Bestellungsurkunde und Unterschrift

  • Hallo zusammen,
    im Rahmen der eAkte stellt sich uns gerade aktuell die Frage, ob die Bestellungsurkunde wirklich zwingend (original oder überhaupt) zu unterschreiben und zu siegeln ist.
    Aus den Kommentierungen zu § 290 FamFG ergibt sich das nicht, nur der notwendige sonstige Inhalt.
    Bei allg. Vorschriften habe ich nur etwas zu Entscheidungen gefunden. Die BU ist aber keine Entscheidung.
    Gibt es eine allg. Vorschrift, aus der ich das Erfordernis einer Unterschrift (+ Siegel) entnehmen kann oder haben wir das schlicht "immer schon so gemacht"?

    Wenn man nämlich alles elektronisch bearbeitet und spätestens im Zusammenhang mit Homeoffice stellt sich in der Praxis nämlich die Frage, ob nur für die Unterschrift nun noch Papier zwischen der Geschäftsstelle und dem Rechtspfleger hin und her wandern muss...

    Ich denke schon, dass es sinnvoll ist, dass der RPfl nochmal über die BU drüber schaut, bevor sie raus geht (sie also in irgendeiner Art -elektronisch- "freigegeben werden sollte), aber MUSS sie unterschieben + gesiegelt werden?

    LG
    Tina

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • Unabhängig von der Frage der Organisation des Geschäftsbetriebs stellt sich m. E. die wichtigere Frage, welche Akzeptanz die Betreuer mit nicht unterschriebenen Bestellungsurkunden erzielen würden.

    Das dürfte schwierig werden, wenn sie diese bei Behörden, Banken usw. vorlegen müssen.

  • Das verstehe ich zwar, das kann aber ja nicht ausschlaggebend für unsere Arbeit sein.... Zumal an die BU ganz klar kein rechtsschein geknüpft ist. Maßgeblich ist ja sowieso der Beschluss (den man im Übrigen seltsamerweise bei Beendigung nicht einzieht...:gruebel:).

    Vielleicht wäre aber aus diesem Grund denkbar/sinnvoll, dass die Geschäftsstelle ein Siegel darauf setzt. Aber die Unterschrift dürfte doch entbehrlich sein...

    Ich bin wirklich auf der Such nach ganz grundlegenden Vorschriften, in denen so etwas stehen könnte..

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • Also zu § 290 FamFG direkt habe ich auch nichts gefunden, bei der Kommentierung zu § 1791 BGB war allerdings ein Hinweis darauf zu finden, dass sich aus dem Urkundscharakter die Schriftform der Bestallung ergibt. Weitere Regelungen gibt es nicht. Daraus folgt, das weder Unterschrift noch Siegel zwingend erforderlich ist.

    Wie Frog aber schon angemerkt hat, habe ich aber auch große Zweifel an der Akzeptanz eines solchen Ausweises in der Praxis. Rechtlich gesehen mag es nicht zu beanstanden sein, aber am Ende des Tages soll der Betreuerausweis eine Vereinfachung für den Betreuer sein und nicht zu endlosen Diskussion mit der Bank führen, ob der Ausweis jetzt in Ordnung ist oder nicht (und spätestens wenn sich dann die Betreuer verzweifelt an dich wenden, hast du damit auch mehr Arbeit :teufel:).

  • Über seine Bestellung erhält der Betreuer eine Urkunde, einen Ausweis (kein Zeugnis!). Mit diesem Ausweis kann sich der Betreuer im Rechtsverkehr ausweisen. Wie die Bestellung selbst, knüpfen sich an die Ausstellung und die Übergabe dieses Ausweises aber keine Rechtsfolgen, insbesondere ist die Urkunde keine Vollmacht und begründet sie keinen Rechtsschein und keinen öffentlichen Glauben (wie etwa ein Erbschein): Der wirksam bestellte Betreuer ist deshalb gesetzlicher Vertreter der betreuten Person (§ 1902 BGB), auch wenn er sich nicht durch die Urkunde ausweisen kann. Der Ausweis schützt umgekehrt nicht den Rechtsverkehr davor, dass jemand, der nicht, nicht mehr oder in einem anderen Umfang als in dem Ausweis ausgewiesen, zur Vertretung der betreuten Person berechtigt ist. Wird dem Betreuer ein Ausweis nicht übergeben, wirkt sich das nicht auf die Wirksamkeit der Betreuerbestellung aus. Aus diesem Grunde reicht der Ausweis nach § 290 im Rechtsverkehr auch vielfach nicht aus, oft wird (etwa von Banken, Vermietern oder Sozialversicherungsträgern) verlangt, dass der Bestellungsbeschluss vorgelegt werde. Der Ausweis ist keine Vollmachtsurkunde iSd § 172 BGB; § 174 BGB ist deshalb nicht anwendbar.
    (MüKoFamFG/Schmidt-Recla, 3. Aufl. 2019, FamFG § 290 Rn. 1)

    Da würde es sich das Grundbuchamt möglicherweise zu einfach machen.....

