Aufhören oder weitermachen? Alternativen?

  • Was würdet ihr mir raten, bin mitten im Studium (ca. Hälfte rum, Hälfte noch übrig) und habe bisher überhaupt keinen Spaß an der Tätigkeit. Während der Online-Vorlesungen habe ich meistens Mühe gehabt mich wach zu halten, was die Leistung angeht bin ich im unteren mittleren Bereich.

    Besonders habe ich mir die praktische Tätigkeit deutlich anders vorgestellt, hätte gerne mehr freien Text zum Schreiben und Korrespondenz mit anderen Einrichtungen/ratsuchenden Bürgern statt ständig Verfügungen am fließenden Band zu verfassen, die mir ehrlich gesagt auch überhaupt nicht liegen und die Einarbeitung fand ich in den jeweiligen Praxisabschnitten des Studiums auch sehr enttäuschend.

    Zusammenfassend kann ich schon mal mit Sicherheit feststellen, dass ich die Arbeit unfassbar langweilig, gleichzeitig überfordernd, teils inhaltlich zu komplex finde und garantiert keinen Spaß daran haben werde.

    Gibt es evtl. noch hoffnungsvolle Einzelbereiche der Tätigkeit die meinen o.g. Wünschen entsprechen?

    Kennt jemand Alternativberufe, die man mit gewisser Aussicht auf Erfolg ergreifen kann wenn man das Studium noch zu Ende macht aber die Urkunde nicht annimmt? ist ggf. im mittleren Dienst was dabei?

  • In welchen Bereichen warst du denn bisher?

    Ich zum Beispiel stand in den ersten 4 Monaten meiner Praxis auch echt vorm Absprung. Ich fand es am Amtsgericht ganz schrecklich, Kostenfestsetzung, Zivil, hat mir alles gar keinen Spaß gemacht. Zufriedener war ich dann erst auf dem (mittlerweile nicht mehr in dieser Form bestehenden Notariat) Grundbuchamt, in Nachlass und Betreuung. In dem Bereich habe ich dann auch gearbeitet, da war es dann auch durchaus mal viel Kontakt mit Eigentümern, viel Schriftwechsel. Da habe ich mich gesehen und dort bin ich dann auch hin.
    Rückblickend war das aber auch viel den RechtspflegerInnen beim ersten AG geschuldet, denn außer Aktenlesen (die waren schon fertig bearbeitet) war da nicht viel zu tun.

    Oder hast du schon alles hinter dir?
    Im mittleren Dienst sehe ich dahingehend ehrlich gesagt noch weniger Entfaltungsspielraum, möglicherweise später außerhalb der Justiz, bei Notaren. Manchmal suchen auch Kommunen oder Landratsämter, da gibts im Forum einige Erfahrungsberichte oder Tipps. Ob du dort glücklicher wirst, werden wir dir aber nicht sagen können :/

    Oder, um aus Goethes "Faust", Teil I, Zeile 2667 zu zitieren: "Nein!"

  • Das tut mir leid. Vielleicht solltest Du Dir mal pro und contra-Punkte aufschreiben, die für oder gegen das Aufhören sprechen. Wenn ich es richtig gelesen habe, sind es ja "nur" noch 1,5 Jahre und ein FH-Abschluss kann nicht schaden. Da kommt man eventuell woanders im ÖD unter, muss ja nicht für immer sein,

    Was könnte für das Aufhören sprechen
    - es ist sowieso nicht zu schaffen ohne Durchfallen in 1,5 Jahren oder Burnout
    - Du hast ein besseres Angebot oder nen richtigen Plan was kommt oder ejn fettes Erbe

    Was könnte gegen das Aufhören sprechen
    - Onlinestudium dürfte beendet sein oder zumindest weniger werden, vielleicht liegt Dir das mehr
    - es ist wahrscheinlich, dass Du das Studium bis zum Abschluss schaffst, auch wenn es nicht Deine Welt ist. Danach kommt vielleicht ein anderes Studium.
    - Du bist so lange Beamter bis Du raus geworfen wirst, nutze die Zeit um etwas anderes/passenderes zu finden. Rauswurf ist meist nur möglich wegen gesundheitlicher Probleme oder wenn die Leistungen erkennen lassen, dass das nicht mehr wird.

    Viel Erfolg!

