Grunddienstbarkeit (Überbaurecht) bei Wohnungseigentum

  • Hallo,

    ich habe einen Antrag auf Eintragung einer Überbaudienstbarkeit.

    Dazu folgender Sachverhalt:
    Grdst. A: hieran soll Wohnungseigentum begründet werden
    Grdst. B: Nachbargrundstück (normal)

    Beide Grundstücke teilen sich eine Tiefgaragenzufahrt (Grundstücksgrenze verläuft genau mittig der Zufahrt) und ein Tiefgaratentor. Die Tiefgarage selbst wird auch entsprechend mittig durch die Grundstücksgrenze geteilt. (An der einen Hälfte wird damit Wohnungseigentum bzw. Teileigentum und Gemeinschaftseigentum gebildet, an der anderen Hälfte nicht, zumindest noch nicht). Für die Begründung des Wohnungseigentums ist der Überbau (bzw. Unterbau) der Tiefgarage meiner Ansicht nach unproblematisch, da keine Abgeschlossenheit zum Nachbarsgrundstück vorliegen muss.
    Für die jeweiligen Zufahrtshälften haben sich die Beteiligten Geh- und Fahrrechte bestellt, jeweils zulasten des anderen Grundstücks.
    Darüber hinaus wurde eine Grunddienstbarkeit für ein Überbaurecht zulasten des Grdst. A (an diesem wird WEG begründet) und zugunsten Grdst. B. betreffend des Tiefgaragentors bestellt. Dieses wird wie oben beschrieben mittig durch die Grenze geteilt, die Technik für das Tor, die sog. "Hebeanlage" befindet sich auf der Seite des Grdst. A.
    Voraussetzung für eine solche Dienstbarkeit wäre ja grds. ein Überbau, hier durch das Tor, als wesentlicher Bestandteil des Gebäudes.
    Hierbei habe ich mich gefragt, ob es sich bei diesem Tor überhaupt um einen wesentlichen Bestandteil handelt und nicht nur um Zubehör und die Dienstbarkeit damit inhaltlich unzulässig wäre.
    Und falls ein Überbau vorliegt, könnte man dann anhand der Dienstbarkeitsbestellung davon ausgehen, dass der Überbau nur von Grdst. B ausgeht und in diesem Fall die Teilungserklärung vollzogen werden?

    Hat hierzu zufällig jemand Ideen oder vielleicht einen solchen Fall schon einmal gehabt?

    Danke schonmal im Voraus. :)

  • Ein Garagentor ist für sich gesehen kein Gebäude im Sinne des § 912 BGB. Seine Entfernung würde nicht gegen das Werterhaltungsgebot des § 912 BGB verstoßen. Die Vorschrift des § 912 BGB will aber den Erhalt geschaffener wirtschaftlicher Werte erreichen. Daran fehlt es, wenn innerhalb der Grenzen errichtete Gebäudeteile ohne Wertverlust entfernt werden können. Wie Brückner im Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 912 RN 6 ausführt, gehören dazu auch Tore, die ohne Schaden für das Bauwerk beseitigt werden können. Ohnehin ist § 912 BGB nicht auf jede Überschreitung der Grundstücksgrenze, sondern nur auf eine solche durch das Gebäude und seine wesentlichen Bestandteile anwendbar. Bei dem Tiefgaragentor ist jedoch schon zweifelhaft, ob es sich überhaupt um einen wesentlichen Bestandteil handelt. Zum Gebäude führt der BGH im Urteil vom 22. Oktober 2021, V ZR 69/20, aus: „Was unter einem Gebäude im sachenrechtlichen Sinne zu verstehen ist, kann daher nicht rein begrifflich, sondern nur unter Einbeziehung der Zwecke dieser Vorschrift bestimmt werden, die auf eine Erhaltung wirtschaftlicher Werte und die Wahrung rechtssicherer Vermögenszuordnungen ausgerichtet ist (vgl. Senat, Urteil vom 27. März 2015 - V ZR 216/13, BGHZ 204, 364 Rn. 29; BGH, Urteil vom 17. November 2010 - VIII ZR 277/09, BGHZ 187, 311 Rn. 12; Urteil vom 3. Dezember 1998 - VII ZR 109/97, NJW 1999, 2434, 2435)“ „…Gebäude i.S.v. § 94 BGB sind zwar auch andere größere Bauwerke, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung wirtschaftlicher Werte bedeutete. Ein Bauwerk setzt in diesem Zusammenhang aber regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen „Gebautes“ von solcher Größe und Komplexität voraus, dass die Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte…“

    Das ist mE bei Beseitigung eines Tiefgaragentors nicht der Fall.

