Reisekosten Rechtsanwalt dritter Ort

  • Hallo zusammen,

    ich habe folgenden Fall, zu dem ihr gerne eure Meinung hören würde bzw. vielleicht hatte jemand einen ähnlichen Fall:

    In einem hier vorliegenden Rechtsstreit ist ein/eine Landesminister/Landesministerin verklagt worden und hat am Ende den Prozess gewonnen. Demzufolge hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Rechtsanwalt des/der Landesministers/Landesministerin macht nun Reisekosten als RA an einem dritten Ort geltend. Der/die Landesminister/Landesministerin wohnt zwar innerhalb des Amtsgerichtsbezirk, jedoch nicht im Ort des Gerichts und hat sich einen RA in der Landeshauptstadt genommen. Die Gegenseite moniert die Reisekosten dergestalt, dass der/die Landesminister/Landesministerin als Privatperson verklagt worden ist, dass lediglich die fiktiven Reisekosten geltend gemacht werden können. Der RA des/der Landesministers/Landesministerin vertritt die Auffassung, dass sich der/die Landesminister/Landesministerin jedoch ganz überwiegend in der Landeshauptstadt aufhält und dort seinen Dienstsitz habe und von dort regelmäßig Diensttermine wahrnimmt.

    Bei der nüchternen Betrachtung des Falles käme man zu der Auffassung, dass die der/die Landesminister/Landesministerin als Privatperson verklagt wurde und aufgrund ihres Wohnsitz innerhalb des Amtsgerichtsbezirkes sich am Wohnort einen RA hätte nehmen müssen.

    Aber kann man sich es so einfach machen und die dieselbe Argumentation hier anführen oder ist der Dienstsitz hier von Bedeutung? Andererseits kann man eine Privatperson, die kein Ministeramt bekleidet, nicht anders behandeln als eine Privatperson, die ein Ministeramt bekleidet, oder?

    "Die auswärtige Partei beauftragt einen an einem dritten Ort ansässigen Anwalt.In all diesen Fällen kommt es zunächst darauf an, wo die Partei ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz hat."

    Wohnort bezieht sich grds. nur auf die Privatperson, Geschäftssitz meint Fälle, in denen ein Unternehmen o. ä. verklagt wird. Ein/eine Landesminister/Landesministerin hat aber kein Geschäftssitz.

    Ich freue mich auf eure Meinungen bzw. eure Erfahrungen. Danke.

  • Die Rechtssprechung, dass eine Partei in aller Regel einen RA an ihrem Wohnort beauftragen "darf", wird damit begründet, dass persönliche Besprechungen zwischen Partei und RA notwendig seien. Wenn sich eine Partei (aus welchen Gründen auch immer) fast nie an ihrem Wohnsitz, sondern fast ausschließlich an einem dritten Ort aufhält, wird man es ihr wohl zubilligen können, dass sie die Kosten eines Rechtsanwalts an genau diesem Ort vollständig erstattet zu bekommen.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Hey burkinafaso,

    hast du zufällig die BGH-Entscheidung zur Hand, wo dies explizit ausgeurteilt wurde, wonach eine Partei, die sich fast ausschließlich an einem dritten Ort aufhält, sich dort einen Anwalt nehmen kann und diese Reisekosten auch erstattet bekommt?

    Vielen Dank.

  • Hey burkinafaso,

    hast du zufällig die BGH-Entscheidung zur Hand, wo dies explizit ausgeurteilt wurde, wonach eine Partei, die sich fast ausschließlich an einem dritten Ort aufhält, sich dort einen Anwalt nehmen kann und diese Reisekosten auch erstattet bekommt?

    Vielen Dank.

    Ob der BGH dieses spezielle "Ich bin mehr an meinem Tätigkeits- als an meinem privaten Wohnort"-Problem schon behandelt hat, weiß ich nicht. "Die" BGH-Entscheidung zum RA am Wohnsitz wäre BGH Rpfl. 2003, 98, s. a. hier. Es ist der Beschluss vom 16.10.2002, VIII ZB 30/02. :) In der SuFu gibt's zum Stichwort "Inforeise" ein paar Treffer zu dem Thema.

    Ich würde im Ausgangsfall wie burkinafaso den Anwalt am Dienstort anerkennen, das ist in meinen Augen der Ort, an dem "öfter gewohnt" wird. Im Zusammenhang mit der "RA am Wohnort"-Entscheidung definiert sich der Wohnort m.E. auch nicht nach dem Melderecht, sondern nach den tatsächlichen Verhältnissen (das ist persönliche Meinung, Fundstellen habe ich nicht).

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Die Rechtssprechung, dass eine Partei in aller Regel einen RA an ihrem Wohnort beauftragen "darf", wird damit begründet, dass persönliche Besprechungen zwischen Partei und RA notwendig seien. Wenn sich eine Partei (aus welchen Gründen auch immer) fast nie an ihrem Wohnsitz, sondern fast ausschließlich an einem dritten Ort aufhält, wird man es ihr wohl zubilligen können, dass sie die Kosten eines Rechtsanwalts an genau diesem Ort vollständig erstattet zu bekommen.

    Trifft das dann nicht auf alle viele auswärts in Vollzeit arbeitenden Menschen zu? :gruebel:

    Mag sein, dass der Normalbürger regelmäßiger nach Hause fährt als ein Minister. Allerdings besteht auch für den normalen Arbeitnehmer trotzdem das Problem, dass zum Zeitpunkt der Heimfahrt die RA-Kanzlei(en) im Heimatort bereits geschlossen haben dürften.

  • Ich überlege mal laut und nicht tiefgreifend:

    Wie sehen denn die erstattungsfähigen, fiktiven außergerichtlichen Kosten des Ministers in dem Fall aus, wenn er einen RA am im Bezirk des Prozessgerichts genommen hätte? Das müssten ja die Reisekosten des Anwalts aus dem Prozessgerichtsbezirk sein zzgl. der Kosten des Ministers für Inforeise zum Anwalt vom Wohnort aus. Tut sich da im Vergleich zu den angemeldeten Kosten viel (mehr als 10% Differenz)?

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Mag sein, dass der Normalbürger regelmäßiger nach Hause fährt als ein Minister. Allerdings besteht auch für den normalen Arbeitnehmer trotzdem das Problem, dass zum Zeitpunkt der Heimfahrt die RA-Kanzlei(en) im Heimatort bereits geschlossen haben dürften.

    Ich würde daher sowohl beim Normalbürger als auch beim Minister die Kosten für einen Anwalt am tatsächlichen Arbeits/-Dienstort für notwendig erachten, wenn es einen sachlichen Grund gibt den Anwalt von der Dienststelle aus aufzusuchen und nicht vom Wohnort aus.

    Dass man regelmäßig erst nach Dienstschluss einer regulären RA-Kanzlei zu Hause ist, wäre für mich ein hinreichender sachlicher Grund.

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