BRH und Prozesszinsen; Mitteilung an Finanzamt?

  • Hallo!

    Ich habe mal eine Verständnisfrage:

    Inwieweit weiß die Justiz, in welcher Höhe Prozesszinsen nach einem Prozess zu zahlen sind? Klar, dass steht dann wohl im Urteil/Beschluss mit drin. Aber wird die Höhe der Zinsen auch irgendwie elektronisch erfasst?

    Ich frage diese komische Frage, weil der Bundesrechnungshof die Vorstellung hat, dass die Justizverwaltung ja mal regelmäßig die (steuerpflichtigen) Prozesszinsen der Finanzverwaltung mitteilen kann und regt eine entsprechende Gesetzesänderung an. Hier nachzulesen: Link zum BRH

    Das kann ja nur funktionieren, wenn die Justiz auch schön erfasst, dass dem Beteiligten XY Prozesszinsen in Höhe von XY Euro zustehen. Ist das so?

    VG
    Exec

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6


  • Wer den Link zum BRH gelesen hat, ist bösgläubig und muss jetzt jedes Urteil nach § 116 AO an das Finanzamt schicken.

    :teufel:

    Nein. Spaß beiseite. Ich vermute, dass dem BRH hier eine Ergänzung der Mitteilungsverordnung vorschwebt. Aber das wäre m. E. rechtlich gar nicht möglich (siehe Ermächtigungsgrundlage § 93a AO), weil es sich ja (wohl?) nicht um Zahlungen der Justiz handelt sondern um Zahlungen zwischen den Parteien, oder?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Schießt man hier nicht über das Ziel hinaus. Die Prozesszinsen bekomme ich doch nur deshalb, weil der Gegner nicht freiwillig gezahlt hat und ich aus diesem Grund die Forderung zwischenzeitlich kreditiert habe.

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Zitat

    Das kann ja nur funktionieren, wenn die Justiz auch schön erfasst, dass dem Beteiligten XY Prozesszinsen in Höhe von XY Euro zustehen.

    Nee. Dann funktioniert ist trotzdem nicht, weil das Finanzamt dann ja immer noch nicht weiß, ob die Zinsen auch bezahlt wurden.

  • Zitat

    Das kann ja nur funktionieren, wenn die Justiz auch schön erfasst, dass dem Beteiligten XY Prozesszinsen in Höhe von XY Euro zustehen.

    Nee. Dann funktioniert ist trotzdem nicht, weil das Finanzamt dann ja immer noch nicht weiß, ob die Zinsen auch bezahlt wurden.

    Na gut. Dann hätte das Finanzamt aber schon mal einen Ansatz zum Nachfragen. Außerdem ist u. U. auch schon der Zinsanspruch selbst steuerpflichtig (bei bilanzierenden Unternehmen).

    Frage ist daher, ob die Justiz das überhaupt elektronisch auswertbar festhält, wem und in welcher Höhe Prozesszinsen (+ Verzugszinsen) zustehen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Frage ist daher, ob die Justiz das überhaupt elektronisch auswertbar festhält, wem und in welcher Höhe Prozesszinsen (+ Verzugszinsen) zustehen.

    Streitwerte werden schon jetzt für statistische Zwecke erfasst (im verlinkten Dokument bitte nach dem Begriff "Streitwert" suchen): https://www.destatis.de/DE/Themen/Staa…publicationFile.

    Wenn man das bei inhaltlich einfachster Umsetzung um die Angabe "Zinsen beantragt: ja/nein" ergänzt, könnte meines Erachtens angesichts des ohnehin vorhandenen Datenbestandes eine entsprechende Mitteilung generiert werden.

    wie auch man müsste eine r datenbank vorhalten, wo dri steht wer an wen wieviel mit zinsen zu zahlen hat. DSVO lässt grüssen

    Die Daten sind jetzt größtenteils schon vorhanden. Es wären dann natürlich die entsprechenden Regelungen für eine Übermittlung an die Finanzämter zu schaffen, aber grundsätzlich würde ich hier kein DSGVO-Problem sehen.

  • Sorry, aber schon der erste Satz aus Ziffer 22.1 des Berichts zeigt, dass der BRH keine Ahnung davon hat, was er schreibt. Prozesszinsen sind kein Risikozuschlag, sondern der spätest mögliche Beginn des Verzugszinses. Wer bei Zustellung der Klage noch nicht zahlt, befindet sich eben in Verzug.

    Auch inhaltlich habe ich ein paar Probleme: Besteuert werden Erträge. Erträge sind die Differenz zwischen Einnahmen und Kosten. Kommen Verzugszinsen hinzu, stellen diese sich als Teil der Einnahmen dar, bei den Kosten verändert sich nichts, also werden höhere Erträge ausgewiesen (wenn sie nicht bewusst maskiert werden) u d so auch versteuert - oder sehe ich das falsch?