    Dagegen scheint mir die eigentliche Problematik des Überbaus über die Grundstücksgrenze hinaus mit dem Gebäude „Tiefgarage“ nicht gewürdigt zu sein.

    Wenn das Tiefgaragentor von einem auf das andere Grundstück hinüberragt, dann liegt die Tiefgarage selbst ja auf beiden Grundstücken. Das entspricht Deinen Ausführungen, wonach die Tiefgarage selbst mittig durch die Grundstücksgrenze geteilt wird. Die Zufahrt erfolgt dann über das eine Grundstück, die Abfahrt über das andere. Zur Absicherung der Zu- und Abfahrtsrechte sind demzufolge auch wechselseitige Grunddienstbarkeiten bestellt.

    Das ändert aber an den Eigentumsverhältnissen nichts.

    Für die Eigentumsverhältnisse, also hier die Zuordnung der in der TG befindlichen Stellplätze zu dem am Grundstück A zu begründenden Sondereigentum, kommt es darauf an, ob die Tiefgarage als einheitliches Bauwerk anzusehen ist. Das richtet sich nach der bautechnischen Beschaffenheit und wird in Zweifelsfällen nach funktionalen Gesichtspunkten beurteilt. Diese Grundsätze gelten auch beim Eigengrenzüberbau. Für die Bestimmung des Stammgrundstücks kommt es auch beim Eigengrenzüberbau grundsätzlich auf die Absichten des Erbauers an. Wenn dieser sich hierzu nicht geäußert hat, kann vermutet werden, dass die objektiven Gegebenheiten seinen Absichten entsprechen (Mössner im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand: 01.03.2021, § 94 BGB RN 37.3 unter Zitat BGH NJW 1990, 1791 (1792); 1975, 1553 (1555) mwN; OLG Frankfurt BeckRS 2006, 09187; OLG Köln ZMR 1996, 85 (86); krit. MüKoBGB/Stresemann Rn. 10..

    Die objektiven Gegebenheiten, nämlich der Umstand, dass nur am Grundstück A Wohnungs- und Teileigentum begründet wird und sich offenbar auch nur auf diesem Grundstück die Technik für die Tiefgarage befindet, sprechen aber dafür, das Grundstück A als Stammgrundstück festzustellen. Da Du ausführst, dass die Technik für das Tor, die sog. "Hebeanlage" sich auf der Seite des Grdst. A befindet, vermute ich jedenfalls, dass dies auch für die übrige Technik gilt. Dann aber wird das Grundstück A als Stammgrundstück festzustellen sein. Ist ein Stammgrundstück festzustellen, kann durch Überbaudienstbarkeiten die Zuordnung des gesamten Tiefgaragengebäudes zum Stammgrundstück erfolgen (siehe das Gutachten des DNotI im DNotI-Report 17/2021, 129 ff.
    https://www.dnoti.de/fileadmin/user…72021_light.pdf
    Dementsprechend müsste eine die Duldung des Überbaus aussprechende Grunddienstbarkeit zu Lasten des Grundstücks B und zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks A zur Eintragung bewilligt und beantragt werden. Eigentumsmäßig würde dann die Tiefgarage komplett zum Grundstück A gehören, so dass eine Grunddienstbarkeit zu Lasten des Grundstücks B und zugunsten des Grundstücks A, bestehend in der Duldung der Zu- und Abfahrt, ihre Eintragungsfähigkeit verlieren würde.

    Hat die Tiefgarage hingegen für beide Grundstücke jeweils eigene Versorgungseinrichtungen (Strom, Entlüftung); s. das hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1052188
    zitierte Urteil des BGH vom 15. 2. 2008, V ZR 222/06, dann kann an den an denjenigen TG-plätzen, die sich unter genauer Einhaltung der Grundstücksgrenze in dem aufstehenden Gebäude befinden, Sondereigentum begründet werden (s. die hier
    https://www.rechtspflegerforum.de/showthread.php…l=1#post1052105
    zitierten Entscheidungen des LG Bonn, MittRheinNotK 1982, 248 = MittBayNot 1983, 14; LG München I, MittBayNot 1988, 237; Marcel Sauren, Rpfleger 1985, 265/266; Röll, MittBayNot 1983, 3, 6 ff; LG Düsseldorf, MittRheinNotK 1985, 126 und Oppermann, „Grundstücksübergreifende Tiefgaragen bei Mehrhausanlagen - Zugleich zur Frage der Abgeschlossenheit von Stellplätzen in „offenen” Tiefgaragen“, DNotZ 2015, 662 ff. )

    Das entspricht dann dem vom KG im Beschluss vom 10.09.2019, 1 W 127/19,
    https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/KORE229272019
    entschiedenen Fall, bei dem ein Stammgrundstück nicht festzustellen war.

