Wie weit geht die Enterbung?

  • Hallo liebe Nachlassexperten,


    ich habe aktuell einen Fall, bei dem meine Kollegin und ich mir uneinig sind. Daher möchte ich gern wissen, welche Ansicht ihr habt.

    Eheleute machen ein handschriftliches gemeinschaftlichesTestament. Sie setzen sich gegenseitig als Erben ein und die beiden Söhne als Schlusserben. Pflichtteilsstrafklausel für die Söhne ist auch enthalten.

    Mann stirbt 2002.
    Beide Söhne sterben 2008 bzw. 2010.

    Frau geht 2011 zum Notar und macht dort ein Testament. Sie erklärt folgendes:
    Es war nie der Wille meines Mannes und mir, dass die Enkelkinder Ersatzerben sein sollen gem. § 2069 BGB. Die Ehen der Söhne wurden1976 bzw. 1978 geschieden und seitdem hatten weder unsere Söhne noch mein Mann und ich wieder Kontakt zu den Enkelkindern. Es war daher weder der Wille meines Mannes noch mein Wille, dass die Enkelkinder Ersatzschlusserben sein sollen.Ich kann daher neu testieren und setze meine Geschwister A, B, C und D als Erben ein.

    Frau stirbt 2019 und alle eingesetzten testamentarischen Erben (Geschwister) schlagen die Erbschaft aus. Auch alle Abkömmlinge der Geschwister schlagen die Erbschaft aus. Also sind keine Erben der 2. Ordnung mehr vorhanden.

    Nachlasspflegschaft wurde angeordnet. Es sind aktuell ca.25.000 € Barvermögen da.

    Die beiden Enkelkinder wurden mittlerweile ermittelt undstellen einen Erbscheinsantrag. Im Antrag wird natürlich nix zur Testamentsauslegung vorgetragen.


    Für mich stellt sich die Frage: Wie weit geht die Enterbungder Enkelkinder?

    1. Enkelkinder sind aufgrund des Testaments nur als Ersatzerben ausgeschlossen und sind als gesetzliche Erben erbberechtigt?
    2. Enkelkinder sind auch als gesetzliche Erben enterbt und daher sind die Erben der dritten Ordnung erbberechtigt?


    Meine Kollegin vertritt Meinung a), weil sie meint, dass mannicht so weit gehen kann, dass die Erblasserin ihre Enkelkinder auch alsgesetzliche Erben ausgeschlossen hat. Es ist nicht erkennbar, ob die Erblasserin ihre Enkelkinder auch enterbt hätte, wenn sie gewusst hätte, dassihre Geschwister die Erbschaft ausschlagen.

    Ich tendiere zu Meinung b). Für mich hat die Erblasserin in dem notariellen Testament sehr klar zum Ausdruck gebracht, warum sie nicht wollte, dass ihre Enkelkinder Erben werden. Grund hierfür ist, dass bereits seit über 40 Jahren kein Kontakt bestand. Anzunehmen, dass die Verstorbene ihre Enkelkinder nicht als Ersatzerben haben wollte, aber diese nunmehr als gesetzliche Erben erbberechtigt sein sollen, erscheint mir nicht lebensnah.

    Wie seht ihr das?


    Ich will auf jeden Fall den Notar auffordern noch etwas zu Testamentsauslegung vorzutragen.
    Ich halte es auch für geboten die Erben der 3. Ordnung ermitteln zu lassen und diese ebenfalls zum Erbscheinsantrag anzuhören. Das dürfte allerdings schwierig werden, da die Frau 1931 in Tschechien geboren wurde.

    Könnte man daher einen Verfahrenspfleger für die unbekannten Erben bestellen und diesen zum Erbscheinsantrag anhören?


    Vielen Dank schon einmal für eure Ideen, Hinweise und Anmerkungen J

  • Die Enkel sind pflichtteilsberechtigt. Damit ist schon mal die Hälfte von den 25.000 weg. Wenn der NP versucht, die komplette 3. Ordnung (mit Bezug zu Tschechien) zu ermitteln, kann es passieren, dass dafür die andere Hälfte draufgeht.

  • Für mich ist es eindeutig, dass die Enkelkinder nunmehr als gesetzliche Erben zum Zuge kommen.
    In dem alleinigen Testament erklärt die Frau ja nur, dass es nicht der Wille war, dass sie Ersatzschlusserben seien, aber sie erklärt nicht grundsätzlich die Enterbung.

  • Hier sollten die Enkelkinder ganz klar nichts erben, daher die Testamentsänderung.

    Dass sie jetzt eindeutig als gesetzliche Erben zum Zug kommen sollen sehe ich nicht so. Jedoch wurde im Testament für den Fall der Nichtannahme der testamentarischen Seite nichts geregelt.

    Ich halte es daher für vertretbar, dass die den Erblassern mangels Kontakt unbekannten Enkel vor weiteren, ebenfalls unbekannten Verwandten erben.

    Es entspricht meines Erachtens dem normalen Gedankengang eines Erblassers- bevor es jemand ganz fremdes bekommt, dann lieber die Enkel.

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