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Zitat BRH "Unter Berücksichtigung der in den weiteren Instanzen regelmäßig längeren Verfahrensdauern und höheren Streitwerten schätzt der Bundesrechnungshof das Volumen an Prozess- und Verzugszinsen auf mindestens 100 Mio. Euro. Diese Summe berücksichtigt auch die bereits auf Ebene der Amtsgerichte erstinstanzlich erledigten Verfahren."

    Steuergerechtigkeit ist natürlich wichtig, aber wenn die Schätzungen des BRH stimmen reden wir hier höchstens über 25 Mio Mehrsteuern zzgl. Soli und evtl. Kirchensteuer. Und das auch nur wenn kein Steuerpflichtiger die Zinsen erklärt (und bei Betriebseinnahmen unterstelle ich mal die richtige Erklärung), alle ihren Pauschbetrag schon vorher ausgeschöpft haben, keiner einen persönlichen Steuersatz unter 25 % hat und in allen Fällen die Zinsen auch gezahlt werden. Sicherlich keine Peanuts, aber bei den vielen Unwägbarkeiten dafür eine Bundesweite Infrastruktur aufzubauen und zu unterhalten hört sich imo nach einem Minusgeschäft an. :confused:

    Da ist der BRH meiner Meinung nach auf dem Praxisauge blind. :daumenrun

    Einmal editiert, zuletzt von Ash (27. Februar 2022 um 21:49) aus folgendem Grund: Einschub ergänzt

  • Auch inhaltlich habe ich ein paar Probleme: Besteuert werden Erträge. Erträge sind die Differenz zwischen Einnahmen und Kosten. Kommen Verzugszinsen hinzu, stellen diese sich als Teil der Einnahmen dar, bei den Kosten verändert sich nichts, also werden höhere Erträge ausgewiesen (wenn sie nicht bewusst maskiert werden) u d so auch versteuert - oder sehe ich das falsch?

    Der BRH führt dazu aus: "Steuerpflichtigen und deren Beratern ist oft nicht bekannt, dass Prozess- und Verzugszinsen bei der Einkommensteuererklärung anzugeben sind."

    Ich verstehe den Hinweis auf die Einkommensteuererklärung so, dass wir hier nicht von Unternehmen reden. Da gehen die erstrittenen Beträge samt Zinsen im Regelfall auf das betriebliche Konto, wo sie vom Steuerberater dann der Gewinnermittlung zugeordnet und versteuert werden.

    Das Problem des BRH scheinen hier eher nichtunternehmerische Prozesse zu sein, wo der Steuerpflichtige und der Berater (so es den einen gibt) diese Zinsen im Rahmen der Einkommensteuererklärung nicht auf der Anlage Kapitalvermögen erklären weil ihnen die Steuerpflicht nicht klar ist. Sprich die erstrittene Summe ist Privatvermögen und daher nicht steuerpflichtig, die Zinsen aber schon.

    Dazu passt auch die Stellungnahme des BMF "Das BMF hat mitgeteilt, dass die Anleitungen zu den Steuererklärungsvordrucken mittler-weile auf die Steuerpflicht derartiger Zinserträge hinweisen. Daneben sei beabsichtigt, Pro-zess- und Verzugszinsen im Steuererklärungsvordruck gesondert abzufragen."

    Ohne jetzt Ahnung vom Geschehen an Gerichten zu haben, dürften die Klassiker Schadenersatz und Schmerzensgeld sein. Beides ist - wenn privat veranlasst - nicht steuerpflichtig. Ich kann mir gerade in diesen Fällen gut vorstellen, dass der Beklagte erst nach Urteil zahlt. Und damit hängst du in der Zinsproblematik. Das würde auch die relativ geringe Summe von 100 Mio bundesweit ab der 1. Instanz erklären.

    Ash

    Einmal editiert, zuletzt von Ash (28. Februar 2022 um 02:02)

  • Das wäre dann wieder mal ein Fall von "die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen":
    Bundesweite Meldeinfrastruktur aufbauen für max. 25 Mio. Erträge. Aber es bei Cum-Ex für etwa ein Jahrzehnt nicht schaffen, eine vernünftige Nachweismeldung zu regeln. Wäre so simpel gewesen: Steuererstattungen aus Dividendengeschäften (einbehaltener Kapitalertragsteuer) setzen den Beleg der zuvor bezahlten Steuer voraus. Schaden bekanntlich >10 Mrd Euro.


    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

  • Wenn man den Artikel liest, haften vier Personen für jeweils 100.000 Euro. Selbst wenn es 50% Prozesszinsen wären, bleibt das überschaubar.
    2 Personen haften für den Gesamtbetrag. Die Nichtzulassungsbeschwerde wird erst noch durchgeführt (wird wohl noch ein paar Jahre dauern). Glaubt irgendjemand, dass diese beiden am Ende dann so knappe 100 Mio. Euro bezahlen werden? Ich sehr hier eher zwei Privatinsolvenzen und eine Auszahlung durch die D&O, die kaum diese Höhe aufweisen wird (es ging um Mitglieder des Aufsichtsrates). Also sind die Zinsen auch da wohl eher auf dem geduldigen Papier.

    Mit freundlichen Grüßen
    AndreasH

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