ENZ für Erbfall 1999 erteilt

  • Hallo an Alle,

    ich habe folgenden Fall von einer Kollegin, die mich gebeten hat, dies hier einmal einzustellen.

    Sie ist Grundbuchrechtspflegerin und hat ein ENZ aus Luxemburg erhalten von einem Erblasser, der bereits 1999 verstorben ist.

    Die EU-ErbVO war hier ja noch nicht anwendbar und sie fragt sich jetzt, ob sie dies als Grundbuchamt bemängeln darf oder sogar muss.

    Wäre super, wenn jemand ne Meinung dazu hat oder vielleicht auch schon Erfahrungswerte hierzu.

    Vielen lieben Dank schon einmal im Voraus

    VG
    Brine

  • Auslegungsfrage, ob Art. 69 Abs.2 EuErbRVO sich auch auf Sachverhalte wie Deinen bezieht (Erblasser offensichtlich von dem im Art. 83 Abs. 1 EuErbRVO genannten Datum verstorben). Muss wohl am Ende der EuGH entscheiden.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • Mit der Vermutungswirkung des ENZ hat das nichts zu tun, weil die EuErbRVO nach Art. 83 Abs. 1 der VO nur auf Erbfälle anwendbar ist, die am oder nach dem 17.08.2015 eingetreten sind. Hieraus folgt, dass ein ENZ für vor diesem Stichtag eingetretenen Erbfällen nicht erteilt werden kann. Im deutschen Recht wurde dies durch das IntErbRErbschÄndG (BGBl. 2015 I, 1042) und Art. 229 § 36 EGBGB geregelt und es ist wegen der beschränkten zeitlichen Reichweite der VO kaum anzunehmen, dass sich dies nach luxemburgischen Recht anders verhält.

    Aus deutscher grundbuchrechtlicher Sicht wird es daher beim Erbnachweis durch einen deutschen Erbschein verbleiben, der in Anwendung des vor dem 17.08.2015 geltenden materiellen Rechts des BGB und nach den damaligen Regeln des FamFG zu erteilen ist.

  • Doch sicher hat das etwas mit der Vermutungswirkung zu tun. Der Zweck von Art. 69 Abs. 2 EUErbRVO ist, dass nicht Gerichte und/oder Behörden anderer Mitgliedsstaaten ENZs nachträglich daraufhin überprüfen dürfen, ob diese richtig sind. Die Frage ist halt ob das auch in Fällen gilt, in denen es für diejenigen, denen das ENZ vorgelegt wird, offensichtlich erscheint, dass es falsch ist, und wenn ja, wo die Grenze ist. Hier wäre ich mir z.B. ziemlich sicher, dass es falsch ist, aber wenn der Österreicher mit einem ENZ ankommt, welches sowohl eine Erbfolge nach deutschem Recht (aufgrund Rechtswahl) als auch ein dinglich wirksames Vermächtnis für ein in Deutschland belegenes Grundstück bescheinigt, wird die Sache schon schwieriger.

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  • Die Vermutungswirkung gilt entsprechend der zeitlichen Geltung der EuErbVO selbstverständlich nur für ein ENZ, das für einen Erbfall erteilt wurde, der am oder nach dem 17.08.2015 eingetreten ist. Diese - irreparable - Rechtslage ist also keine andere, als wenn - reparabel - dem Grundbuchamt ein im zeitlichen Geltungsbereich der VO erteiltes ENZ vorgelegt wird, dessen Gültigkeitsdauer bereits abgelaufen ist.

    Dass das Grundbuchamt ein inhaltlich unrichtiges ENZ zu beanstanden hat, wurde bereits wiederholt entschieden (OLG Saarbrücken FamRZ 2019, 1569 = FGPrax 2019, 169; OLG München Rpfleger 2020, 318 = FamRZ 2020, 1043 = FGPrax 2020, 90; OLG München Rpfleger 2021, 25 = FamRZ 2021, 244 = FGPrax 2020, 265).

  • Ich sehe nicht, weshalb für die grundbuchamtliche Prüfung eines ENZ etwas anderes gelten sollte als für die Prüfung eines Erbscheins.

    Weil es eine mit Art. 69 Abs.2 EuErbRVO - der ausdrücklich verhindern soll, dass sich Behörden in einem anderen Mitgliedsstaat (zurecht oder nicht) für schlauer halten als diejenige Behörde, die das ENZ ausgestellt hat - vergleichbare Vorschrift im deutschen Recht nicht gibt. Die Reichweite des Art. 69 Abs.2 EuErbRVO in Evidenzfällen ist derzeit gemeinschaftsrechtlich nicht geklärt.

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  • Erst ein mal vielen Dank für die Beiträge und die Diskussion :)

    Ich persönlich sehe es eher wie Cromwell und ich würde es zwischenverfügen und im Zweifel auch, allein zur obergerichtlichen Klärung, hoch gehen lassen.

    Ich werde das so an die Kollegin weitergeben und sie bitten mich auf dem Laufenden zu halten.

    Viele Grüße

    Brine

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