Dolmetscher für die Antragsprotokollierung

  • Huhu,

    ich hatte gerade einen Anruf vom Weißen Ring.

    Eine Russin möchte Gewaltschutz beantragen (wohl zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären), spricht aber kein Deutsch.

    Dolmetscher für die Protokollierung des Antrags?
    Wie verhält es sich mit den Kosten? Ich nehme an, dass VKH beantragt wird.

    LG

  • Eine VKH-Bewilligung würde nur für das sich anschließende gerichtliche Verfahren wirken. Und VKH für die Protokollierung eines Antrags ist im Gesetz nicht vorgesehen. Entweder die Frau bringt einen Sprachkundigen (das muß ja kein Dolmetscher sein, ein Freund oder Bekannter oder wer vom Verein) mit, oder sie kann keinen Antrag zu Protokoll erklären. Es sei denn, Dein Russisch ist gut genug.;)

    Beginne den Tag mit einem Lächeln. Dann hast Du es hinter Dir. (Nico Semsrott)

    "Das Beste an der DDR war der Traum, den wir von ihr hatten." Herrmann Kant in einem Fernsehinterview

  • Милая, я не понимаю :strecker

    Könnte man das nicht als Kosten des Verfahrens ansehen und wenn dann für das Verfahren VKH bewilligt wird, sind diese Kosten abgedeckt?
    Amtssprache ist zwar deutsch, aber darf einem der Weg zum Rechtsstaat dadurch verwehrt werden, weil man sich nicht auf Deutsch ausdrücken kann?

    Habe mal versucht an einen russisch sprechenden Anwalt zu verweisen, den es in der Nähe zu finden gibt.
    Ansonsten habe ich Anträge bislang auch immer mit der Hilfe etwaiger übersetzungswilliger Familienangehörigen oder Freunden aufgenommen

  • Милая, я не понимаю :strecker

    Könnte man das nicht als Kosten des Verfahrens ansehen und wenn dann für das Verfahren VKH bewilligt wird, sind diese Kosten abgedeckt?
    Amtssprache ist zwar deutsch, aber darf einem der Weg zum Rechtsstaat dadurch verwehrt werden, weil man sich nicht auf Deutsch ausdrücken kann?

    An der Festlegung von deutsch als Amtssprache wird man sich wohl orientieren können/müssen.

    Wenn die Partei die Sprache nicht beherrscht, kann sie - auf eigene Kosten - zur Antragsaufnahme gern einen Dolmetscher beauftragen und mitbringen.

    Bildet man mal einen Vergleichsfall, dass die der deutschen Sprache unkundige Partei einfach eine Zivilklage schriftlich in ihrer Muttersprache einreicht mit der Bitte, das Gericht möge diese übersetzen lassen, wird das wohl nicht funktionieren.

  • Könnte man das nicht als Kosten des Verfahrens ansehen und wenn dann für das Verfahren VKH bewilligt wird, sind diese Kosten abgedeckt?

    Kosten des Verfahrens, bevor es überhaupt ein Verfahren gibt? Glaube ich nicht.

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  • Hier werden ab und zu die Antragstellerin in Gewaltsschutzverfahren von Mitarbeiteren eines Vereins, der bei häuslicher Gewalt unterstützt, zur Antragstellung begeleitet. Einmal hatten die auf Kosten des Vereins auch einen Dolmetscher organisiert und mitgebracht. Wenn ich das richtig im Kopf habe, war der auch schon mit der Kommunikation zwischen Antragstellerin und Verein betraut.

    Wie hat denn die (zukünftige) Antragstellerin in diesem Fall mit dem Weißen Ring kommuniziert?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Wie die bisherige Kommunikation erfolgt ist weiß ich auch nicht.

    Mir gegenüber wurde angegeben, dass diese sich mit ,,Händen und Füßen'' ausdrücken könne, woraufhin ich abgelehnt habe zu protokollieren, da ich so auch keine e.V. unterschreiben lasse.

    Es kam auch der Vorschlag, dass ein Dolmetscher über den weißen Ring besorgt und bezahlt wird.

    Ich habe bis jetzt nichts mehr von der Sache gehört... :)

  • An der Festlegung von deutsch als Amtssprache wird man sich wohl orientieren können/müssen.

