Familiengerichtliche Genehmigung Erbausschlagung aus persönlichen Gründen

  • Es liegt ein Antrag der Vormünder auf Genehmigung einer Erbausschlagung vor.

    Die Urgroßmutter des Mündels, 8 Jahre alt, ist verstorben. Die Großmutter und der Vater haben ausgeschlagen.

    Die Eltern des Mündels waren nicht verheiratet und die Mutter war alleine sorgeberechtigt.
    Das Mündel lebt seit seiner Geburt bei Vormündern. Die Kindsmutter ist im April 2021 verstorben.

    Es ist noch Erb-Vermögen in Höhe von ca. 5.000,00 € vorhanden.
    Die Enkelin und Betreuerin der Erblasserin hat das Erbe (als Einzige) nicht ausgeschlagen und hat sich um die teilweise demente Großmutter gekümmert sie zu sich nach Hause geholt
    sowie nach dem Sterbefall alles abgewickelt.

    Die Großmutter und der Vater des Mündels haben sich mit der Urgroßmutter verstritten und auch wenig bis keinen Kontakt gepflegt.

    Ich würde die Ausschlagung der Vormünder gerne genehmigen, bin mir aber sehr unsicher, da das Kind dann auf ca. 2.500,00 € verzichten würde.
    Allerdings hat das Kind sowie seine Verwandten in gerader Linie keinen Kontakt und auch die Erbschaft ausgeschlagen.
    (Die Großmutter des Mündels wurde wohl bereits ausbezahlt, was aber nicht nachgewiesen ist.)

    Das Kind ist meines Erachtens noch zu jung um angehört zu werden.
    Auf der anderen Seite ist es für das Kind psychisch nicht belastend, wenn es auf einmal 2.500,00 € mehr Guthaben auf dem Konto hätte, und würde es wohl auch nicht mitbekommen.

    Folgende Entscheidung des OLG Köln ist mir dabei aufgefallen:
    Der Ausschlagungserklärung zulasten eines minderjährigen Erben muss aber nicht stets schon dann die Genehmigung versagt werden, wenn es an einer Überschuldung des Nachlasses fehlt. Maßstab für die zu treffende familiengerichtliche Entscheidung ist allein das Wohl des Mündels. Ob die Ausschlagung einer Erbschaft nach § 1643 Abs. 2 BGB genehmigungsfähig ist, hängt mithin nicht allein von dem wirtschaftlichen Interesse des Mündels unter Berücksichtigung des Nachlassbestands ab. Auch seine Gesamtbelange – samt seiner persönlichen Interessen – sind umfassend zu würdigen (Saarl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 24. 4. 2015 – 6 WF 42/15, FamRZ 2016, 260). Hierbei kann auch Berücksichtigung finden, ob und aus welchen Gründen vorrangig Erbberechtigte ebenfalls die Erbschaft ausgeschlagen haben (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 11. 9. 2018 – 13 WF 114/18, ZEV 2018, 677).
    Hinzu tritt, dass vorrangig Erbberechtigte ebenfalls bereits ausgeschlagen haben.
    Der Senat verkennt nicht, dass eine Erbausschlagung eines Erben, der – wie hier – im staatlichen Leistungsbezug steht, regelmäßig nicht genehmigungsfähig ist, da insoweit dem Staat die Möglichkeit eines Rückgriffs bzw. einer Einschränkung seiner Leistungen entzogen wird (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 16. 7. 2009 – 15 Wx 85/09, FamRZ 2009, 2036).
    Vorliegend indes ist – bestenfalls – ein Wertzufluss zu erwarten, der unterhalb des Schonvermögens (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 1a SGB II: 3100,– €) liegt und über welchen der Erbe daher eigenverantwortlich disponieren kann.
    Wenn dann noch wegen der Entfremdung zur Erblasserin eine Erbschaft von dieser Seite nicht mehr annehmen zu wollen, verdient dieser Wille im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung des Umfangs der im Erbfall bestenfalls nur zu erwartenden überschaubaren finanziellen Vorteile – Berücksichtigung (OLG Köln, B. v. 13.11.2018, 10 WF 164/18, DNotZ 2019, 311 Rn. 1-5, beck-online).

    Danke für die Rückmeldung.

  • Die Entscheidung mit der vollen Disponibilität bei Vermögesnzuflüssen unter der Schonbetragsgrenze war mir neu. Danke dafür!
    Allerdings: Wenn das Kind die 2.500 € bekäme, würde doch auch das Sozialamt keinen Regress machen oder? Dann hätte man ein prall gefülltes Taschengeldkonto, dass auch mal das eine oder andere Extra (Handy, Fahrrad, Ausflug, Urlaub etc.) erlauben würde.

