Erbausschlagung - kein Barvermögen aber Immobilie

  • Hallo,

    die Erbschaft des Betroffenen wurde von der Betreuerin ausgeschlagen. Nach Ermittlung ist kein Barvermögen vorhanden aber auch keine Schulden (die restlichen Bestattungskosten wurden von Tochter des Erblassers beglichen). Allerdings existiert eine Immobilie, das Haus befindet sich in schlechtem Zustand allerdings weist das Verkehrswertgutachten von 2015 einen Verkehrswert von 13.000 € aus. Kann man dieses Gutachten noch verwenden oder ist das zu alt?
    Wie sieht die Genehmigungsfähigkeit bzgl. der Ausschlagung aus - Vermögenswert (Haus) vorhanden aber schlechter Zustand.

    Vorab vielen Dank

  • Würde ich persönlich genauer prüfen. Hier in der Gegend bekommt man mittlerweile alles los, weil Bauland rar ist. Abrissreife Immobilien auf Grundstücken spielen dabei keine sonderlich wertmindernde Rolle. Wenn also das Grundstück selbst nicht schwer verkäuflich ist (zB wegen Bodenverunreinigungen, Kampfmittelverdacht etc.) würde mir das alte Gutachten nicht reichen.

  • die Erbschaft des Betroffenen wurde von der Betreuerin ausgeschlagen. Nach Ermittlung ist kein Barvermögen vorhanden aber auch keine Schulden (die restlichen Bestattungskosten wurden von Tochter des Erblassers beglichen). Allerdings existiert eine Immobilie, das Haus befindet sich in schlechtem Zustand allerdings weist das Verkehrswertgutachten von 2015 einen Verkehrswert von 13.000 € aus. Kann man dieses Gutachten noch verwenden oder ist das zu alt?
    Wie sieht die Genehmigungsfähigkeit bzgl. der Ausschlagung aus - Vermögenswert (Haus) vorhanden aber schlechter Zustand.


    Da ein Erstattungsanspruch der Tochter gegen die (Mit-)Erben besteht (§ 1968 BGB), auch wenn die Tochter erstmal bezahlt hat, ist der Nachlass vermutlich überschuldet - wenn seit 2015 nichts mehr gemacht wurde, dürfte sich der Zustand nicht verbessert haben; die Kosten und der Aufwand der Sicherung, auch wegen des Risikos der öffentlich-rechtlichen Inanspruchnahme zur Gefahrenabwehr, dürften die Preissteigerung aufgrund der allgemeinen Marktentwicklung meist ausgleichen. Letzteres hängt aber auch von den konkreten örtlichen Gegebenheiten ab.

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  • Letzteres hängt aber auch von den konkreten örtlichen Gegebenheiten ab.

    Unbedingt. Bei uns ist die Marktentwicklung im Moment derart jenseits von Gut und Böse, dass schon ein Gutachten, das ein halbes Jahr alt ist, nicht mehr unbedingt aussagekräftig sein muss. Die Leute kaufen (fast) alles, absoluter Verkäufermarkt.

    Der aktuelle reine Grundstückswert sollte sich ja aber relativ problemlos anhand der Bodenrichtwerte einschätzen lassen (und den kann man dann ja auch schon mal mit den Annahmen im Gutachten abgleichen - da gewinnt man einen Eindruck von der Aussagefähigkeit).
    Und ob das alte Haus "stört" oder nicht, hängt dann von den örtlichen Gegebenheiten ab.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Danke für die Beiträge.

