Keine Aktenübersendung aus datenschutzrechtlichen Gründen

  • Das Betreuungsgericht (anderes Amtsgericht) verweigert mir (Grundbuchamt) Akteneinsicht aus "datenschutzrechtlichen Gründen".

    Das verstehe ich nicht. Ich würde verstehen, wenn es hieße, es liegt kein berechtigtes Interesse vor. Aber die Akteneinsicht im Wege der Amtshilfe allein aus Datenschutzgründen zu verweigern, finde ich merkwürdig.

    (Allerdings hat sich die Sache zwischenzeitlich anderweitig geklärt, weil die Beteiligten gebeten hatten, sofort zu entscheiden und die Akteneinsicht nicht abwarten wollten. Ich habe den Eintragungsantrag wegen massiver Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Verkäufers zurückgewiesen. Mit der Akteneinsicht verfolgte ich das Ziel, Kenntnisse zur Geschäftsfähigkeit des Verkäufers zu erlangen. Eigentlich hatte ich dem Amtsgericht auch mitgeteilt, dass sich mein Akteneinsichtsgesuch nach Zurückweisung erledigt hat.)

  • Hast du denn begründet, warum du gerne Akteneinsicht hättest oder ging nur das Standardschreiben raus? Betreuungsakten sind ja insoweit etwas heikel, weil sie volle Auskunft über Vermögen und Gesundheitszustand bzw. Krankengeschichte geben.

  • Ich habe die Akteneinsicht tatsächlich nur per Standardschreiben angefordert, weil ich gar nicht damit gerechnet habe, dass es Schwierigkeiten geben könnte. Ich werde es mir für künftige Fälle merken und Akteneinsichtsgesuche ausführlich begründen.

  • Hast du denn begründet, warum du gerne Akteneinsicht hättest oder ging nur das Standardschreiben raus? Betreuungsakten sind ja insoweit etwas heikel, weil sie volle Auskunft über Vermögen und Gesundheitszustand bzw. Krankengeschichte geben.

    Ist der Datenschutz wirklich schon so weit gediehen, dass man als zuständiger Bearbeiter (bei Gericht) ausführlich begründen muss, weshalb eine Akte einer anderen Abteilung (oder eines anderen Gerichts) angefordert wird? :gruebel::(

  • Ich muss als Grundbuchamt begründen, wenn ich eine Nachlassakte beiziehe. Ja, natürlich reicht „zwecks Grundbuchberichtigung“ aus, aber so weit ist es tatsächlich schon gekommen.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Das liegt doch an der Rechtsprechung des BVerfG. Nach der sog "Doppeltür"-Theorie muss der Empfänger des Akteneinsichtsgesuchs prüfen, ob der AE-Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist. Nur dann darf er gewähren.

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

  • Irrenhaus Deutschland.

    Da sagst du was. Durch die Einführung der E-Akte wird es - zumindest im Verhältnis Grundbuch/Nachlass - noch absurder. Unsere Nachlassabteilung steht auf dem Standpunkt, sie darf aus Datenschutzgründen keine Testamentsabschriften an uns übersenden. Wir bekommen also nur das Eröffnungsprotokoll und einen "Ansprechpartner" genannt. Dass auf der Grundlage keine vernünftige Aufforderungen zur Grundbuchberichtigung erfolgen kann, liegt auf der Hand. Also wurde die Nachlassakte angefordert. Mit der E-Akte nicht mehr ganz so einfach. Als "Lösung" soll nach dem Willen der Verwaltung ein mit Passwort versehener "Tauschordner" verwendet werden, in den vorübergehend ein pdf der Nachlassakte abgelegt wird. Mal abgesehen von dem Aufwand: Das pdf gibt natürlich nur im Moment der Erstellung den Inhalt der Nachlassakte aktuell wieder - und auch nur, wenn das pdf korrekt (also vollständig) erstellt wurde. Wenn ich wegen Vertretung, Urlaub etc. erst nach einer Woche dazu komme, sind die Inhalte veraltet.

    Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob dieses pdf der Nachlassakte überhaupt Eintragungsgrundlage für die Grundbuchberichtigung nach § 35 GBO sein kann. Ich habe da deutliche Zweifel. Die Antragsteller haben aber nun einmal das Recht, zum Nachweis der Erbfolge (auch) auf die Nachlassakten zu verweisen.

    Es passt hinten und vorne nicht zusammen, die Lösung wird aber "der Praxis" überlassen und jedes Gericht muss wieder selber sehen, wie es laufen kann.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Schon schräg! Da werden einerseits aus "Datenschutzgründen" keine Testamentsabschriften übersandt, andererseits soll dann das GBA auf Grundlage irgendwelcher PDFs das Grundbuch berichtigen. Hmm, würde ich als GBA wiederum nicht mitmachen.

    Dann bleibt zwar nur noch der offiziell vorgesehene Weg der Akteneinsicht, der dann Aufwand verursacht. Aber dann ist das so.

    Ulf

    Alle Äußerungen hier sind als rein private Meinungsäußerung zu verstehen,
    sofern es bei den Beiträgen nicht ausdrücklich anders gekennzeichnet wird.

