• Ein mir bekannter Betreuer wurde vom Gericht aufgefordert, den hohen Geldbetrag, den der (geschäftsunfähige) Betroffene auf einem Girokonto hatte (über € 500.000), "gewinnbringend mündelsicher (nicht unter 3%)" anzulegen. Auf Nachfrage, warum nicht unter 3%, kam als Antwort, das Gesetz sehe mindestens 4% vor, § 246 BGB, aber im Moment sei die Sache mit den Zinsen ja bekanntlich schwierig.

    Über die Rechtsauffassung braucht man sich nicht weiter zu äußern, und absolut mündelsicher 3% gibt's derzeit nicht. Also legt der gute Betreuer seit fast einem Jahr regelmäßig neue Anlagevorschläge vor, die das Gericht nach Prüfung dann ablehnt. Und dann nochmal und wieder von vorne. Solange bis die Zinsen wieder steigen nehme ich an :(

    "Allen ist alles egal, außer der Handyvertrag" - Kraftklub

  • um noch ein, zwei Denkanstöße zu geben:

    Stichwort Immobilienfonds: was denn genau? es gibt nämlich auch geschlossene Immobilienfonds. (hier dürfte dem ein oder anderen auch der Schiffsfondskandal in den Ohren klingeln -hoffentlich-)
    geschlossene Fonds weisen nämlich hohe Laufzeiten auf und können vorab nur über den sog. Zweitmarkt verwertet werden. Und das funktioniert nur, wenn ein Käufer der Anteile gefunden wird, noch dazu i.d.R. mit Verlusten

    Der 2. Denkanstoß: unabhängig davon, wie man zum Thema Aktienfonds steht (Will das hier ungern zu nem Glaubenskrieg werden lassen, muss aber sagen, Cromwell hat recht, die Finanzbildung der Rechtspfleger ist erschreckend gering). Warum ist es immer wieder der Weg über den Bankberater zu aktiv gemanagten Fonds, die in der Regel den kostengünstigen ETF sowohl performancemäßig unterliegen (oder zumindest nicht outperformen) und ein Heidengeld kosten und damit nichts anderes als die Renditegarantie der Bankberater und Fondsmanager sind. Darüber hinaus kann ich auch oder gerade mit ETFs wunderbar breit in die komplette Welt investieren. Das geht zwar auch mit aktiven Fonds, meiner eigenen Erfahrung nach aus der letzten Anlageberatung einer roten Hausbank: empfohlen wurde ein europäischer ETF sowie eine hoch spekulative Sektorwette im Bereich disruptive Technologien (zum Vergleich, wer die aktuelle Frank Thelen Doku kennt, sowas in der Art).

    Solchen Bankberatern sollte man defintiv nicht das Geld von Betreuten überlassen ...


    Zum Rest wurde insoweit schon ordentlich vorgetragen ...

    "Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen."

    Hier geht Ihre Spende nicht unter. Rette mit, wer kann.

    -Die Seenotretter, DGzRS-

  • Das Problem ist doch, dass die Betreuer auch nicht wissen, wie sie anlegen sollen bzw. wenn sie mit einem nicht genehmigungsfähigen Vorschlag kommen, zusammen mit der Ablehnung der Genehmigung erwarten, dass man ihnen einen genehmigungsfähigen Vorschlag macht. Und dem ist nicht so. Und wenn ich den 51. Genehmigungsantrag abschlägig bescheide, muss der Betreuer den 52. Genehmigungsantrag vorlegen, ohne dass ich ihm einen Vorschlag mache, was ggf. genehmigungsfähig ist. Diesbezüglich besteht seitens des Gerichts keine Beratungspflicht. Und das muss in die Köpfe der gerichtlichen Entscheider -und in die Köpfe, auch der ehrenamtlichen Betreuer, endlich einmal rein. Alle Statements an Betreuer in Richtung „Fonds würden gehen“ oder „wieso kein Tagesgeld“ sind fehl am Platz.

    Dem stimme ich nur eingeschränkt zu. Natürlich dürfen wir als Betreuungsgericht keine Vorschläge (oder gar Vorschriften) machen, wie genau das Geld anzulegen ist. Wenn sich aber nun ein Betreuer bei uns meldet um mitzuteilen, dass er gerne Geld anlegen möchte und sich vorher erkundigen möchte, was dabei möglich ist, halte ich es für nicht zielführend, dem Betreuer einfach nur auf einen Genehmigungsantrag zu verweisen.