    Ich weiß (!!!), dass die Praxis da anders aussieht! Aber einerseits sagt das Gesetz/die Kommentierung überall, dass sich keiner auf die BU verlassen darf, andererseits soll ich sie aber dann irgendwie formgerecht (wonach denn, wenn Sie eben keine Urkunde mit öffentl. Glauben darstellt??) ausstellen und auch (notfalls zwangsweise) zurückfordern.
    Das macht doch alles wenig Sinn...

    Verliere immer den ganzen Verstand - ein halber verwirrt nur! :grin:

  • BGB-RGRK/Dickescheid, 12. Aufl., § 1791 Rn. 1:

    Die Bestallung ist eine vom Vormundschaftsgericht ausgestellte öffentliche Urkunde ... Ausstellung durch Unterzeichnung der Urkunde ist dem Rechtspfleger übertragen.

    Staudinger/Engler, 13. Aufl., § 1791 Rn. 1:

    ... eine vom Rechtspfleger zu unterzeichnende Urkunde ...

    Meist findet sich dazu in den neueren Kommentaren nichts. Weil es einfach selbstverständlich ist.

  • ...

    Da würde es sich das Grundbuchamt möglicherweise zu einfach machen.....

    ....

    Nein, wohl nicht, vgl. Keidel/Giers, 20. Aufl. 2020, FamFG § 290 Rn. 1 mit weiteren Nachweisen:

    Zitat

    § 290 sieht die Erteilung einer Bestellungsurkunde an den Betreuer vor, die ihm den Nachweis seiner gesetzlichen Vertretungsmacht (§ 1902 BGB) im Rechtsverkehr ermöglichen soll. ZB genügt für die Antragstellung im Zivilprozess wie beim Grundbuchamt die Vorlage der Bestellungsurkunde. Die Regelung tritt für den Betreuer an die Stelle der allgemeinen Vorschrift des § 1791 BGB („Bestallung“ des Vormundes).

    Aber du hast schon recht, so ganz schlüssig ist das alles nicht, da weder ein Rechtsschein begründet noch der gute Glaube geschützt wird.

  • Schaut mal in die Kommentierung zum ZPO. Auch ohne Unterschrift ist die Bestallung noch eine Urkunde, die Echtheitsvermutung geht allerdings verloren. Und die sollte ein Ausweis natürlich schon haben. Auch ohne Gutglaubensschutz.

  • BGB-RGRK/Dickescheid, 12. Aufl., § 1791 Rn. 1:

    Die Bestallung ist eine vom Vormundschaftsgericht ausgestellte öffentliche Urkunde ... Ausstellung durch Unterzeichnung der Urkunde ist dem Rechtspfleger übertragen.

    Staudinger/Engler, 13. Aufl., § 1791 Rn. 1:

    ... eine vom Rechtspfleger zu unterzeichnende Urkunde ...

    Meist findet sich dazu in den neueren Kommentaren nichts. Weil es einfach selbstverständlich ist.

    Cromwell,

    wir hatten doch bzgl. der Nachlasspflegschafts Bestallungsurkunde herausgearbeitet, das diese das Papier nicht Wert ist, auf welche sie steht. Wenn eh nur die einzig wahre Legetimation der Anruf auf der Geschäftsstelle ist, dann braucht es doch der Unterschrift und des Siegels nicht wirklich, oder? Mir stellt sich ja schon seit langem die Frage, wie Bestallungsurkunden, etc. digitalisiert werden sollen? Ich hätte ja da eine Idee mittels BlockChain Technologie und tagesaktueller Signatur, aber das ist nur ein Laienhafter Wunsch.

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  • Die Bedeutung der Bestallung "liegt im bloß formellen Nachweis der Vormundbestellung gegenüber Dritten, vor Gericht (vgl. § 417 ZPO), Behörden, bei Urkundspersonen und beim Grundbuchamt" (MüKo/Spickhoff BGB § 1791 Rn. 1). Eben ein Ausweis. Und die Bedeutung einer Unterschrift liegt in der Abschluß- und in der Echtheitsfunktion. Ersteres wird hier ohne Belang sein, letzteres nicht.

  • Die Frage, ob die Bestallung einen materiellen Rechtsschein im Sinne eines geschützten guten Glaubens an die Vertretungsmacht erzeugt (was sie nicht tut), hat doch nichts mit der bloßen Formfrage zu tun, ob sie in ihrer Eigenschaft als Urkunde unterschrieben und gesiegelt werden muss.

    Wenn das Nachlassgericht eine (unterschriebene und gesiegelte - warum wohl?) Bestätigung über die Annahme eines Testamentsvollstreckeramtes erteilt, ist die Rechtslage keine andere. Kein geschützter guter Glaube, aber gleichwohl gebotene Einhaltung der Förmlichkeiten für die Schaffung einer gerichtlichen Urkunde.

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