  • Irrenhaus Deutschland.

    Da sagst du was. Durch die Einführung der E-Akte wird es - zumindest im Verhältnis Grundbuch/Nachlass - noch absurder. Unsere Nachlassabteilung steht auf dem Standpunkt, sie darf aus Datenschutzgründen keine Testamentsabschriften an uns übersenden. Wir bekommen also nur das Eröffnungsprotokoll und einen "Ansprechpartner" genannt. Dass auf der Grundlage keine vernünftige Aufforderungen zur Grundbuchberichtigung erfolgen kann, liegt auf der Hand. Also wurde die Nachlassakte angefordert. Mit der E-Akte nicht mehr ganz so einfach. Als "Lösung" soll nach dem Willen der Verwaltung ein mit Passwort versehener "Tauschordner" verwendet werden, in den vorübergehend ein pdf der Nachlassakte abgelegt wird. Mal abgesehen von dem Aufwand: Das pdf gibt natürlich nur im Moment der Erstellung den Inhalt der Nachlassakte aktuell wieder - und auch nur, wenn das pdf korrekt (also vollständig) erstellt wurde. Wenn ich wegen Vertretung, Urlaub etc. erst nach einer Woche dazu komme, sind die Inhalte veraltet.

    Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob dieses pdf der Nachlassakte überhaupt Eintragungsgrundlage für die Grundbuchberichtigung nach § 35 GBO sein kann. Ich habe da deutliche Zweifel. Die Antragsteller haben aber nun einmal das Recht, zum Nachweis der Erbfolge (auch) auf die Nachlassakten zu verweisen.

    Es passt hinten und vorne nicht zusammen, die Lösung wird aber "der Praxis" überlassen und jedes Gericht muss wieder selber sehen, wie es laufen kann.

    Ich bin gespannt, was noch alles kommt..

    Wir hatten jetzt den Fall, dass uns eine elektronische Akte aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht elektronisch zugesandt werden konnte - wir haben dafür eine CD per Post bekommen auf der die Akte gepeichert ist.. :/

  • Unsere Nachlassabteilung steht auf dem Standpunkt, sie darf aus Datenschutzgründen keine Testamentsabschriften an uns übersenden.

    Da würde mich die Begründung mal interessieren.

    Gab es einen bestimmten Vorfall, der zu diesem Standpunkt führte?

    Das klingt so dermaßen absurd, man mag es kaum glauben.

    Es stand alles in Büchern, die Alten lebten noch
    Wir haben nicht gelesen, nicht gesprochen, weggeschaut, uns verkrochen ...
    No!

  • Unsere Nachlassabteilung steht auf dem Standpunkt, sie darf aus Datenschutzgründen keine Testamentsabschriften an uns übersenden.

    Da würde mich die Begründung mal interessieren.

    Gab es einen bestimmten Vorfall, der zu diesem Standpunkt führte?

    Das klingt so dermaßen absurd, man mag es kaum glauben.

    War vor meiner Zeit (hier) und verliert sich ein Stück weit im Nebel der Geschichte: Es gibt einen Erlass des JM von Anfang der 90er Jahre, mit dem auf Anregung des PräsOLG Hamm die Vordrucke NS 8 und NS 19 im Hinblick auf "die aus Datenschutzgründen bedenkliche Übersendung von Testamentsabschriften an Grundbuchämter..." überarbeitet wurden. Der war wohl die Wurzel allen Übels. Irgendwann auf einer Nachlassschulung - so hat man mir berichtet - wurde das thematisiert und zu "ihr dürft nicht mehr übersenden".

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Der Hinweis auf Datenschutz ist lächerlich, wenn es eine gesetzliche Grundlage wie § 35 GBO gibt. Das mag nicht für die ganze Akte gelten. Aber zumindest für Erbschein, Protokoll und öffentliche letztwillige Verfügung.

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Der Hinweis auf Datenschutz ist lächerlich, wenn es eine gesetzliche Grundlage wie § 35 GBO gibt. Das mag nicht für die ganze Akte gelten. Aber zumindest für Erbschein, Protokoll und öffentliche letztwillige Verfügung.

    Jeder, der mal auf einer Datenschutzfortbildung war weiß, dass Datenschutz ein absolutes Rechtsgut mit hohem Selbstzweckgehalt ist. Es ist höherwertiger als alle anderen Rechtsgüter (außer es geht um fiskalische Interessen des Staates) und daher auch allen anderen gesetzlichen Grundlagen per se überlegen.

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • War vor meiner Zeit (hier) und verliert sich ein Stück weit im Nebel der Geschichte: Es gibt einen Erlass des JM von Anfang der 90er Jahre, mit dem auf Anregung des PräsOLG Hamm die Vordrucke NS 8 und NS 19 im Hinblick auf "die aus Datenschutzgründen bedenkliche Übersendung von Testamentsabschriften an Grundbuchämter..." überarbeitet wurden. Der war wohl die Wurzel allen Übels. Irgendwann auf einer Nachlassschulung - so hat man mir berichtet - wurde das thematisiert und zu "ihr dürft nicht mehr übersenden".

