Anrechnung GG, Zahlung vorgerichtlich, kein Gebührensprung

  • Hello,

    es bestand Streit über eine Versicherungsleistung, sowie Gutachterkosten

    Die Versicherung hat außergerichtlich einen Teil der Forderung anerkannt und hat diese, sowie einen Teil der Sachverständigenkosten gezahlt. Die hieraus entstandene Geschäftsgebühr (Wert bis 13.000 €) wurde gezahlt.

    Der Restbetrag bzgl. der nicht gezahlten Gutachterkosten wurde eingeklagt. (228 €)

    Bei Hinzurechnung der eingeklagten Betrags erfolgt kein Gebührensprung.

    Im Kostenfestsetzungsverfahren gibt es nun Streit wegen der Anrechnung der GG.

    Die eine Seite beruft sich nun wegen der außergerichtlichen Zahlung auf die Anrechnung der GG auf die VG.

    Die andere Seite widerspricht mit der Begründung, dass die streitbefangene Sache keinen Gebührensprung bei der GG ausgelöst habe. Die außergerichtlich gezahlte GG habe die Tätigkeit auf Basis des außergerichtlichen Erledigungswerts abgegolten.

    Was sagt ihr? :):)

  • Die andere Seite widerspricht mit der Begründung, dass die streitbefangene Sache keinen Gebührensprung bei der GG ausgelöst habe. Die außergerichtlich gezahlte GG habe die Tätigkeit auf Basis des außergerichtlichen Erledigungswerts abgegolten.

    Die Argumentation verstehe ich nicht so recht. Das kein Gebührensprung vorliegt ist m.E. genau der Grund weshalb eine Anrechnung zu erfolgen hat.
    Die gezahlte außergerichtliche GG umfasste offensichtlich auch die eingeklagte (Rest-)Forderung, weshalb Gegenstandsidentität vorliegt. Es hat daher eine Anrechnung zu erfolgen auf die sich die Beklagte nach §15a III RVG wegen der vorgerichtlichen Zahlung berufen kann.
    Läge ein Gebührensprung vor, dann würde es an der Zahlung der GG bzgl. des Klagegegenstandes fehlen, sodass ggf. keine Anrechnung oder nur eine teilweise Anrechnung nötig wäre.

  • Wir hatten das Thema hier mal, so ca. im Jahre 2013, und parallel auch nebenan https://www.foreno.de/viewtopic.php?f=8&t=64115&start=20

    Damals war ich der Ansicht, es sei anzurechnen. Heutzutage würde ich eher das Gegenteil behaupten mit der Argumentation, dass aus dem Wert der Klage keine GG entstanden ist.

    Ausführliches Pro und Contra kannst Du den beiden Threads entnehmen (den hier im Forum bitte selber suchen :cool:).

  • Ich finde, da außergerichtlich gerade der Teil nicht anerkannt wurde, der jetzt eingeklagt ist, wurde deswegen die GG aus dem nunmehr eingeklagten Teil gerade nicht gezahlt. Da ja außergerichtlich auch nur die GG aus dem, außergerichtlich anerkannten Teil gezahlt wurde. --> Damit keine Anrechnung, da nicht gezahlt wurde. Es wurde ja auch keine weitere GG aus dem Teil eingeklagt.

  • Kleines Rechenbeispiel um meine Auffassung zu verdeutlichen:

    Fall: Kläger fordert außergerichtlich 2.000 €

    Variante 1: Beklagter zahlt außergerichtlich nichts. Der Kläger klagt erfolgreich 2.000 € nebst GG aus Streitwert 2.000 € ein

    Im KFV zu berücksichtigen ist daher offensichtlich die 1,3 VG abzüglich einer 0,65 GG je nach Streitwert 2.000 € (ausgehend von eine Regelfall)

    Variante 2: Beklagter zahlt außergerichtlich 1.500€ nebst GG nach Streitwert 1.500 €. Der Kläger klagt erfolgreich 500 € ein und die Differenz der GG zwischen Streitwert 1.500 € und 2.000 €

    Im KFV zu berücksichtigen ist m.E. die 1,3 VG abzüglich einer 0,65 GG je nach Streitwert 500 €

    Variante 3: Beklagter zahlt außergerichtlich 1.600 € nebst GG nach Streitwert 2.000 €. Der Kläger klagt erfolgreich 400 € ein und keine GG, weil die ja schon vollständig gezahlt ist (das dürfte dem vorliegenden Fall entsprechen)

    Im KFV zu berücksichtigen ist m.E. ebenfalls die 1,3 VG abzüglich einer 0,65 GG je nach Streitwert 500 €
    Ich sehe nämlich nicht weshalb bei Variante 3 im Gegensatz zu Variante 2 keine Anrechnung erforderlich sein sollte nur weil der materielle Anspruch auf die GG schon vollständig vorgerichtlich erfüllt wurde und daher nicht mehr eingeklagt werden brauchte/konnte.