    Ich frage mich halt nur wie es sich verhält,
    wenn ich die Genehmigung der Ausschlagung wegen dem Haus verweigere,
    der Betroffene aber letztendlich für Grundsteuer etc aufkommen muss
    und das Haus dann vielleicht nie verkauft bekommt!?
    Und rechtfertigt ein Genehmigungsverfahren die Erstellung eines
    teueren Verkehrswertgutachtens (es gibt evtl. 2 Miterben - da bleibt dann
    vom Immobilienwert nicht mehr viel für den Betroffenen übrig)

  • Das sind ja auch alles Überlegungen, die du für deine Entscheidung abwägen musst. Aber ohne eine Neubewertung des Grundstücks anhand der aktuellen Marktlage fehlt dir doch die Basis. Das muss doch an erster Stelle stehen: wie viel ist die Butze wert und wie schnell kann sie vermutlich verwertet werden. Dafür musst du nicht unbedingt ein neues Gutachten einholen, aber du musst dir doch zumindest einen groben Eindruck verschaffen.
    Ich würde anfangen mit der Überprüfung des bodenrichtwerts. Wie hoch ist der jetzt, wie hoch war er laut Gutachten damals, ist da eine deutliche Steigerung zu sehen. Wenn sich am Bodenrichtwert praktisch nichts getan hat, kann man auch mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich insgesamt an der „Attraktivität“ des Hauses für einen potentiellen Käufer nicht viel getan hat.
    Zur Sicherheit nochmal mit den Kollegen vom Grundbuchamt und dem örtlichen Gutachterausschuss sprechen, wie die die Marktsituation insgesamt einschätzen und du dürftest schon ein gutes Stück weiter sein.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • ...
    Ich würde anfangen mit der Überprüfung des bodenrichtwerts. Wie hoch ist der jetzt, wie hoch war er laut Gutachten damals, ist da eine deutliche Steigerung zu sehen. Wenn sich am Bodenrichtwert praktisch nichts getan hat, kann man auch mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sich insgesamt an der „Attraktivität“ des Hauses für einen potentiellen Käufer nicht viel getan hat.
    ...

    Dennoch war das Hausgrundstück im Jahr 2015 zumindest 13.000,- € wert und keine Verbindlichkeiten des Erblassers vorhanden.

    Die Zeitspanne bis zu einem möglichen Verkauf ist allerdings kaum zu prognostizieren.

    Nur mal hypothetisch, wenn eine Verwertung vielleicht erst in zwei Jahren möglich wäre, würdest du die Genehmigung erteilen und verweigern, wenn in den nächsten sechs Monaten ein Verkauf zu realisieren wäre? Oder wo zieht man die Grenze, wenn es nicht nur um den Wert des Grundstücks gehen soll? :gruebel:

  • Ich denke halt, man muss erstmal irgendwo anfangen. Das wäre für mich zunächst „der Markt“ und der Wert.
    Und dann weiter: es gibt „evtl.“ zwei Miterben. Sind die bekannt oder nicht bekannt, wenn die ausschlagen würden, wo landen wir dann (jede Menge unbekannte Erben, denen man hinterher laufen muss?), wer hat noch alles ausgeschlagen und warum, wie hoch ist der Betrag, der maximal auf den Betroffenen entfallen könnte... und dann versuchen Chance und Risiko abzuwägen in dem Wissen, dass gegen die eigene Entscheidung, wie auch immer sie am Ende ausfällt, ein Rechtsmittel möglich ist.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Kannst Du vielleicht einen Verfahrenspfleger bestellen, der etwas von Immobilien versteht ?

    Jemand der sich genug in der Materie und der Marktlage auskennt, um die Situation einschätzen zu können ? Hier an unserem Amtsgericht wüsste ich, wen ich da nehmen würde …

    Und hat der Betreute zu der Ausschlagung an sich eine Meinung ? Falls er anhörungsfähig ist und eine eindeutige Meinung hat, ist dies ja auch ein kleiner Punkt (unter vielen anderen) den man berücksichtigen sollte.

  • Kannst Du vielleicht einen Verfahrenspfleger bestellen, der etwas von Immobilien versteht ?

    Aber nur, wenn der Betroffene im Genehmigungsverfahren nicht in der Lage ist, seine Rechte im Genehmigungsverfahren selbst wahrzunehmen.