    Das würde ich abklären. Und anhören würde ich persönlich in jedem Fall, denn einem Achtjährigen (2./3. Klasse Grundschule) kann man kindegerecht eigentlich schon das Wesentliche klar machen, da würde ich mich nicht an der Altersgrenze 14 orientieren.

  • Ich würde dem OLG insoweit zustimmen, dass die Entscheidung über eine Erbausschlagung nicht ausschließlich nach dem wirtschaftlichen Nutzen der Erbschaft bewertet werden kann.

    Die Ausschlag eines werthaltigen Nachlasses käme für mich dann in Frage, wenn das Kind selbst aus persönlichen Gründen keinen Wunsch verspürt, Rechtsnachfolger des Erblassers zu werden. Denkbar wäre das beispielsweise in Fällen, in denen die Beziehung zwischen dem Erblasser und dem Kind zerrüttet war oder in denen der Erblasser das Kindeswohl gefährdet hat.

    Wenn sich nur die Eltern mit dem Erblasser verstritten haben und es keine persönlichen Differenzen zwischen dem Mündel und dem Erblasser gab, würde ich mich mit der Genehmigung schwer tun.

  • Aus meiner Sicht es auch grundsätzlich möglich einen werthaltigen Nachlass auszuschlagen. Vorliegend gehe ich davon aus, daß das Kind überhaupt keine Kenntnis von der Erblasserin hat oder zumindest keinen näheren Bezug. In die familiären Streitigkeiten war es wohl gar nicht involviert, ich würde daher eher gegen eine Genehmigung tendieren.

  • Im Betreuungsrecht wären die Wünsche des Betroffenen für den Betreuer (und auch für das Gericht) beachtlich.

    Bei Minderjährigen wären m.E. auch deren Wünsche zu ermitteln. Die Wünsche bzw. die Motivation der Vormünder dürften unbeachtlich sein.

  • "Die Enkelin und Betreuerin der Erblasserin hat das Erbe (als Einzige) nicht ausgeschlagen und hat sich um die teilweise demente Großmutter gekümmert sie zu sich nach Hause geholt
    sowie nach dem Sterbefall alles abgewickelt."

    Man kann sich angesichts dieser Ausgangslage auch mit einer positiven Begründung für die Ausschlagung beschäftigen: Die anderen Erben befürworten, dass die Kümmerin das Erbe bekommen soll.
    Eine solche Konstellation haben wir hier schon diskutiert. Damals spielten die wirtschaftlichen Verhältnisse des Erben eine Rolle.

    Wenn ein Erbe nicht auf sein Erbteil angewiesen sein sollte, weil seine Lebensunterhalt gesichert ist und keine Rücklagen für einen bestimmten Zweck gebildet werden wollen, dann sollte es den gesetzlichen Vertretern erlaubt werden, sich dieser familiären Meinungsbildung anzuschließen.

  • Ich habe nun nochmals mit der Enkelin telefoniert. Das Grab der Erblasserin (Familiengrab) befindet sich ca. 350 km entfernt von ihrem Wohnort.Das Mündel wohnt ca. 50 km entfernt vom Grab. Die Enkelin muss für die Grabpflege einen Gärtner beauftragen, da die Oma und der Vater des Mündels die Grabpflege nicht übernehmen würden, da sie ja die Erbschaft ausgeschlagen hätten.Die Grabpflege kosten ca. 700 € im Jahr.Die Enkelin sagt nun, dass sie dann die Grabpflege nicht organisiert.Das könnte m.E. ein hinreichender Grund sein die Erbausschlagung doch zu genehmigen, da dann eben die Belastung mit der Grabpflege auf das Mündel zukommen würde.

  • Ich habe nun nochmals mit der Enkelin telefoniert. Das Grab der Erblasserin (Familiengrab) befindet sich ca. 350 km entfernt von ihrem Wohnort.Das Mündel wohnt ca. 50 km entfernt vom Grab. Die Enkelin muss für die Grabpflege einen Gärtner beauftragen, da die Oma und der Vater des Mündels die Grabpflege nicht übernehmen würden, da sie ja die Erbschaft ausgeschlagen hätten.Die Grabpflege kosten ca. 700 € im Jahr.Die Enkelin sagt nun, dass sie dann die Grabpflege nicht organisiert.Das könnte m.E. ein hinreichender Grund sein die Erbausschlagung doch zu genehmigen, da dann eben die Belastung mit der Grabpflege auf das Mündel zukommen würde.

    Das halte ich für fraglich.

    Es existiert auch im entsprechenden Bundesland mutmaßlich ein Gesetz, was die Verantwortlichkeit für die Bestattung und Grabpflege regelt. In diesem ist regelmäßig eine Rangfolge der Angehörigen enthalten. Nach dieser dürfte der Vater als näherer Verwandter der Verstorbenen das Mündel von der Verantwortlichkeit ausschließen.

