinen Sohn noch mal reinschreiben ist nicht notwendig.

    Ich bin erschreckt darüber, dass dies hier auch nur ein Einziger anders sehen kann- aber ist meine persönliche Empfindung.

    Dann reihe ich mich mal in die Phalanx derjenigen ein, die der Ansicht sind, dass man sich hier über die Auslegung Gedanken machen muss. Was die Eindeutigkeit der Formulierung in notariellen letztwilligen Verfügungen angeht, bin ich nämlich auch vorgeschädigt. Und dass der (beurkundende?) Notar auf die Bedenken nur erwidert, dass an einer notariellen Verfügung von Todes wegen nichts auszulegen sei, ist ja nun wenig hilfreich. Wenn ich im Grundbuch mit der Einstellung (ich darf nichts auslegen) an die Sache ranginge, könnten sich die Notare vor Zwischenverfügungen nicht mehr retten...

    Für mich fängt es schon damit an, dass der Notar (laut Sachverhalt) so gar nichts zu den früheren Verfügungen des Erblassers gesagt hat. Da gehört doch zumindest rein, dass es schon ein früheres Testament gab, dessen Verfügungen nun - ja was, abgeändert, ergänzt, widerrufen? - werden sollen.
    Inhaltlich, das wurde ja bereits gesagt, ist es doch bemerkenswert, dass der Sohn offenbar zugunsten der Pflegerin enterbt wurde und sogar deren Kinder als Ersatzerben zu Zuge kommen sollten. Also nicht mal, wenn die Pflegerin verstirbt, sollte stattdessen der Sohn erben, sondern lieber die "fremden" Kinder.
    Ob sich aus den Formulierungen in Testament weitere Anhaltspunkte ergeben - entweder in die eine Richtung zur Bindung an Pflegeperson oder in die andere Richtung zum Grad der Aversion gegen den eigenen Sohn - kann nur Andie2409 beurteilen.

    Ich finde insgesamt also den Gedanken, dass die Kinder der Nachbarin auch im Falle der Ausschlagung Ersatzerben werden sollen, zumindest nicht fernliegend.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Dem stimme ich zu.
    Dass der Notar angibt, das von ihm errichtete Testament sei nicht auslegungsfähig, diskreditiert ihn auch als Auskunftsquelle, denn es zeigt, dass er ein bestimmtes Ergebnis durchdrücken will, ohne dass er Alternativen bedenkt. Dass auch notarielle Verfügungen der Auslegung zugänglich sind, gehört so sehr zum rechtswissenschaftlichen Standard, dass jemand, der dies leugnet, sich schon damit ins Abseits stellt.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

    Nachtrag: Der Sohn sollte schauen, dass er in die Hufe kommt. Ihm stehen zwei Pflichtteile zu, von denen einer bald verjähren dürfte. Da kommt er insgesamt schon auf seine Kosten.

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasH (20. November 2021 um 17:59) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • 1. leider hat der Starter hier nicht mitgeteilt, welcher Notar hier den Antrag begleitet- ob es sich überhaupt um den Notar handelt, der das Testament verfasste.

    2. Wenn es der Notar war, der das Testament verfasste, dann hat er das Testament so geschrieben, wie der Erblasser es wollte und natürlich würde er dann sagen: "Moment, was wollt ihr da auslegen, ich hab den Willen des Erblassers nach Aufklärung über die Wirkung des Testamentes niedergeschrieben, das ist nicht auszulegen und klar formuliert hab ich auch. Spinnt ihr?"
    Das diskreditiert ihn nicht, wenn er sagt: Das ist so gewollt und nicht auszulegen. Das jedes Testament auslegungsfähig ist, ist ne andere Baustelle.

    Wie gesagt, im Zweifel den das Testament aufnehmenden Notar fragen. Wer dabei war und den Erblasser befragte weiß mehr als jeder hier der eine klare Formulierung "versterben" auch bei "schlägt aus" verwenden möchte. Im Grundstudium wäre ich mit so einer Idee von Frau Köster windelweich geprügelt worden- verbal.

  • Sehe es wie Insulaner - aber da das fragliche Testament erst in diesem Jahr beurkundet wurde, kann man ja hoffen, dass der beurkundende Notar noch lebt und entsprechende Auskunft zu seiner beurkundeten Wortwahl geben kann ... Das dürfte in diesem Fall wohl das einfachste sein.

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