  • Äh so ganz klar wird nicht, was Deine Wünsche sind.
    Du studierst nach dem 24/12 Modell, und hast daher erst 2 Monate Praxis "erlebt", und über 1 Jahr "fachwissenschaftliches Studium -> also Unterricht" hinter Dir.
    Mit dem olnie-unterricht bist Du einer der corona-gef* Jahrgänge, ich sehe dies auch als ein großes Manko gegenüber der "Vorlesung", die anders als an einer Uni eben Lehrgespräch ist, was den Vorteil der FH bietet.
    Die AnwärterInnen die ich im letzten Jahr in der Praxis hatte und im Begleitunterricht begleiten durfte, waren zwar nicht alle "online-geschädigt", aber es ist etwas anderes, als das Lehrgespräch, und sicherlich als Studienerfahrung auch nicht so prickelnd.

    Aber Du schriebst:
    "Zusammenfassend kann ich schon mal mit Sicherheit feststellen, dass ich die Arbeit unfassbar langweilig, gleichzeitig überfordernd, teils inhaltlich zu komplex finde und garantiert keinen Spaß daran haben werde."
    Dies ist für mich nicht konsistent !
    Inhaltlich komplex,aber langweilig, ach so, also wenn es weniger komplex wäre, könnte es weniger langweilig sein (seh ich als Rechtspraktiker genau umgekehrt, auch wenn in der Masse im Pensum die komplexen Dinge hat wiederum Zeit kosten).
    Langeweile und Überforderung: passt nach meinem Dafürhalten null zusammen !

    "Bösartige conclusio": willst Du etwas, was nicht komplex ist, Dich nicht überfordert und dabei nicht langweilig ist" ? Sollte dies so sein, würde mich die Antwort die Mitgliedschaft im Forum kosten :D
    Nun mal nicht bösartig:
    absolviere auf jeden Fall den nächsten langen Praxisabschnitt, ich hoffe auch für Dich, dass wieder Präsenzstudium stattfindet, und würfel dann neu (rona hat da ein sehr schönes statement abgegeben mit der pro- und contra-liste).
    Vlt. findest Du Dich dann doch irgendwo in der Ausbildung wieder, oki, was mensch nach der Prüfung "bekommt" steht auf einem anderen Blatt.....
    alles gute
    Def

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Tja, die Personalpolitik der Länder tut einiges dafür, dass dieser eigentlich ganz annehmbarer Beruf immer unattraktiver wird. Lediglich Corona und die fehlenden Sorgen um den Arbeitsplatz haben etwas Lichtblick geboten. Das dürfte aber auch in absehbarer Zeit rum sein.

    Unabhängig davon hängt vieles vom Sachgebiet ab und dem Ausbilder. Wenn die Ausbildung in der Praxis nichts taugt, würde ich mich bei der Ausbildungsleitung beschweren.

    Wenn du Chancen siehst, dass du das Examen bestehst, würde ich weiter machen. Es gibt genug Alternativen, wenn du fertig bist.
    In den Vollstreckungsabteilungen (ZV, ZVG, Inso, Staatsanwaltschaft) dürftest du mehr Kontakt mit Bürgern haben und freier auf deren Eingaben antworten. Falls du da schon warst, würde ich vermutlich doch eher für einen Abbruch stimmen.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Die Praxiszeit am Gericht soll dir ja eigentlich bestmöglich den Arbeitsalltag von einem Rechtspfleger vermitteln. Der besteht nunmal zu, ich möchte mal schätzen, mind. 75% daraus Verfügungen in Akten zu bringen. Nicht in jeder Akte muss ich auf jeden Posteingang einen zweiseitigen Brief an den Verfasser zurückschicken. Vieles ist im laufenden Betrieb nunmal einfach nur zur Kenntnis zu nehmen und wieder auf Frist zu legen. Das versucht man ja auch dem Studenten in der Praxiszeit zu vermitteln, da ich demjenigen ja auch nicht von Tag 1 an gleich die dicksten und schwierigsten Klopper geben kann, wo er einen ablehnenden Beschluss mit dreiseitiger Begründung dazu schreiben muss. Es soll sich ja auch irgendwie steigern und manchmal wird man eben erst mal nur mit den Standard Sachen konfrontiert. Vielleicht hilft es aber auch, wenn man seinen Praxisausbilder mal darauf anspricht und gezielt um "schwierigere" Sachverhalte bittet, wo man sich dann eben mit dem Publikum auseinandersetzen muss und sich damit auch beweisen kann. Alles immer eine Frage der Kommunikation.
    Wenn es dir aber jetzt schon so gar nicht gefällt, dann wird es wohl auch eher nicht besser werden. Vielleicht würde dir auch ein Jura Studium und dann die Tätigkeit als Anwalt mehr liegen, wenn du lieber mehr nach außen kommunizieren möchtest.