    Nach dieser Entscheidung ist es möglich, die Tiefgaragenausschnitte auf dem jeweiligen Grundstück separat zu betrachten und Teileigentum an den einzelnen Tiefgaragenstellplätzen zu begründen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:

    • Erstens darf kein Stammgrundstück erkennbar sein.
    • Zweitens muss sich der jeweilige Stellplatz vollständig auf dem jeweiligen Grundstück befinden.
    • Drittens muss die Abgeschlossenheit der jeweiligen Stellplätze bescheinigt werden

    (siehe dazu Bernhard, MittBayNot 4/2020, 343 ff
    https://www.notare.bayern.de/fileadmin/user…BayNot_4_20.pdf

    Bernhard verweist darauf, dass bei einer solchen Konstellation zum Teil gefordert werde, dass die jeweilige Tiefgarage unter dem Grundstück Gebäudeeigenschaft haben müsse, weshalb demnach zumindest eine eigene Statik für jeden Tiefgaragenteil angestrebt werden sollte (zum Beispiel Grenzwand mit Durchfahrtsöffnung oder Pfeilerreihen). Auch müsse die Kostentragung für die Erhaltung der Tiefgarage zwischen den Eigentümern der Sondereigentumseinheiten auf den verschiedenen Grundstücken geregelt werden.

    Vorliegend dürfte aber doch ein Stammgrundstück erkennbar sein, oder ?

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Aus den eingereichten Unterlagen kann meiner Meinung nach tatsächlich nicht sicher ein Stammgrundstück festgestellt werden, da für das Nachbargrundstück keine Pläne für der Gestaltung des anderen Tiefgaragenteils vorliegen. Ich werde vom Notar deshalb weitere Pläne/Glaubhaftmachungen anfordern, um feststellen zu können, ob hier ein Stammgrundstück erkennbar ist.

    Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung! Das hat mir wirklich sehr weitergeholfen. :)

  • Hallo,
    ich hätte bezüglich der Überbauthematik bei Wohnungseigentum eine grundsätzliche Frage:
    Liegt die Problematik des § 1 Abs. 4 WEG auch dann vor, wenn an dem überbauten Gebäude nur Gemeinschaftseigentum begründet wird (z.B. ein Gerätehaus, das in der Mitte durch die Grenze geteilt wird), auch wenn in der Vorschrift nur der Begriff "Sondereigentum" genannt wird, oder muss zwingend zumindest ein Teil des Gebäudes in Sondereigentum stehen, wie bei der oben beschriebenen Garage, oder muss sogar zwingend ein Teil des Sondereigentums räumlich auf dem anderen Grundstück liegen?

  • Wie Rapp im Staudinger, Neubearbeitung 2018, § 1 WEG RN 29 ausführt, gibt es zwei Ebenen, die zu betrachten sind: Einerseits ist von dem sachenrechtlichen Grundsatz der §§ 93, 94 BGB auszugehen, wonach der Eigentümer des Grundstücks auch Eigentümer des darauf errichteten Gebäudes ist, andererseits von dem wohnungseigentumsrechtlichen Verbot des § 1 Abs 4 WEG, wonach Wohnungseigentum nicht in der Weise begründet werden kann, dass das Sondereigentum mit Miteigentum an mehreren Grundstücken verbunden wird.

    Die Frage, in wessen Eigentum das über die Grundstücksgrenze gebaute Gebäude steht, stellt sich daher nicht nur dann, wenn an den Räumen in diesem Gebäude Sondereigentum begründet werden soll, sondern auch dann, wenn dieses Gebäude im Gemeinschaftseigentum verbleiben soll. Soll z. B. für einen Dritten an einem der Räume eine Dienstbarkeit (Wohnungsrecht) oder in einer hinübergebauten Scheune eine Dienstbarkeit bestehend in der Befugnis, eine Teilfläche zum Zwecke des Abstellens von Kraftfahrzeugen oder landwirtschaftlichen Gerätschaften zu benutzen, bestellt werden, dann muss der Eintragungsort für diese Dienstbarkeit feststehen, also die Überbauproblematik abgeklärt sein; (siehe dazu z.B. die Darstellung bei Zander in der BWNotZ 4/2017, 87 ff)
    https://www.notare-wuerttemberg.de/downloads/bwnotz_2017-4_web.pdf

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

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