Beratungshilfe/SGB II/Pilgerreise

  • Der Antragsteller möchte eine Pilgerreise machen. Das Jobcenter verweigert jedoch die Freistellung mit der Folge, dass nach Verbrauch des gesetzlichen Urlaubs keine Leistungen mehr während der Reise gezahlt werden. Beratungshilfefähig ? Ich bin geneigt, den Antrag abzulehnen, da die Pilgerreise eine persönliche Entscheidung und nicht notwendig ist.

  • Ich bin bzw. war bei der Beratungshilfe zwar auch immer relativ streng, hier hätte ich aber kein Problem mit der Bewilligung (so denn die anderen Voraussetzungen vorliegen).

    Denn fast jede Angelegenheit ist doch eine persönliche Entscheidung.
    Gerade bei der Bewilligung bzw. Nichtbewilligung von Leistungen ist doch meist eine persönliche Entscheidung im Vorfeld, welche zu dieser Entscheidung der Behörde geführt hat.
    Sei es der Entschluss, sich einen neuen Kühlschank zu kaufen ,den Führerschein machen oder umziehen zu wollen. Wenn die Behörde das anders sieht, ist ein rechtliches Problem daraus entstanden, für welches sich der Antragsteller den anwaltlichen Beistand holen kann.

    Überspritzt formuliert ist ja auch die Begehung einer Straftat oder einer OWI ein persönlicher Entschluss, sogar mit dem Wissen, dass es nicht richtig ist. Trotzdem wird in solchen Fällen zumindest für die Akteneinsicht BerHi gewährt.

  • Es liegt scheinbar ein rechtliches Problem mit dem Jobcenter vor, weil es scheinbar beanspruchte Leistungen ablehnt. Daher ist der Anwendungsbereich der BerH eröffnet.

    [FONT=&quot] Ich bin geneigt, den Antrag abzulehnen, da die Pilgerreise eine persönliche Entscheidung und nicht notwendig ist.[/FONT]

    Auf welcher rechtlichen Grundlage soll denn die Zurückweisung erfolgen?

    Ich zumindest vermag nicht zu erkennen, dass die Inanspruchnahme von Beratungshilfe vorliegend mutwillig ist. M.E. kann man nicht sagen, dass vernünftiger Selbstzahler bei dieser Konstellation von einer anwaltliche Beratung Abstand nehmen würde.

  • Vielen Dank Kollegen. Irgendwie hatte mir einfach mein Bauchgefühl etwas anderes gesagt. Der Betroffene kann ja seine Reise antreten, aber eben nicht auf Kosten des Steuerzahlers, denn genau das tut er, wenn seine Arbeitskraft – außerhalb des gesetzlichen Urlaubsanspruchs – nicht zur Verfügung steht, weil er pilgert. Ich als Arbeitnehmer müsste Urlaub ansparen oder eben unbezahlten Urlaub nehmen und mir würde nicht im Traum einfallen, deswegen einen kostenpflichtigen Anwalt zu konsultieren. Aber gut, sei es so.

  • Und genau das könntest du in die Beschlussbegründung hineinbringen, wenn du den Antrag als mutwillig ablehnen solltest. Ich bin da übrigens auch eher deiner Meinung. Für eine große Reise den öffentlichen Haushalt in Anspruch zu nehmen finde ich etwas dreist/mutig etc (ob es dafür tatsächlich eine anspruchsgrundlage in den einschlägigen SGBs gibt ist mir nicht bekannt). Der Selbstzahler wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Urlaub ansparen oder unbezahlten urlaub nehmen und Gelder zurücklegen (das ist mit SGB-Leistungen eher schwer zu realisieren). Aber mit kostenpflichtiger anwaltlicher Hilfe dies gegen den Arbeitgeber oder die öffentliche Hand durchzusetzen, würde denke ich auch keiner versuchen.
    Mit einem neuanzuschaffenden Kühlschrank, der ja in seiner Art der Nutzung das Überleben des Leistungsempfängers sichern soll und damit zu den elementaren Grundbedürfnissen zählen dürfte, ist eine Pilgerreise mMn nicht vergleichbar. Aber das Argument Religionsausübung ist natürlich ein Punkt, den man nicht vernachlässigen darf, wenn der Antragsteller glaubhaft vorträgt, dass diese Reise diesem Zweck auch dient (ähnliche Pilgerkonzepte gibt es ja für andere Religionen auch).

  • Heidiho.

    Nur noch mal zur Klarstellung: Wir reden hier von einer Pilgerreise, oder?

    Meines Wissens werden die vom Jobcenter weder bezuschusst noch bucht er da auf Kosten anderer einen All-inclusive-Urlaub. Und essen muss er daheim auch.