  • Es ist, wie es ist: ein Großteil unserer täglichen Arbeit besteht darin, Akten von einem Stapel ("unerledigt") so effizient wie möglich und gründlich wie nötig auf einen anderen ("erledigt") zu wuchten. Da ist viel, viel Routinezeug dabei, ohne das der tägliche Arbeitsanfall auch nicht zu bewältigen wäre. Und dann gibt es immer wieder die "Highlights" die rechtlich oder auch menschlich besonders herausfordernd sind, bei denen viel mit Beteiligten gesprochen oder schriftlich kommuniziert wird oder sehr ausführlich begründete Entscheidungen getroffen werden müssen.
    Gerade diese Fälle sind dann aber das, was man wohl auch leicht als "inhaltlich zu komplex" oder "überfordernd" bezeichnen könnte, was du ja ebenfalls bemängelst.
    Eine Alternative können Aufgabengebiete mit einem hohem Publikumsaufkommen, wie die Rechtsantragstelle sein. Viel Kommunikation, aber da sollte man ein dickes Fell haben und in der Lage sein, ungeordnete Sachvorträge in sinnvolle Anträge zu verwandeln.
    Um mögliche Alternativen vorzuschlagen müsste man wissen, was für eine Art Tätigkeit dir denn so vorschwebt, was du an einem Beruf schätzen würdest. Das ist mir unklar.
    Der mittlere Dienst wäre allenfalls (!) eine Lösung für das Problem der "Überforderung", aber sicherlich nicht für das der empfundenen Langeweile. Denn auch dort gilt: Routine, Routine, Routine.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Es ist, wie es ist: ein Großteil unserer täglichen Arbeit besteht darin, Akten von einem Stapel ("unerledigt") so effizient wie möglich und gründlich wie nötig auf einen anderen ("erledigt") zu wuchten. Da ist viel, viel Routinezeug dabei, ohne das der tägliche Arbeitsanfall auch nicht zu bewältigen wäre. Und dann gibt es immer wieder die "Highlights" die rechtlich oder auch menschlich besonders herausfordernd sind, bei denen viel mit Beteiligten gesprochen oder schriftlich kommuniziert wird oder sehr ausführlich begründete Entscheidungen getroffen werden müssen.
    Gerade diese Fälle sind dann aber das, was man wohl auch leicht als "inhaltlich zu komplex" oder "überfordernd" bezeichnen könnte, was du ja ebenfalls bemängelst.
    Eine Alternative können Aufgabengebiete mit einem hohem Publikumsaufkommen, wie die Rechtsantragstelle sein. Viel Kommunikation, aber da sollte man ein dickes Fell haben und in der Lage sein, ungeordnete Sachvorträge in sinnvolle Anträge zu verwandeln.
    Um mögliche Alternativen vorzuschlagen müsste man wissen, was für eine Art Tätigkeit dir denn so vorschwebt, was du an einem Beruf schätzen würdest. Das ist mir unklar.
    Der mittlere Dienst wäre allenfalls (!) eine Lösung für das Problem der "Überforderung", aber sicherlich nicht für das der empfundenen Langeweile. Denn auch dort gilt: Routine, Routine, Routine.

    Dem schließe ich mich an. Sehr treffend auf den Punkt gebracht. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Danke für eure Antworten!

    Hier noch ein paar Details zu den Fragen die noch aufkamen:

    - was ich schon in der Praxis hatte: Nachlass, Zivil(Kosten), Familie, Grundbuch -> ZV und Strafprozess kommt also noch
    - was ich mit komplex und gleichzeitig langweilig meine: teilweise ist es eben so, dass ich wirklich inhaltlich überfordert bin und nicht alles verstehe, es reicht anscheinend für eine 3 oder 4 im Endergebnis vermute ich, aber nur langweilig wäre z.B. weniger schlimm als wenn es gleichzeitig auch Verständnisprobleme gibt. Daher zu der Sache mit dem mittleren Dienst: wenn es da etwas gibt, was aus eurer Sicht noch routinierter und "langweiliger" sein mag, aber wo die Chance besteht, besser abschalten zu können wäre das definitiv auch was für mich, denn ich mag es nur nicht, sowohl ständig am Limit meines Aufassungsvermögens zu sein als auch gelangweilt weil es nun mal keine leidenschaftliche Arbeit ist sondern nur Sicherheit bietet.
    - mein größtes Problem mit den Rechtsinhalten und weswegen mir das Ganze wesentlich weniger liegt als ich dachte: es ist viel viel "formalistischer" als ich dachte, z.B. haben mir Schuld- und Strafrecht sehr gefallen, aber das sind ja nur Randfächer für Rechtspfleger bzw. man hat nicht die Gewissheit in einem der wenigen Teilbereiche arbeiten zu dürfen, die einem ausnahmsweise gefallen haben. Jedenfalls habe ich dort inhaltlich viel besser folgen können, weil es mich teils sogar richtig interessierte. Jedoch denke ich, dass wenn mich Jura allgemein eher schnell an meine Grenzen bringt, ich im jetzigen Zustand nicht gerade ein volles Jurastudium hinbekäme. Außerdem war der finanzielle Aspekt wichtig, weil man ja im normalen Jurastudium erstmal wieder lange Zeit Geldnot hat.

  • Manchmal im Leben ist ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende.

    Ich würde aber danach genau überlegen, was Du machen willst.

    Im mittleren Dienst dürfte es aus meiner Sicht jedenfalls nicht besser werden. Hier werden sich die alten Probleme im neuen Gewand zeigen.

    Von daher würde ich - und da kann ein Internetforum keine echte Hilfestellung bieten - mit Familie und Freunden offen überlegen, was Dir wirklich Spaß machen könnte und in welche Richtung Du Dich entwickeln möchtest.


  • ...
    noch routinierter und "langweiliger" sein mag, aber wo die Chance besteht, besser abschalten zu können wäre das definitiv auch was für mich, denn ich mag es nur nicht, sowohl ständig am Limit meines Aufassungsvermögens zu sein als auch gelangweilt weil es nun mal keine leidenschaftliche Arbeit ist sondern nur Sicherheit bietet.
    ...

    Es ist besser, wenn du aufhörst. Insbesondere für deine zukünftigen Kollegen!

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Wenn du Chancen siehst, dass du das Examen bestehst, würde ich weiter machen. Es gibt genug Alternativen, wenn du fertig bist.
    In den Vollstreckungsabteilungen (ZV, ZVG, Inso, Staatsanwaltschaft) dürftest du mehr Kontakt mit Bürgern haben und freier auf deren Eingaben antworten. Falls du da schon warst, würde ich vermutlich doch eher für einen Abbruch stimmen.

    Sehe die Möglichkeit und hatte diese Abteilungen noch nicht, aber jetzt doch auf einmal aufhören?

  • Ich denke, worauf Araya hinauswollte: Abschalten ist nicht!
    Ich weiß natürlich nicht, ob es irgendwo noch Bundesländer der Glückseligen gibt, aber wenn ich links und rechts gucke, egal ob mittlerer Dienst oder gehobener Dienst, sehe ich allenthalben stramme Pensen, Nachwuchsprobleme und Personalmangel. Das muss einem einfach klar sein. "Chillig" ist es wohl nirgendwo mehr. Und Leute, die das anders sehen, werden halt in der Regel über kurz oder lang zum Problem für die Kollegen.
    SOLLTE also dein Hauptaugenmerk auf einem sicheren Arbeitsplatz mit möglichst wenig Stress liegen, könnte es tatsächlich sein, dass die Justiz - mal ganz unabhängig von deinen sonstigen Neigungen - nicht das richtige ist.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Die Arbeit im mittleren Dienst ist noch mehr Tretmühle als die eines Rechtspflegers. Man ist schon häufig froh, wenn man noch die Farbe seines Schreibtisches weiß. Tagfertig heißt, dass der Stapel nicht größer geworden ist. Nicht, dass er alle ist. Inhaltlichen Einfluss hast Du in der Regel nicht.