    Variante 4: Beklagter zahlt außergerichtlich 1.000 € nebst GG nach Streitwert 1.000 €. Der Kläger klagt auf weitere 1.000 € und die Differenz der GG zwischen Streitwert 1.000 € und 2.000 €.
    Das Gericht spricht dem Kläger 500 € nebst der Differenz der GG zwischen Streitwert 1.000 € und 1.500 €.

    Im KFV zu berücksichtigen ist m.E. die die 1,3 VG nach Streitwert 1.000 € abzüglich einer 0,65 GG nach Streitwert 500 € (für die übrigen 500 € ist weder Titulierung nach Zahlung erfolgt, sodass sich der Beklagte nicht auf die Anrechnung berufen kann).

  • Dies Überlegung mit der Berechnung habe ich mir auch schon gemacht.
    Der Kläger hätte sich vorliegend gar keine GG bzw Differenz GG einklagen dürfen/können, da es keine Differenz gibt.

    Aber trotzdem bin ich der Meinung, dass der Streitgegenstand für den die Geschäftsgebühr gezahlt wurde gerade nicht in das gerichtliche Verfahren übergegangen ist, da die Zahlung der GG eben nur aus dem Teil, der gerade nicht eingeklagt wurde, bezahlt wurde.

    :confused::confused:

  • Die Argumente für und wider so wie hier vorgetragen sind auch schon 2013 erörtert worden. Rückblickend finde ich den Post #16 im oben verlinkten Thread am Überzeugendsten: Die Versicherung hat aus dem eingeklagten Wert keine GG gezahlt, deshalb keine Anrechnung.

  • Es kommt bei der Frage, ob hier eine Erfüllung i. S. v. § 15a Abs. 3 RVG vorliegt, auf die Definition des "Gegenstandes" bzw. seiner Identität an.

    Der BGH ist der Auffassung (zwar nicht im Rahmen des § 15a, aber bezüglich der Anrechnungsvorschrift Vorb. 3 Abs. 4 VV), daß eine wirtschaftliche und keine formelle Betrachtungsweise geboten sei. Der für die Anrechnung zu fordernde sachliche Zusammenhang sei problemlos gegeben, wenn der vom RA angemahnte Zahlungsbetrag anschließend eingeklagt wird (BGH, Beschl. v. 17.04.2012, XI ZB 23/11). Der Sinn und Zweck der Anrechnung liege in dem geringeren Einarbeitungs- und Vorbereitungsaufwand, den ein bereits vorgerichtlich mit der Angelegenheit befasster RA hat.

    Eine Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV aus der Wertstufe bis 500 € hat hier nach § 15a Abs. 1 RVG auf die 1,3-VG zu erfolgen, weil auch aus dem eingeklagten Teil (228 €) die außergerichtliche GG (Wertstufe 13.000 €) entstanden ist und insoweit Gegenstandsidentität zwischen außer- und gerichtlicher Tätigkeit vorliegt.

    Daß der Erstattungspflichtige aber auch die GG (bis 13.000 €) für den inkludierten Gegenstand der Tätigkeit des RA (228 €) erfüllt hat, ist der wirtschaftlichen Betrachtung geschuldet und Reflex der vom Gesetzgeber angeordneten Gebührendegression.

    Würde man die Erfüllungswirkung hier verneinen, würde doch mehr erstattet werden, als entstanden ist. Der Erstattungsberechtigte schuldet seinem RA eine (beispielhaft mal den Regelfall angenommene) 1,3 GG aus 13.000 € = 865,80 € nebst einer (um eine 0,65 aus bis zu 500 € = 31,85 €) geminderten 0,65 Rest-VG aus 500 € = 31,85 €, mithin insgesamt 897,65 €.

    Würde jetzt der Dritte = Erstattungsschuldner sich nicht auf die Erfüllung i. S. d. § 15a Abs. 3 RVG berufen können, würde er neben den unstreitig gezahlten 865,80 € darüber hinaus aber den an sich anzurechnenden Teil (0,65 aus bis zu 500 €) zu zahlen haben, also eine 1,3 VG aus 63,70 €, mithin insgesamt 929,50 €.

    » Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung. «
    L E O N A R D O | D A | V I N C I

  • Das entspricht exakt meiner Rechtsauffassung, ist aber profunder begründet :daumenrau :D

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