fehlende Unterschrift

  • Liebes Forum,

    folgender Sachverhalt:

    eigenhändiges (gemeinschaftliches) Testament der Eheleute, in dem Sie sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt haben. Das Testament ist nur von der Ehefrau geschrieben und unterschrieben, aber in der Wir-Form geschrieben. Danach folgt eine weitere Seite, welche mit "Anhang zum Testament" überschrieben ist (gleiches Datum), in dem die Ehegatten Schlusserbeneinsetzung getroffen haben. Dieser "Anhang" ist dann von beiden Ehegatten unterschrieben worden.

    Die Ehefrau beantragt nun nach dem Ehemann einen Alleinerbschein.
    Ausgeführt zum o.g. Sachverhalt wurde nichts. Grundlage sei das Testament.

    Wie seht ihr das?

  • Aus dem Bauch: Unwirksam bzgl. des gemeinschaftlichen Testaments.

    -------------------------:aktenEine wirklich gute Idee erkennt man daran, daß ihre Verwirklichung von vorn herein ausgeschlossen erschien. (Albert Einstein):gruebel: ------------------------------------

    Nachlass-Kanzlei / Büro für gerichtliche Pflegschaften / Nachlasspflegschaften, Nachlassverwaltungen, Testamentsvollstreckungen, Nachlassbetreuungen /
    Nachlasspfleger Thomas Lauk - http://www.thomaslauk.de

  • Puh, da hätte ich erhebliche Bedenken.

    Ist denn die Anlage auch datiert und mit einem Ort versehen und lässt sich irgendwie erkennen, dass beide Dokumente am selben Tag erstellt wurden? Dann könnte man ggfls. trotz des unglücklichen Wortlauts "Anlage" von einer einheitlichen Willenserklärung ausgehen. Aber auch da wäre ich eher zurückhaltend.

  • Aus dem Bauch habe ich auch Bedenken. Wenn, dann müsste ersichtlich sein, dass es sich um eine "zusammenhängende Urkunde" handelt, dabei wäre die Bezeichnung des ganzen ("letzter WIlle", "testament", "Verfügung" etc.) unerheblich. Wenn dies nicht so ist, würde ich den Anhang als wirksame letztwillige Verfügung auffassen, das eigentliche "Testament" mangels Unterschrift formungültig als gemeinschaftliches Ehegattentestement auffassen... dann ist es eben verunglückt..

    Auch wenn beide am gleichen Tag/Ort abgefasst worden sind, sopricht dies eben nicht für eine "einheitliche Urkunde". Bei einem mehrseitigen Tesament muss ja auch nicht jede Seite unterschrieben, alle Seiten zusammengeheftet etc sein. Hier würde es genügen, wenn die lettze Seite diese Unterschrtiften aufweist. Hier sind einmal ein "Testament" und einmal ein "Anhang" gefertigtr worden, also spricht auch vieles dafür, diese als nicht zusammenhängende Urkunde aufzufassen... (Erklärungswille einmal das sog. Testament i.e.S. und ein weiteres, den "Anhang" mit Schlusserbeneinsetzung aufzusetzen).

  • Wie wäre es mit der eleganten Lösung, dass der entsprechend den Erfordernissen eines gemeinschaftlichen Testaments formgültig errichtete Anhang, in dem eine Schlusserbeneinsetzung verfügt wurde, inzident auch die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Eheleute enthält?

    Der Wortlaut des "Anhangs" wäre interessant. Ist dort auch von irgendwelchen Pflichtteilsansprüchen die Rede?

  • Wie wäre es mit der eleganten Lösung, dass der entsprechend den Erfordernissen eines gemeinschaftlichen Testaments formgültig errichtete Anhang, in dem eine Schlusserbeneinsetzung verfügt wurde, inzident auch die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Eheleute enthält?

    Der Wortlaut des "Anhangs" wäre interessant. Ist dort auch von irgendwelchen Pflichtteilsansprüchen die Rede?