  • Es existiert auch im entsprechenden Bundesland mutmaßlich ein Gesetz, was die Verantwortlichkeit für die Bestattung und Grabpflege regelt. In diesem ist regelmäßig eine Rangfolge der Angehörigen enthalten.


    Ich kenne kein Bestattungsgesetz, in dem die Grabpflege auf Kosten der Bestattungspflichtigen angeordnet wäre. Es geht immer nur um die Beerdigung.
    Auch der Erben sind zur Grabpflege nur verpflichtet, wenn sich das aus einer letztwilligen Verfügung ergibt. Ansonsten umfaßt die Beerdigungspflicht der Erben (§ 1968 BGB) nur die Kosten für die Erstanlage eines Grabes, nicht die für dessen übliche Pflege und Unterhaltung (OLG-Schleswig-Holstein, 06.10.2009, 3 U 98/08; LG Heidelberg 31.05.2011, 5 O 306/09). Die Grabpflegekosten sind auch keine Nachlassverbindlichkeiten (BGH NJW 1988, 136 (137); BGHZ 37, 58 (64) = NJW 1962, 1719 (1721)).

    Nach dieser dürfte der Vater als näherer Verwandter der Verstorbenen das Mündel von der Verantwortlichkeit ausschließen.

    Nein, wenn es eine Grabpflegepflicht gäbe, wären die Erben dran - auch die Bestattungskosten können sich diejenigen, die nach den Bestattungsgesetzen der Länder bestattungspflichtig sind (und für die Kosten öffentlich-rechtlich haften) von den Erben zurückholen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Aus euren Ausführungen ergibt sich somit der Schluss, dass die Problematik der Grabpflege - entgegen der Ansicht von oberbalbach - kein Grund ist, die Ausschlagung zu genehmigen.

    Dennoch stellt sich ggf. die Frage, an wen sich die Friedhofsverwaltung ggf. wendet, wenn das Grab nicht gepflegt wird bzw. zuwächst.

  • Irgendjemand hat doch das Grabnutzungsrecht vertraglich von der Gemeinde erworben. Und diesen treffen nach der entsprechenden Friedhofsordnung die Kosten der Grabpflege. Allerdings nur die Kosten, die der Grabnutzungsberechtigte verursacht, z.B. durch Abschluss eines Grabpflegevertrags bzw. durch eigenes Handeln (z.B. Kauf von Pflanzen, ...).

    In der Regel erwirbt derjenige, der die Bestattung "organisiert" das Grabnutzungsrecht bzw. die Bestattungspflichtigen (nach dem jeweiligen Landesrecht).

    Und bezüglich der Grabpflege besteht keine Einstandspflicht der Erben, es sei denn sie hätten -aus eigener Verpflichtung- das Grabnutzungsrecht erworben. Dann hilft aber auch eine Ausschlagung der Erbschaft nicht (mehr).

  • Irgendjemand hat doch das Grabnutzungsrecht vertraglich von der Gemeinde erworben. Und diesen treffen nach der entsprechenden Friedhofsordnung die Kosten der Grabpflege. ...

    Das Grab gab es vor dem Tod der jetzigen Erblasserin offenbar schon länger, siehe #8:

    Zitat

    Das Grab der Erblasserin (Familiengrab)...

  • Die Enkelin der Betreuerin hat die Bestattung organisiert und ist auch Ansprechpartnerin für die Friedhofsverwaltung.


    Bisher wurde das Grab wohl von der (ausschlagenden) Tochter der Erblasserin gepflegt, die auch in dem Ort wohnt, in dem sich das Grab befindet.

    Wenn das Mündel nicht für die Grabpflege verantwortlich ist, so hat das Mündel keinen Nachteil, wenn ich die Genehmigung der Ausschlagung versage,
    sie Erbe wird und sie dann ca. 2.500 € bekommt. :gruebel:

  • Meiner Kenntnis nach, ist ein während bereits bestehenden Leistungsbezuges eintretender Geldzugang aus einer Erbschaft KEIN Vermögen, sondern Einkommen.

    Es liegt ein Antrag der Vormünder auf Genehmigung einer Erbausschlagung vor.

    "Vorliegend indes ist – bestenfalls – ein Wertzufluss zu erwarten, der unterhalb des Schonvermögens (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 und 1a SGB II: 3100,– €) liegt und über welchen der Erbe daher eigenverantwortlich disponieren kann.
    Wenn dann noch wegen der Entfremdung zur Erblasserin eine Erbschaft von dieser Seite nicht mehr annehmen zu wollen, verdient dieser Wille im vorliegenden Fall – unter Berücksichtigung des Umfangs der im Erbfall bestenfalls nur zu erwartenden überschaubaren finanziellen Vorteile – Berücksichtigung (OLG Köln, B. v. 13.11.2018, 10 WF 164/18, DNotZ 2019, 311 Rn. 1-5, beck-online)."

    Danke für die Rückmeldung.

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