    Hinsichtlich der Mutwilligkeit würde ich erst dann bewegen, wenn wir hier von einem ausgebildeten Menschen unterhalb der 60 reden, dessen Arbeitskraft dem Arbeitsmarkt zeitnah zugeführt werden kann.

    Einen seit Jahrzehnten im Sozialleistungsbezug stehenden Antragssteller aufgrund behördlicher Gängelung diese Reise pauschal zu versagen, wäre sodann beratungshilfefähig.

    Horrido.

    Dies ist ein guter Tag um zu sterben. Folgt mir.

  • Ich hätte es auch abgelehnt, aber eher mit der Begründung tatsächliches Problem kein rechtliches. Denn wenn ich den Sachverhalt richtig verstanden habe hat der doch nur gefragt und die Auskunft der eventuellen Leistungskürzung erhalten.
    Wenn er die reise tatsächlich gemacht hat und einen Bescheid bekommen hat wonach seine Leistungen gekürzt wurden sind würde ich mir das genau angucken wie die Begründung des Jobcenters lautet.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • ...n. Das Jobcenter verweigert jedoch die Freistellung mit der Folge, dass nach Verbrauch des gesetzlichen Urlaubs keine Leistungen mehr während der Reise gezahlt werden. ....

    Wenn das der Tatsachenvortrag ist, dann kann mE allenfalls erwogen werden, was ein Selbstzahlen machen würde.

    Alle anderen Überlegungen mögen zutreffen, betreffen aber den Anspruch auf Freistellung durch das Jobcenter und nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Beratungshilfe. Und ob das Ansinnen offentlicher Quatsch ist, kann sich vielleicht daraus ergeben, dass sie/er sofort vermittelt werden könnte - was bei jemandem mit Pilgerreise-Bedarf nach meiner bisherigen Kenntnis der Arbeitskraft von zwei Pilgerreisenden schön, aber doch überraschend wäre.

    Kommt die Person häufiger mit Beratzungshilfe-Bedarf?

  • Ich bin bzw. war bei der Beratungshilfe zwar auch immer relativ streng, hier hätte ich aber kein Problem mit der Bewilligung (so denn die anderen Voraussetzungen vorliegen).

    Denn fast jede Angelegenheit ist doch eine persönliche Entscheidung.
    Gerade bei der Bewilligung bzw. Nichtbewilligung von Leistungen ist doch meist eine persönliche Entscheidung im Vorfeld, welche zu dieser Entscheidung der Behörde geführt hat.

    Der Diskussionsverlauf hier bestätigt die klugen Worte von rpfl_nds auch in Hinblick auf die Gewährung von Beratungshilfe. Daneben hilft ein Blick in das Gesetz auch in dieser Frage weiter.

    Der entsprechende Paragraf findet sich in § 7 (4a) SGB II.
    Hier werden mögliche Gründe der Ortsabwesenheit bei weiterem Bezug von Leistungen dargestellt. U.a. Teilnahme an
    "...Teilnahme an einer Veranstaltung, die staatspolitischen, kirchlichen oder gewerkschaftlichen Zwecken dient oder sonst im öffentlichen Interesse liegt,"
    (keine zeitliche Begrenzung der Ortsabwesenheit).
    Selbst bei dem Passus über den möglichen 3-wöchigen Urlaub handelt es sich um eine Soll-Bestimmung.


  • Eine Erfolgsaussicht der Rechtsausübung ist nicht zu prüfen. Die Inanspruchnahme von BerH ist nicht schon deshalb mutwillig, weil man ihr sehr geringe Erfolgsaussichten beimisst.
    Die beabsichtigte Rechtswahrnehmung ist auch nicht moralisch zu bewerten.

    In #10 wurde dankenswerterweise nun auch die Vorschrift die dem rechtlichen Problem zugrunde liegt aufgezeigt.

    Eine Mutwilligkeit vermag ich hier weiterhin nicht im Ansatz zu erkennen.

  • Eine Erfolgsaussicht der Rechtsausübung ist nicht zu prüfen. Die Inanspruchnahme von BerH ist nicht schon deshalb mutwillig, weil man ihr sehr geringe Erfolgsaussichten beimisst.
    Die beabsichtigte Rechtswahrnehmung ist auch nicht moralisch zu bewerten.

    In #10 wurde dankenswerterweise nun auch die Vorschrift die dem rechtlichen Problem zugrunde liegt aufgezeigt.

    Eine Mutwilligkeit vermag ich hier weiterhin nicht im Ansatz zu erkennen.

    Dem kann ich nur zustimmen. Eigentlich ist dieses Thema schon seit Jahren geklärt.

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!