    Nachtrag, nur damit keiner meint, wir wären ein Einzelfall: ich habe auf Tagungen in der Vergangenheit das Thema gelegentlich am Rande angesprochen und auch bei den Nachbargerichten nachgehört. Auch andere Grundbuchämter und Nachlassgerichte arbeiten auf verschiedenen Wegen um das Problem herum und haben Wege gesucht, damit die Arbeit praktisch noch irgendwie funktioniert.

    Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, nochmal ein paar Wochen die weitere Entwicklung abzuwarten und dann ggf. mal zu versuchen mit dem "Aufhänger" E-Akte in Nachlasssachen, das Ganze im Verwaltungswege "nach oben" zu geben.

    Komplizierte Probleme heißen komplizierte Probleme, weil es keine einfachen Lösungen für sie gibt, sonst hießen sie einfache Probleme.

    - Frank Nägele, KStA v. 25.3.17 -

  • Unsere Nachlassabteilung steht auf dem Standpunkt, sie darf aus Datenschutzgründen keine Testamentsabschriften an uns übersenden.

    Da würde mich die Begründung mal interessieren.

    Gab es einen bestimmten Vorfall, der zu diesem Standpunkt führte?

    Das klingt so dermaßen absurd, man mag es kaum glauben.

    War vor meiner Zeit (hier) und verliert sich ein Stück weit im Nebel der Geschichte: Es gibt einen Erlass des JM von Anfang der 90er Jahre, mit dem auf Anregung des PräsOLG Hamm die Vordrucke NS 8 und NS 19 im Hinblick auf "die aus Datenschutzgründen bedenkliche Übersendung von Testamentsabschriften an Grundbuchämter..." überarbeitet wurden. Der war wohl die Wurzel allen Übels. Irgendwann auf einer Nachlassschulung - so hat man mir berichtet - wurde das thematisiert und zu "ihr dürft nicht mehr übersenden".

    Also - salopp formuliert - ein etwa dreißig Jahre alter fehlgeleiteter "Gehirnfurz", der seitdem durch tausende von Händen gestrichen ist, ohne dass sich irgend jemand hingestellt und diesen Unsinn auch als solchen bezeichnet hat. Dass die Kollegen bei den Nachlassgerichten diesen Quatsch auch noch - und heute noch - mitmachen, halte ich für ein Armutszeugnis. Und wenn derlei auch noch auf einer "Nachlassschulung anempfohlen wird, dürften Zweifel an der Qualifikation des betreffenden Referenten durchaus angebracht erscheinen.

  • Der Hinweis auf Datenschutz ist lächerlich, wenn es eine gesetzliche Grundlage wie § 35 GBO gibt. Das mag nicht für die ganze Akte gelten. Aber zumindest für Erbschein, Protokoll und öffentliche letztwillige Verfügung.

    Jeder, der mal auf einer Datenschutzfortbildung war weiß, dass Datenschutz ein absolutes Rechtsgut mit hohem Selbstzweckgehalt ist. Es ist höherwertiger als alle anderen Rechtsgüter (außer es geht um fiskalische Interessen des Staates) und daher auch allen anderen gesetzlichen Grundlagen per se überlegen.

    Realsatire? Hoffentlich! :)

    "Just 'cos you got the power, that don't mean you got the right!" ((c) by Mr. Kilmister, passt zum Job)

    "Killed by Death" (ebenfalls (c) by Lemmy, passt eigentlich immer)

  • Das liegt doch an der Rechtsprechung des BVerfG. Nach der sog "Doppeltür"-Theorie muss der Empfänger des Akteneinsichtsgesuchs prüfen, ob der AE-Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist. Nur dann darf er gewähren.

    Die "Doppeltür"-Theorie hat meines Erachtens aber einen anderen Kontext (Anforderung von Daten bei nichtstaatlichen Stellen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.01.2012 - 1 BvR 1299/05).

    Im Bereich der Justiz ist die Weitergabe von Daten meiner Ansicht nach durch § 12 EGGVG i.V.m. den MiZi (und MiStra) legitimiert. Das würde ich in diesem Rahmen als Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c DSGVO) und/oder Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO) ansehen.

    In Bezug auf die Übersendung von Testamenten an das Grundbuchamt heißt es in den MiZi (Abschnitt XVII Ziff. 4 Abs. 2 Nr. 2; Hervorhebung von mir):

    "[In den Mitteilungen sind anzugeben] die Erblasserin bzw. der Erblasser, der Zeitpunkt des Erbfalls und die Erben mit ihren Anschriften; bei Eröffnung eines Testaments oder eines Erbvertrags die Erblasserin bzw. der Erblasser und die Verfügung von Todes wegen".

    Datenschutzrechtliche Fragen im Zusammenhang mit etwaigen Inhalten der Verfügung von Todes wegen (wenn sich der Erblasser zum Beispiel darin negativ über seine Verwandtschaft auslässt), sind meines Erachtens erst und nur bei einem Akteneinsichtsgesucht in die Akte des Grundbuchamts zu prüfen und gegebenenfalls von der Akteneinsicht auszunehmen.

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