    Auch hat der Verfahrenspfleger nur "den Willen/die Wünsche des Betroffenen" in das Genehmigungsverfahren einzubringen. Er ist insbesondere kein Sachverständiger und muss sich im Genehmigungsverfahren nicht einmal äußern, und insbesondere auch keine Stellungnahme -vor Erteilung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung- zu den Gerichtsakten vorlegen.

    Er kann sich äußern, muss sich aber nicht.

    Letztendlich ist die Feststellung des Verkehrswerts bzw. ggf. die Einholung eines Verkehrswertgutachtens durch das Gericht Ausfluss des Amtsermittlungsgrundsatzes. Verfahrensbeteiligte sollten durch das Gericht hierzu nicht "missbraucht" werden.

  • [FONT=&quot]Das OLG München hat für das betreuungsgerichtliche Genehmigungsverfahren entschieden, dass ein bestellter Verfahrenspfleger gehalten ist, sich eine eigene Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Vorgang, dessentwegen er bestellt wurde, im objektiven Interesse des Betroffenen liegt, was regelmäßig eine inhaltliche Prüfung des genehmigungspflichtigen Vorgangs und ggf. auch eigene Ermittlungen des Verfahrenspflegers erfordert (OLG München Rpfleger 2021, 700 = openJur 2021, 31604 = BeckRS 2021, 27911).[/FONT]

  • [FONT=&amp]Das OLG München hat für das betreuungsgerichtliche Genehmigungsverfahren entschieden, dass ein bestellter Verfahrenspfleger gehalten ist, sich eine eigene Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Vorgang, dessentwegen er bestellt wurde, im objektiven Interesse des Betroffenen liegt, was regelmäßig eine inhaltliche Prüfung des genehmigungspflichtigen Vorgangs und ggf. auch eigene Ermittlungen des Verfahrenspflegers erfordert (OLG München Rpfleger 2021, 700 = openJur 2021, 31604 = BeckRS 2021, 27911).[/FONT]

    Diese Entscheidung wirft die bisherige Ansicht zu den Aufgaben eines Verfahrenspflegers (siehe den Beitrag von Einstein) ja ziemlich "über den Haufen".

    Ob es sich beim genannten Beschluss "lediglich" um die Meinung des OLG München handeln könnte? Oder würden sich dieser auch andere Obergerichte anschließen? :gruebel:

  • [FONT=&amp]Das OLG München hat für das betreuungsgerichtliche Genehmigungsverfahren entschieden, dass ein bestellter Verfahrenspfleger gehalten ist, sich eine eigene Überzeugung davon zu verschaffen, dass der Vorgang, dessentwegen er bestellt wurde, im objektiven Interesse des Betroffenen liegt, was regelmäßig eine inhaltliche Prüfung des genehmigungspflichtigen Vorgangs und ggf. auch eigene Ermittlungen des Verfahrenspflegers erfordert (OLG München Rpfleger 2021, 700 = openJur 2021, 31604 = BeckRS 2021, 27911).[/FONT]

    Diese Entscheidung wirft die bisherige Ansicht zu den Aufgaben eines Verfahrenspflegers (siehe den Beitrag von Einstein) ja ziemlich "über den Haufen".

    Ob es sich beim genannten Beschluss "lediglich" um die Meinung des OLG München handeln könnte? Oder würden sich dieser auch andere Obergerichte anschließen? :gruebel:

    Weitere Rechtsprechung zur Hand habe ich dazu leider nicht. Das OLG München geht in dem Beschluss ja auch recht ausführlich darauf ein, dass es in der gerichtlichen Praxis schon lange üblich ist, die Rolle des Verfahrenspflegers weiter aufzufassen. Scheint aber trotzdem eher selten bis zum OLG zu gelangen...

    Ein weiteres Beispiel, wo die Rolle deutlich erweitert wurde, wäre die Rolle des Verfahrenspfleger im Unterbringungsverfahren im Rahmen des sog. Werdenfelser Wegs. Auch daran wird teilweise die Kritik geäußert, dass es die Aufgaben eines Verfahrenspflegers deutlich überspannt.

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