    Als Rechtspfleger hat man auch viele Routinesachen. Sicher. Wenn dann mal ein ungewohntes Problem auf den Tisch kommt, freut man sich. Ist sich aber zugleich bewusst, dass es aufhält. Die Routinesachen mögen langweilig sein, erfordern aber letztlich die gleiche Aufmerksamkeit, weil sonst schnell Abweichendes übersehen wird. Die interessanten Sachen mögen eine zunächst überfordern, aber im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen, Richtern und Richterinnen, Literraturrecherche und dem leicht zu unterschätzenden Wissen der Geschäftsstellen habe ich bisher noch jedes Problem lösen können. Auch wenn vielleicht nicht alles 100% der reinen Lehre entsprach, die es sowieso häufig nicht gibt. Du musst Dich für eine Sicht entscheiden und dies begründen können. Ob es der h.M. entspricht oder nicht, ist dabei nicht so entscheidend. Im Studium und in der Ausbildung bist Du da viel stärker von der Sichtweise des Ausbilders/Dozenten abhängig als später.

    Insofern sind auch die Noten im Studium relativ. Leistungen im mittleren Bereich sind schon ok. Wenn es weniger ist sollte man sich verstärkt darauf konzentrieren. Das fällt ggf. im Präsenzstudium leichter. Mir hat es aber auch geholfen Urteile zu lesen. Da gibt es immer wieder gute, die Sachverhalte besser erläutern als der Dozent. Zumal sie einen Praxisbezug herstellen. Kommentare fand ich hingegen nur punktuell hilfreich. Anders als jetzt.

    Und natürlich wird es Bereiche geben, die Dir besser liegen werden als andere. Manche sind streng formalistisch, andere weniger. Vielleicht hilft es auch einmal, sich einen Tag mit in die Rechtsantragsstelle zu setzen, mit einem Gerichtsvollzieher und/oder einen Betreuer mitzugehen. Das war für mich spannend und hat auch die Sicht erweitert. Dies wurde bei uns durch den Ausbildungsleiter im Praxisgericht organisiert. Sprich ihn mal an.

    Das Du Dich im moment überfordert fühlst, finde ich normal. Ich hätte eher Bedenken, wenn Du jetzt schon glaubtest, alles wäre easy. Manche Sachen fügen sich erst später im Studium zusammen. Beispiel: Grundbuch und Vollstreckung. Manche Sachen erschließen sich in der Praxis.

    Ich würde mit der Entscheidung noch warten. Der Abbruch wäre aus meiner Sicht ultima ratio.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

    Einmal editiert, zuletzt von Hallunke (3. März 2022 um 14:53)

  • Ich glaube, die Frage geht sehr viel tiefer, als Du vielleicht glaubst. Ich wollte immer einen Beruf, bei dem ich nicht schon am 01. Januar des Jahres wusste, was ich am 31. Dezember gemacht haben werde. Deshalb hab ich Jura studiert und bin Rechtsanwältin geworden. Es ist einfach wahnsinnig viel Routine und nach einer gewissen Zeit immer wieder das Gleiche. Die immer gleichen Argumente der Gegenseite, die immer gleichen Gegenargumente der Mandanten. Neulich habe ich einen Arzt, der sich mit Kommunikation mit dem Patienten beschäftigt. Der meinte, die fünfte Arthrose am Tag ist einfach nicht mehr spannend. Sondern viel Routine. So ist es wahrscheinlich mit den meisten Jobs. Es mag am Anfang, gerade als Berufsanfänger anders sein, aber am Ende ... Es ist immer nur viel Routine.

    Wahrscheinlich kann man dem nur entgehen, wenn man immer wieder den Job wechselt. Aber erstens gilt diese Unstetigkeit in unsrer Gesellschaft nicht als Tugend und zweitens wird Menschen, die in einem Job keine Berufsausbildung haben, selten eine faire Chance gegeben. Von dem erzielten Einkommen ganz abgesehen.

    [p.s. Ich habe vor einem halben Jahr den Job gewechselt und nicht mehr viel mit Jura zu tun. Es macht wirklich Spaß, aber die Bandbreite meiner Aufgaben ist begrenzt.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Wenn du Chancen siehst, dass du das Examen bestehst, würde ich weiter machen. Es gibt genug Alternativen, wenn du fertig bist.
    In den Vollstreckungsabteilungen (ZV, ZVG, Inso, Staatsanwaltschaft) dürftest du mehr Kontakt mit Bürgern haben und freier auf deren Eingaben antworten. Falls du da schon warst, würde ich vermutlich doch eher für einen Abbruch stimmen.

    Sehe die Möglichkeit und hatte diese Abteilungen noch nicht, aber jetzt doch auf einmal aufhören?