    Praktisches Beispiel:
    Ich hatte erst letzte Woche eine Betreuerin, die nach erfolgten Hausverkauf Geld anzulegen hat. Diese hatte wohl vorher etwas im Internet recherchiert und ist dabei auch diese tolle (kann Spuren von Ironie enthalten) "bereits irgendwann mal von Gerichten genehmigte Geldanlagen"-Liste gestoßen. Sie hat dann bei mir angefragt, ob ich einer Anlage von dieser Liste zustimmen würde. Daraufhin hab ich mit der Betreuerin telefoniert und ihr den Ablauf des Genehmigungsverfahrens (sie schlägt vor, ich prüfe, nicht andersrum :D) erklärt. Aber natürlich habe ich ihr dabei auch erklärt, welche Faktoren dabei in die Prüfung miteinfließen, auch anhand des konkret vorliegenden Falls. Und das enthält dann auch mal ein "Einzelaktien gehen nicht" und "Fonds können gehen". Damit ist dann sowohl die Betreuerin glücklich gewesen, weil sie jetzt weiß, worauf sie achten muss, und hoffentlich bin ich auch bald damit glücklich, wenn eine brauchbare Anlage vorgelegt wird...

  • [FONT=&amp]Aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase ist der Betreuer gehalten, eine risikobegrenzte rentable Anlageform für einen Teil desVermögens des Betreuten zu finden.[/FONT]
    [FONT=&amp]LG Augsburg, Beschluss vom 25.5.2018 – 54 T 1089/18[/FONT]
    [FONT=&amp]NJW 2018, 2420

    [/FONT]https://www.zdf.de/nachrichten/wi…nlegen-100.html


  • Ich würde derzeit das Geld bei der Bank lassen, da demnächst Zinsen für Guthaben zu erwarten sind und die Verwahrgelder wegfallen. Das derzeitige auf und ab auf den Aktienmärkten ist nervenaufreibend und nicht gewinnversprechend.

    [FONT=&amp]Aufgrund der derzeitigen Niedrigzinsphase ist der Betreuer gehalten, eine risikobegrenzte rentable Anlageform für einen Teil desVermögens des Betreuten zu finden.[/FONT]

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    K. Schiller: "Genossen, lasst die Tassen im Schrank"


    "Zu sagen, man müsste was sagen, ist gut. Abwägen ist gut, es wagen ist besser." Lothar Zenetti

  • "bereits irgendwann mal von Gerichten genehmigte Geldanlagen"-Liste

    Das Ding gibt es immer noch? Dachte, es hätte sich mittlerweile herumgesprochen, dass die nichts nützt. Ich habe mir vor Jahren, als mir ein Betreuer mit der Liste kam, mal spaßeshalber ein paar der Entscheidungen, die dort aufgeführt waren, besorgt.

    Ein Großteil der angeforderten Entscheidungen hatte nur eine formale Begründung (z.B. "Die Geldanlage läuft dem Interesse des Betroffenen nicht zuwider und kann daher genehmigt werden"). Teilweise wurden auch sachfremde Erwägungen angeführt, die ich hier nicht wiederholen möchte. Vielleicht gibt es in der Liste ein paar Entscheidungen, die wirklich nützlich wären (z.B. weil sie sich mit den konkreten Chancen und Risiken der jeweiligen Anlage auseinandersetzen), zumindest bei meinen Stichproben habe ich aber nichts gefunden, was veröffentlichungswürdig wäre.


    Wenn die Anlagevorschläge ganz gruselig werden und an Glücksspiel grenzen (z.B. diese Zockereien mit CFDs) erteile ich schonmal den Hinweis, dass generelle Bedenken bestehen, ein Wertpapier dieser Art zu genehmigen. Aber grundsätzlich halte ich mich zurück und lasse den Betreuer machen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Corypheus (20. Juni 2022 um 13:20) aus folgendem Grund: Verunglücktes Zitat berichtigt

  • Sein Pulver in solchen Zeiten trocken zu halten und auf Cash-Positionen zu sitzen, hat noch niemandem geschadet.