    :daumenrau, denn alles andere würde vom Inhalt her keinen Sinn machen.

  • Was sagen denn die gesetzlichen Erben dazu? Wenn die keine Bedenken hätten, hätte ich auch keine.

    Haben sie welche, bist du die Sache ohnehin los (Richterzuständigkeit).

    §§ 36b II 2, 5 III 1 RPflG: Die vorgelegten Sachen bearbeitet der Rechtspfleger, solange er es für erforderlich hält.

  • Wie wäre es mit der eleganten Lösung, dass der entsprechend den Erfordernissen eines gemeinschaftlichen Testaments formgültig errichtete Anhang, in dem eine Schlusserbeneinsetzung verfügt wurde, inzident auch die gegenseitige Alleinerbeneinsetzung der Eheleute enthält?

    Der Wortlaut des "Anhangs" wäre interessant. Ist dort auch von irgendwelchen Pflichtteilsansprüchen die Rede?

    Da hätte man aber wieder das Problem, dass das formnichtige Haupttestament inzidenter zur Auslegung der Anlage herangezogen wird - also praktisch der umgekehrte Fall zu dem jüngsten Urteil des BGH zum testamentum mysticum. Ob das den strengen Grundsätzen dieser Rechtsprechung entspricht?

    Da halte ich die Begründung noch für besser, es als einheitliche Erklärung anzusehen, die auch einheitlich unterschrieben wurde. Die Trennung in Anlage und Haupttestament hat dabei für die Laien wahrscheinlich gar keinen Unterschied gemacht. Dafür spricht immerhin, dass beide Dokumente am selben Tag errichtet und unterschrieben wurden. Aber zugegebenermaßen auch etwas wackelig.

  • Zu der von mir in #6 vorgeschlagenen Lösung vgl. meine Ausführungen in FGPrax 2019, 281, Rpfleger 2020, 626, 630 (Fn. 56) und Rpfleger 2021, 616, 619/620 sowie OLG Brandenburg ZEV 2021, 473 (LS) = BeckRS 2021, 10179.

    Der Unterschied zu dem Fall des OLG München sowie dem Fall des OLG Brandenburg liegt aber gerade darin, dass es vorliegend möglicherweise ein formnichtiges Haupttestament und eine formwirksame und ggfls auslegbare Anlage gab. In der umgekehrten Konstellation eines formwirksamen Haupttestaments samt formnichtiger Anlage hat der BGH (Beschluss vom 10.11.2021 – IV ZB 30/20) zuletzt die Nichtigkeit sämtlicher Verfügungen angenommen. Auch in diesem Fall wäre das Haupttestament als solches auslegungsfähig gewesen. Aber gut, es kann sich nun jeder selbst seine Meinung bilden, die Karten liegen auf dem Tisch.

  • So ist es.

    Wenn man sich das Haupttestament hinwegdenkt, weil man es für formungültig hält, ist die Rechtslage aber keine andere wie bei den entschiedenen bzw. erörterten Sachverhalten. Deshalb auch meine Frage nach dem genauen Inhalt der für sich alleine sicher formgültig errichteten "Anlage". Aber diese Frage wurde bislang nicht beantwortet.

  • Wieso sollen Seite 1 und Anhang keine einheitliche Urkunde sein? Das Wort Anhang zeigt doch gerade, dass es dran hängt und nicht alleine steht. Inhaltlich scheint de Anhang ja auch die Fortsetzung der ersten Seite zu sein, oder was steht da?

  • Ich bin ebenfalls der Ansicht, dass man - ob mit der Einheitlichkeitsbegründung oder im Wege der Auslegung des für sich alleine betrachteten Anhangs - zu einer Alleinerbenstellung des überlebenden Ehegatten gelangt.

    Da ich heute zu einer Tagung nach Kassel aufbreche, melde ich mich bis Dienstag oder Mittwoch hier im Forum ab.

  • Bis bald! :)

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