    Ob das im Hinblick auf Art. 6 Abs. 3e EUMRK so absolut gilt. Ich weiß, dass in der Vorschrift nur von Angeklagten in einem Strafverfahren gesprochen wird; aber einen gewissen Verfahrensgrundsatz kann man darin vielleicht doch sehen.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • - Seufz -

    Ich habe das schon mal an anderer Stelle geschrieben: Gerade WEIL die Amtssprache Deutsch ist, ist bei einer etwaigen Protokollierung eines Antrags auch die Hinzuziehung eines Dolmetschers möglich und geboten. Und u. U. wird der wohl vom Gericht zu vergüten sein.

    Oder will man die Antragsaufnahme daran scheitern lassen, dass die Antragstellerin keinen Dolmetscher mitbringen oder gar auf eigene Kosten zahlen kann??? Ich hätte dabei große Bauchschmerzen, auch verfassungsrechtlicher Art.

    "Es ist nicht wahr, dass die kürzeste Linie immer die gerade ist."
    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • Kein Verfahren, keine VKH/PKH, aber auch keine Kosten.

    Die Kosten eines Dolmetschers sind m.E. zu vergüten, aber halt nicht einzuziehen, sollte es zu keinem Verfahren kommen.

    Kommt es zu einem Verfahren, sind es ganz normale Verfahrenskosten, die anzusetzen sind und für die ggf VKH/PKH bewilligt wird.

  • - Seufz -

    Ich habe das schon mal an anderer Stelle geschrieben: Gerade WEIL die Amtssprache Deutsch ist, ist bei einer etwaigen Protokollierung eines Antrags auch die Hinzuziehung eines Dolmetschers möglich und geboten. Und u. U. wird der wohl vom Gericht zu vergüten sein.

    Oder will man die Antragsaufnahme daran scheitern lassen, dass die Antragstellerin keinen Dolmetscher mitbringen oder gar auf eigene Kosten zahlen kann??? Ich hätte dabei große Bauchschmerzen, auch verfassungsrechtlicher Art.

    Und wie sieht es deiner Meinung nach dann bei Einreichung einer schriftlichen Klage bzw. eines schriftlichen Antrages aus (z. B. in indischer Sprache)?

    Das Gericht muss übersetzen lassen, um überhaupt festzustellen, um was es sich handelt und ggf. ein Zivil- oder familiengerichtliches Verfahren anlegen zu können? :gruebel:

    Wie macht das eigentlich der der deutschen Sprache nicht Mächtige, wenn er zum RA geht, um eine Klage erstellen zu lassen und ihm die Bezahlung eines Dolmetschers nicht möglich ist?

  • Das BayObLG hat bereits vor Jahrzehnten festgestellt, dass auch die Antragsaufnahme zur Protokoll der Geschäftsstelle nach § 185 GVG als Verhandlung zu verstehen ist, wegen Art. 3 Abs. 3 GG (nachzulesen im Rpfleger 1977, 133; online hab ich die Entscheidung nicht gefunden). Demnach ist nach pflichtmäßigen Ermessen der Urkundsbeamte verpflichtet, einen Dolmetscher hinzuziehen.

    Und das der Rechtspfleger bei der Rechtsantragsstelle nach § 24 RpflG als solcher tätig ist, muss ich hoffentlich nicht weiter ausführen.

  • Und wie sieht es deiner Meinung nach dann bei Einreichung einer schriftlichen Klage bzw. eines schriftlichen Antrages aus (z. B. in indischer Sprache)?

    Das Gericht muss übersetzen lassen, um überhaupt festzustellen, um was es sich handelt und ggf. ein Zivil- oder familiengerichtliches Verfahren anlegen zu können? :gruebel:

    Das halte ich für nicht vergleichbar. In dem von Dir genannten Fall entscheidet sich der Verfasser dann ja bewusst dafür, einen Schriftsatz in einer fremden Sprache einzureichen.

    Wie macht das eigentlich der der deutschen Sprache nicht Mächtige, wenn er zum RA geht, um eine Klage erstellen zu lassen und ihm die Bezahlung eines Dolmetschers nicht möglich ist?

    Er sucht sich einen Rechtsanwalt, mit dem er sich in der von ihm beherrschten Sprache verständigen kann.

  • Und wie sieht es deiner Meinung nach dann bei Einreichung einer schriftlichen Klage bzw. eines schriftlichen Antrages aus (z. B. in indischer Sprache)?

    Das Gericht muss übersetzen lassen, um überhaupt festzustellen, um was es sich handelt und ggf. ein Zivil- oder familiengerichtliches Verfahren anlegen zu können? :gruebel:

    Das halte ich für nicht vergleichbar. In dem von Dir genannten Fall entscheidet sich der Verfasser dann ja bewusst dafür, einen Schriftsatz in einer fremden Sprache einzureichen.

