Rechtshilfe ablehnen?

  • Hallo liebe Kollegen,

    ich habe hier eine Sache, zu der mich eure Meinung brennend interessieren würde.

    Vom AG XY in Baden-Würtemberg habe ich die Akte übersandt bekommen, mit der Bitte im Rahmen der Rechtshilfe den Erbscheinsantrag aufzunehmen. Der Erbfall trat bereits vor ca. 20 Jahren ein. Der Erblasser hatte 2 Testamente hinterlassen. Ein gemeinschaftliches Testament mit der Ehefrau aus dem Jahre 1988 und ein einseitiges Testament aus dem Jahre 1997. Laut dem Testament von 1988 wäre die Ehefrau Alleinerbin. Mit dem Testament von 1997 hat der Erblasser seine Kinder eingesetzt.
    Der Erbscheinsantrag befindet sich bereits in Schriftform in der Akte. Hiernach wurde beantragt, dass der Erbschein die Kinder des Erblassers aufgrund des Testaments vom 1997 zu gleichen Teilen ausweist. Der Antragsteller wurde daraufhin darauf hingewiesen, dass die Erbfolge sich grundsätzlich nach dem Testament von 1988 richten würde, weil insoweit auch Bindungswirkung eingetreten wäre. Die Entscheidung der Ehefrau wäre jedoch ausschlaggebend. Soweit diese ausdrücklich mitteilen würde, dass sie mit der Erteilung des Erbscheines wie beantragt einverstanden sei, und auch die weiteren Kinder dem zustimmten, könnte der Erbschein wie beantragt erteilt werden. In der Folge ging die ausdrückliche Zustimmung der Ehefrau ein. Aus einem Vermerk der/s zuständigen Rechtpflegers/in geht hervor, dass hier "ergebnisorientiert" zu handeln wäre.

    Mir widerstrebt es sehr, den Erbscheinsantrag (formaljuristisch) unrichtig aufzunehmen, damit in der Folge ein unrichtiger, aber ergebnisorientierter Erbschein erteilt werden könnte. Grundsätzlich darf ein Rechtshilfeersuchen aber auch nicht abgelehnt werden.

    Wie ist eure geschätzte Meinung dazu?

    LG, Klärchen

  • Zwar darf das Rechtshilfeersuchen als solches nicht abgelehnt werden, das bedeutet jedoch nicht, dass das ersuchende Gericht ein Weisungsrecht hinsichtlich des Inhalts der aufzunehmenden Erklärungen hat. In Deinem Fall könnte es vielleicht ein gangbarer Weg sein, den von Dir für richtig gehaltenen Antrag zu protokollieren und den aus Deiner Sicht fehlerhaften Antrag als Hilfsantrag aufzunehmen. Im Übrigen steht es dem ersuchenden Gericht ja frei, wenn es mit Deiner Antragsaufnahme nicht einverstanden ist, dem Antragsteller eine "genehme" Änderung des Antrags auf schriftlichem Weg nahezulegen.

    Der Sachverhalt erinnert mich an einen Fall, den ich vor Jahren auf dem Tisch hatte. Ein auswärtiges Gericht hatte mich ersucht, im Rahmen der Rechtshilfe einen sehr umfangreichen Erbscheinsantrag aufgrund gesetzlicher Erbfolge aufzunehmen. Ein Entwurf war beigefügt, den ich jedoch in einem Punkt für falsch hielt, sodass sich nach meiner Auffassung eine andere Erbfolge ergab. Ich habe die Protokollierung so vorgenommen, wie ich sie für richtig hielt. Der Kollege, der mich um die Rechtshilfe ersucht hatte, tobte - genützt hat es ihm nichts. :)

    "Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." (Abraham Lincoln)

  • Weder das ersuchende Gericht noch das Rechtshilfegericht entscheidet über den Inhalt des Antrags. Die Entscheidung trifft ausschließlich der Antragsteller. Wenn der den Antrag so stellen will, wie das ersuchende Gericht im Entwurf geschrieben hat, ist dieser Antrag so aufzunehmen.

    Wenn du das nicht mit deinem Gewissen vereinbaren kannst, vermerke deine Bedenken in der Akte. Vielleicht kannst du den ersuchenden Kollegen anrufen und fragen, ob er die Aufnahme durch dich wirklich möchte, wenn das mit einem solchen (sehr eindeutig formulierten) Vermerk verbunden wäre.

  • Weder das ersuchende Gericht noch das Rechtshilfegericht entscheidet über den Inhalt des Antrags. Die Entscheidung trifft ausschließlich der Antragsteller. Wenn der den Antrag so stellen will, wie das ersuchende Gericht im Entwurf geschrieben hat, ist dieser Antrag so aufzunehmen.

    Genauso sehe ich das auch. Wenn du evtl. Bedenken hast, kannst du die im Protokoll festhalten und fertig. Du bist ja dann nicht derjenige, der den Erbschein unterschreiben soll.

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Danke schonmal für die bisherigen Antworten.

    Mein Problem bei der Sache ist ja eigentlich nicht, dass ich protokoliere, was der Antragsteller gern hätte. Sondern, dass ich dazu beitrage, dass dann ein unrichtiger Erbschein erteilt werden wird. Schließlich wurde durch d. Rechtspfleger/in angekündigt den Erbschein so falsch zu erlassen.

    Darauf, den Antrag juristisch richtig zu stellen, wird sich der Antragsteller sicher nicht einlassen.

  • Das ist aber nicht deine Verantwortung - und auch nicht deine Haftung. Es ist ja nicht so, dass mit deiner Hilfe irgendwelche entscheidungserheblichen Fakten unter den Tisch gekehrt werden sollen. Du nimmst einen Antrag auf, mehr nicht.
    Du kannst (und das würde ich auch tun) der Antragstellerin deine Rechtsauffassung mitteilen und im Protokoll vermerken, dass du sie darauf hingewiesen hast, dass nach deiner Auffassung sich die Erbfolge nach dem ersten Testament richtet, sie aber gleichwohl den folgenden Antrag stellen möchte. Und dann nimmst du den Antrag auf. Was das zuständige Gericht daraus macht, ist deren Sache.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Die Protokollierung einer zur Niederschrift abgegebenen Erklärung kann nur in engen Ausnahmefällen abgelehnt werden (KG Berlin, Beschluss vom 09. Februar 2009 – 11 W 1/09 –, juris). Dass der für die Niederschrift zuständige Rechtspfleger der Meinung ist, dass der Antrag unbegründet sei, ist kein solcher Ausnahmefall. Über die Begründetheit eines Antrags muss immer das zuständige Gericht in der zuständigen Besetzung entscheiden.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

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