    Ja. Aus dem Grund, dass deine Grundeinstellung (wie ich sie aus deinen weiteren Ausführungen verstehe) nicht tragbar ist, wenn du als Rechtspfleger arbeitest und mir schon jetzt jeder leid tut, der mit dir zusammen arbeiten darf.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Ja. Aus dem Grund, dass deine Grundeinstellung (wie ich sie aus deinen weiteren Ausführungen verstehe) nicht tragbar ist, wenn du als Rechtspfleger arbeitest und mir schon jetzt jeder leid tut, der mit dir zusammen arbeiten darf.

    Da schießt du aber sehr schnell! Am Ende ist es doch so, dass nur nicht jeder sagt was er denkt. Es wäre sehr schön, wenn alle anderen Kollegen ihre Arbeit gerne machen würden und Motivation ausstrahlten. Dass ein nicht kleiner Teil der Kollegen, wenn sie bedingungslos ehrlich wären, Dinge sagen würde wie dass sie es nur fürs Geld machen, ist kaum zu bestreiten. Man versucht ja nur, den Job zu finden, wo das nur fürs Geld arbeiten noch am ehesten klappt und zumindest mit bestimmten Neigungen und Talenten übereinstimmt.

    Insofern kann ich deinen Sinneswandel wegen einer Äußerung meinerseits nicht nachvollziehen. Hätte ich dieses Detail hinsichtlich meiner Motivation weggelassen, wäre ich derselbe Mensch gewesen und hätte den gegenteiligen Ratschlag von dir erhalten.

  • Also ich bin gerade frisch aus dem Studium raus und stehe noch am Anfang. Für mich ist der Einstieg auch noch ziemlich herausfordernd. Ich mache momentan 5 verschiedene Pensen und da vernünftig reinkommen ist schwierig. Und einige Themen sind einfach sehr komplex und man steht (besonders am Anfang) noch vor einigen Problemen.
    Hierfür gibt es allerdings immer Kollegen, die man fragen kann oder eben das Forum hier.

    Ich würde dir auch empfehlen dir die Praxis nochmal anzuschauen. Müsste ich beispielsweise nur Zivilsachen oder Zwangsvollstreckungssachen machen, wäre es mir auch zu "langweilig". Ich brauche da einfach den Kontakt mit Menschen. Den habe ich dafür in Nachlasssachen oder auf der Rechtsantragstelle. Auch Betreuung ist ein sehr menschlicher Bereich finde ich.
    Aber das muss jeder für sich selbst herausfinden.

    Solltest du allerdings jetzt schon überzeugt davon sein, dass der Beruf nichts für dich ist, weil du dich langweilen wirst und keine Lust hast dich mit komplexeren Sachverhalten auseinanderzusetzen, dann ist es vielleicht echt die bessere Idee aufzuhören...

  • [h=2]Aufhören oder weitermachen? Alternativen?[/h]


    Mich würde interessieren, ob du vorher bereits gearbeitet hast und als was. Denn es ist in fast jedem Beruf irgendwann fast alles Routinearbeit und birgt nicht viel Neues.
    Ich habe vorher als Steuerfachangestellter bedeutend langweiligeres bearbeitet und auch als Mitarbeiter in der Verwaltung und in einer Kasse war es echt immer dasselbe.

    Ja, freie texte sind selten und ja, es ist ein juristischer Beruf- da gibt es nicht sehr viel ungeregeltes, bei dem man verhandeln kann oder Dinge selbst entscheiden - du hältst dich an Rechtsnormen und da gibt es oft nur eine Möglichkeit und daher zeitsparende Verfügungen. Bei den derzeitigen Akteneingängen ist dies auch wünschenswert- denn die "interessanten" Akten bedeuten eher- "Mist, jetzt falle ich wieder zurück und schaffe mal wieder gar nichts, da ich Stunden mit der Akte verbringe". Glaub mir- Routine ist langweilig, aber damit ist die Masse an Eingang wenigstens schaffbar.



    "Zusammenfassend kann ich schon mal mit Sicherheit feststellen, dass ich die Arbeit unfassbar langweilig, gleichzeitig überfordernd, teils inhaltlich zu komplex finde und garantiert keinen Spaß daran haben werde." Das glaube ich dir, daher: suche dir etwas anderes. Und kläre mit dem OLG, ob und wieviel du wann zurückzahlen müsstest- es ist im Normalfall nicht gratis nach 1 1/2 Jahren oder 3 zu gehen und nichts von den genossenen Bezüge und Studienvorzügen zurückzuzahlen. Bei uns ging einer nach fast 2 Jahren ( hatte die Zwischenprüfung wiederholt, geschafft und dann vor dem Hauptstudium II aufgehört) und bekam eine Rechnung -fünfstellig-. Das erschwerte die weitere Neuausrichtung sehr.