    :zustimm:

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    (Gotthold Ephraim Lessing)

  • In Regionen mit überschaubarem Anteil fremdsprachiger Rechtsanwälte könnte das unter Umständen schwierig werden. Für die Fahrtkosten zu einem weiter entfernt befindlichen RA reichen dann ggf. die finanziellen Mittel nicht.

  • Für die Fahrtkosten zu einem weiter entfernt befindlichen RA reichen dann ggf. die finanziellen Mittel nicht.

    Ich muss meinem Mandanten in Zeiten moderner Kommunikationsmittel nicht unbedingt persönlich gegenüber sitzen. In der Regel findet sich immer ein (Kommunikations-)Weg. Das haben uns die vergangenen beiden Jahre doch gezeigt.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Für die Fahrtkosten zu einem weiter entfernt befindlichen RA reichen dann ggf. die finanziellen Mittel nicht.

    Ich muss meinem Mandanten in Zeiten moderner Kommunikationsmittel nicht unbedingt persönlich gegenüber sitzen. In der Regel findet sich immer ein (Kommunikations-)Weg. Das haben uns die vergangenen beiden Jahre doch gezeigt.

    Mag bei vielen Mandanten funktionieren, aber wohl nicht bei allen.

    In der Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit der Reisekosten weit vom Gericht entfernter Rechtsanwälte wird ja häufig das Recht des Mandanten zur persönlichen Information seines RA hervorgehoben.
    Aber vielleicht ändert sich diese im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung moderner Kommunikationsmittel.

  • Jedenfalls in Eil- und erst recht in Gewaltschutzsachen kann ich die hier vorgetragenen Argumente kaum glauben. "Du kennst hier keinen, Du hast kein Geld für einen fremdsprachigen Anwalt, Du kannst kein Deutsch, dann lass' Dich weiter schlagen!" - echt jetzt? Hier wird nicht der Rechtsstaat verteidigt, sondern der "informellen Justiz" (= Parallelgesellschaften) Vorschub geleistet.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • „Die Zuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers kann bei Ausländern oder Taubstummen für die Durchführung der BerH erforderlich sein. Das gilt namentlich dann, wenn andernfalls keine Verständigung, insbesondere Sachverhaltserfassung möglich ist. Der RA kann dann Erstattung der dazu aufzuwendenden Kosten verlangen (…) Im Einzelfall kann aber die Erstattung von Dolmetscherkosten abgelehnt werden, wenn eine Verständigung auch über hinzugezogene Verwandte oder Arbeitskollegen möglich und zumutbar gewesen wäre.“ Groß in: Groß, Beratungshilfe/Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, § 46 Auslagen und Aufwendungen, Rn. 10“


    Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, die Notwendigkeit der Hinzuziehung und damit die Kostenerstattungbei der Beantragung anders zu bewerten, als beim Rechtsanwalt.


    „In den Art. 44 ff. EuUntVO ist der Anspruch auf Prozesskostenhilfe als Bestandteil des Anspruchs auf „Zugang zum Recht“ umfassend geregelt. Nach Art. 45 EuUntVO erhält ein Antragsteller (…) Prozesskostenhilfe (Verfahrenskostenhilfe) für die komplette grenzüberschreitende Rechtsverfolgung. Die Kostenhilfe umfasst die vorprozessuale Rechtsberatung, …, die Befreiung von Gerichtskosten, von Sachverständigen-, Dolmetscher- und Übersetzungskosten ….“ Gottwald in: Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht, 8. Aufl. 2020, Ausländer als Verfahrensbeteiligte, Rn. 5.135 – juris –


    Auch dies spricht meines Erachtens für eine Übernahme der Dolmetscherkosten, da die Beratungshilfe den Zugang zum Recht ermöglichen soll und eine Antragsaufnahme ohne Verständigung nicht möglich ist.


    Allerdings würde ich die Übernahme der Kosten von der Bewilligung der Beratungshilfe abhängig machen. Es handelt sich um Gerichtskosten. Diese werden im vergleichbaren Fall der PKH auch nur dann von der Staatskasse getragen, wenn die PKH bewilligt wird.


    Daher sollte meines Erachtens durchaus auf die Verständigung mittels sprachkundiger Bekannter hingewirkt werden, da die Dolmetscherkosten auch dann anfallen, wenn die Beratungshilfe abgelehnt wird. Insoweit besteht ein erhebliches Kostenrisiko für den Antragsteller.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

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