    Sehe ich auch so. Die Zeiten sind wirtschafts- und finanzpolitisch zu unsicher, als dass sich "Zocken" zur Renditemaximierung lohnt und die Betroffene ist mit 77 Jahren auch nicht mehr die Jüngste, dass es sich lohnt, lange Laufzeiten in Kauf zu nehmen, zumal Anleihen wie von Cromwell dargestellt in der Tendenz wertloser werden.

    Auch sehe ich es so, dass es keines Gutachtens bedarf, das gehört zum Einmaleins eines Rechtspflegers am Betreuungs- oder Familiengericht. Als Beteiligter würde ich mich auch dagegen verwahren, in einem solchen Standardfall etwaige Gutachterkosten zu bezahlen. Zwar mag Finanzwissen nicht Schwerpunkt der Rechtspflegerausbildung sein (im theoretischen Bereich schon gar nicht), doch ist das kein Hexenwerk; da kann man sich einlesen und es schadet einem auch persönlich ganz und gar nicht, sich damit zu beschäftigen. Man kann dies für die Verwaltung der privaten Finanzen doch auch ganz gut gebrauchen.

    Es wurde ja auch schon gefragt, wie hoch der Anteil der 70.000 € am Gesamtvermögen ist. Das ist immer gut zu beleuchten, ob es sich um Beimengung handelt oder um Hauptanlagen. Nach dem Stand der Dinge würde man hier jedoch eher dem Bank"berater" was Gutes tun als dem Betroffenen.

    Gehebelte ETFs wurden schon vorgeschlagen, die fände ich hier allerdings auch bedenklich, das würde ich auch nur als kleine Beimengung akzeptieren, aber darum geht es hier ja zum Glück nicht.

  • Letztendlich ist jede Genehmigung eine Einzelfallentscheidung. Und zwar am Tag der Entscheidung über den Genehmigungsantrag. Eine Woche später könnte eine heute erteilte Genehmigung schon nicht mehr gehen. Oder umgekehrt.

    Aussagen wie „Aktien gehen nicht“ sind nicht zielführend. Denn je nach Vermögensstand, bisherigem Anlageverhalten des Betroffenen (vor Betreuungseinrichtung) oder Wünschen des Betroffenen nach einer bestimmten Anlage (es soll auch Betreute geben, die hier noch mit freiem Willen Entscheidungsfreiheit sind, wo aber -bislang- Banken noch „Mitunterzeichnjng durch den Betreuer verlangten) kommt eine Genehmigungspflicht doch in Betracht bzw. muss eine Genehmigung erfolgen. Es gibt keine höchst- bzw. obergerichtliche Entscheidung, dass Aktien nicht gehen. Vielmehr sehen die Obergerichte eine Beimengung (je nach Vermögenslage) als genehmigungsfähig an.

  • Ich oute mich hier mal als Kollegin, die von Geldanlagen und Finanzdingen nicht allzu viel Ahnung hat. Ich kann in meinem privaten Bereich sehr wohl angemessen entscheiden, wie ich mein Geld verwahre/anlege etc. Wenn es aber im Beruflichen darum geht, darüber zu entscheiden, ob eine vorgeschlagene Anlageform für Betreutenvermögen mündelsicher ist, gerate ich auch regelmäßig an meine Grenzen. Wir haben sowas im Studium einfach nicht gelernt (vielleicht wäre das echt mal mittlerweile angebracht, die ein oder andere Vorlesung dazu in den Studienplan aufzunehmen) und alle meine Versuche mich im Privaten dazu etwas zu belesen und zu verstehen, scheitern einfach daran, dass alles viel zu kompliziert erklärt wird.

    Wieso werden auch für Kollegen der Fachbereiche, die mit solchen Problemen öfter konfrontiert werden, keine entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen angeboten? Stellt mir jemanden hin, der mir das anschaulich und in einfachen Worten erklären kann, worauf ich achten muss usw. und ich habe keine Angst mehr vorm nächsten Vorschlag des Bankberaters. Mag sein, dass hier auch wieder ein klein wenig das Cliche der Geschlechterverteilung greift und sich die männlichen Kollegen damit einfach schon auch mehr im Privaten befasst und das ganze Spiel verstanden haben, aber dasselbe von allen (gerade auch jüngeren Kollegen und auch Berufsanfängern) zu verlangen, finde ich schon etwas schwierig.

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