    Denk auch darüber nach, ob dir dieses Studium auch etwas nützt, wenn du es zu Ende bringst- da es auf andere Studiengänge angerechnet wird oder z.B. bei anderen Behörden bei einer Einstellung hilft oder sogar die dortige Ausbildung überflüssig macht. Wenn du nach Ende der Ausbildung in eine andere Behörde wechselst, dann kann auch die Rückzahlungspflicht ggf. entfallen. Du willst viel mit Menschen und viel schreiben, viele Herausforderungen- ggf. ist ja sogar die Tätigkeit als Betreuer etwas für dich, dafür dürfte das Studium ebenfalls sehr nützlich sein.








  • Mich würde interessieren, ob du vorher bereits gearbeitet hast und als was.


    Habe schon Verschiedenes angetestet in der Vergangenheit, darunter eine Ausbildung im Multimediabereich, sowie ein Studium der sozialen Arbeit. Allerdings habe ich keinen fertigen Berufs/-Studienabschluss, sodass ich angesichts der vergangenen Zeit natürlich auch den Wunsch habe, mich irgendwann festzulegen. Jedenfalls endete es in dieser Laufbahn weil die finanziellen Aspekte stimmten und es mich nach Gefhühl auch interessierte.



    Glaub mir- Routine ist langweilig, aber damit ist die Masse an Eingang wenigstens schaffbar.


    Ich glaube das mit der Routine und Langeweile ist ein bisschen anders angekommen als ich es meinte - mich stört zurzeit die Überforderung deutlich mehr als das Thema der Routine - eine solide Routine mit Tätigkeiten, die einen nicht begeistern, aber auch nicht überfordern wäre für mich kein Problem, daher auch das mit dem "abschalten" als Wunsch.



    Denk auch darüber nach, ob dir dieses Studium auch etwas nützt, wenn du es zu Ende bringst- da es auf andere Studiengänge angerechnet wird oder z.B. bei anderen Behörden bei einer Einstellung hilft oder sogar die dortige Ausbildung überflüssig macht. Wenn du nach Ende der Ausbildung in eine andere Behörde wechselst, dann kann auch die Rückzahlungspflicht ggf. entfallen. Du willst viel mit Menschen und viel schreiben, viele Herausforderungen- ggf. ist ja sogar die Tätigkeit als Betreuer etwas für dich, dafür dürfte das Studium ebenfalls sehr nützlich sein.


    Wenn ich selbst für mich überlege, was mir am besten vorkommt, bin ich doch eher beim zu Ende machen und ein paar Alternativen absichern, von denen ich aber jetzt nicht weiß ob es sie gibt bzw. wie erfolgversprechend sie sind. Das Ideale (was ja noch nicht ausgeschlossen ist), wäre natürlich, dass ich mich am Ende doch noch mit dem ganzen Berufsbild so weit anfreunde, dass ich es gut durchführen kann. Aber falls nicht, hilft mir zurzeit gerade glaube ich vor allem, herauszufinden, wie realistisch das wäre, direkt nach absolvierter Prüfung in einem alternativen Beruf mit Rechtsbezug zu arbeiten, der genug dessen beinhaltet, was ich aktuell vermisse. Dein Vorschlag mit dem Betreuer z.B. klingt ganz interessant, ebenso weiß ich auch dass es Berufsvormünder, Verfahrensbeistände etc. gibt, bei denen keine konkrete Ausbildung vorgeschrieben ist, sondern wo man bei entsprechender Eignung einfach gerichtlich bestellt wird. Wie realistisch es ist, so etwas auf Wunsch gleich zu kriegen und auch vollberuflich ausüben zu können, weiß ich allerdings gar nicht, ebenso wenig, wie genau man sich diese beispielhaften Berufsbilder vorstellen kann. Dass dort der soziale Aspekt mehr zum Tragen kommt, erscheint mir aber wahrscheinlich. Daher würde ich mich natürlich auch sehr über weitere Beispiele und Erfahrungen dazu freuen.







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