Fiskus Beschwerde Anfechtung Erbausschlagung

  • Hallo, ich habe folgendes nachlassrechtliche Problem.

    Der Erblasser ist im September 2020 verstorben. Die Töchter fechten im Mai 2021 über einen Notar die Erbschaftsannahme an und schlagen jeweils aus mit folgender Begründung.

    „Ich habe seit über 20 Jahren keinen Kontakt mehr zu meinem Vater. Mir ist nicht bekannt, ob er weitere Familie hatte und wie seine Verhältnisse geordnet waren.
    Die Erbschaft nach meinem Vater habe ich nicht annehmen wollen. Ich habe die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft versäumt, weil ich über das Bestehen, den Ablauf und die Rechtsfolgen der Ausschlagungsfrist keine Kenntnis hatte.
    Vom Tod meines Vaters habe ich erst durch ein Anschreiben der Stadt erfahren, die mich aufforderte, die Beerdigungskosten zu übernehmen. In der Folge wurde mir dann bekannt, dass mein Vater eine Lebensgefährtin hatte, die dann auch die Kosten der Beisetzung getragen hat. Ich war daher davon ausgegangen, dass diese Lebensgefährtin Erbin ist und dass mein Vater ein Testament hinterlassen hat und ich in diesem Testament nicht als Erbe eingesetzt bin. Ob es tatsächlich ein Testament gibt, ist mir bis heute nicht bekannt. Nach meiner Kenntnis hat die Lebensgefährtin auch die Wohnung aufgelöst und sich um die Abwicklung seiner Angelegenheiten gekümmert.
    Ich war weiter der Auffassung, dass man, wenn man nicht durch ein Testament Erbe eingesetzt ist, ohnehin kein Erbe sein kann.
    Weiter war ich der Auffassung, dass es automatisch einen Erbschein gibt, wenn man Erbe geworden ist. Eine solchen habe ich nie beantragt und auch nie erhalten. Bis heute hat mich das Nachlassgericht nicht kontaktiert. Ich war der Meinung, dass man nicht Erbe sein kann, wenn man keine Benachrichtigung und/oder keinen Erbschein erhält.
    Dass die Ausschlagungsfrist 6 Wochen beträgt und dass mit ihrem Ablauf die Erbschaft als angenommen gilt, habe ich erst durch die beglaubigende Notarin im heutigen Termin erfahren.
    Ich fechte daher die Annahme der Erbschaft und gleichzeitig die Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über den Lauf der Ausschlagungsfrist an und schlage aus jedem Berufungsgrund und ohne jede Bedingung sowohl aufgrund gesetzlicher Erbfolge als auch gewillkürter Erbfolge nach meinem Vater hiermit aus.
    Ich gehe davon aus, dass der Nachlass überschuldet ist; die Vermögensverhältnisse sind mir aber nicht bekannt. Mir ist auch nicht bekannt, ob es Gläubiger gibt.“

    Alle weiter bekannt gewordenen Erben haben das Erbe ausgeschlagen, so dass das Fiskuserbrecht festgestellt wurde. Der Fiskus hat fristgerecht Beschwerde eingelegt mit folgender Begründung:

    „Die Töchter haben die Annahme der Erbschaft und gleichzeitig die Versäumung der Ausschlagungsfrist wegen Irrtums über den Lauf der Ausschlagungsfrist angefochten.
    Eine Anfechtung der Erbschaft kann sich jedoch lediglich in einem Eigenschaftsirrtum begründen. Dies wäre z.B. bei einem Irrtum über die Verhältnisse der Erbschaft zu bejahen. Laut Aussage der Töchter bestand von beiden Unkenntnis über die Verhältnisse des Verstorbenen. Wer hingegen keine Vorstellung hat, kann sich auch nicht über etwas irren.
    Die Übrigen vorgebrachten Einwendungen sind ausschließlich unerhebliche Rechtsirrtümer, die nicht zur Anfechtung berechtigen.
    Kenntnis vom Tod des Vaters erlangten die Töchter durch ein Schreiben der Stadt. Da der Erblasser bereits im September 2020 verstorben ist, dürfte sich die Stadt mit den Forderungen zur Übernahme der Bestattungskosten zeitnah nach dem Tod des Erblassers an die Töchter gerichtet haben. Die Erbausschlagungen erfolgten jedoch erst im Mai 2021. Die Erbausschlagungen sind somit verfristet.“

    Die Beschwerde wurde den Töchtern zur Stellungnahme übersandt. Sie weisen darauf hin, dass nach § 1956 BGB die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist auch für sich selbst möglich ist. Sie verweisen auf Palandt § 1956 BGB Rn. 2 „die in der Fristversäumnis liegende Annahme kann nicht nur bei wissentlicher Unterlassung der Ausschlagung angefochten werden, sondern … auch dann, wenn der als Erbe berufene die Erbschaft in Wirklichkeit nicht hat annehmen sollen, sondern die Frist nur versäumt hat, weil er über ihr Bestehen, ihren Lauf oder die Rechtsfolgen ihres Ablaufs in Unkenntnis gewesen ist… oder wenn er meint, sein Schweigen habe die Bedeutung einer Ausschlagung; wenn er deren Formbedürftigkeit nicht kannte.“ Diese Voraussetzungen lagen vor, wie sich aus der Anfechtungserklärung ergibt.“

    Dem Fiskus wurde die Stellungnahme übersandt. Er erklärt: „Die Ausführungen der Beteiligten stellt aus hiesiger Sicht lediglich eine Schutzbehauptung dar. Ein anfechtungsbegründender Irrtum ist nicht ersichtlich und vor allem auch nicht nachgewiesen. Es handelt sich bei der Begründung der Anfechtung um unbeachtliche Rechtsirrtümer, welche allerdings aufgrund der offensichtlich bestehenden Rechtskenntnis der Beteiligten schwer glaubhaft erscheinen. Die Ausschlagungserklärung und auch vorliegende Stellungnahme der Beteiligten zeigen, dass ganz offensichtlich sogar rechtliche Kenntnisse im Erbrecht, insbesondere über die Anfechtungsmöglichkeiten vorliegen. Grundsätzlich sind zwar Rechtsirrtümer unbeachtlich, lassen aber hier insgesamt mehr als nur erhebliche Zweifel an einem wirklich vorliegenden Irrtum aufkommen. Wollte man den Ausführungen folgen, so hätten die Fristen und die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Irrtums keine praktische Relevanz mehr. Die vorgetragene Argumentation könnte jeder Erbe jederzeit behaupten und damit die Fristen des BGB umgehen.“

    Könnt ihr mir helfen? Soll ich der Beschwerde abhelfen oder die Akte zur Entscheidung dem OLG vorlegen?

  • OLG.

    Alleine der Sachvortrag, dass eine Anfechtung nur wegen Eigenschaftsirrtums möglich sei, lässt auf lediglich rudimentäre erbrechtliche Kenntnisse des Fiskusvertreters schließen.

    Die Ausschlagenden (wegen Fristversäumnis) wären im Übrigen noch anzuhören.

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