Unrichtige Schließung des Erbbaugrundbuchs

  • Unrichtige Schließung des Erbbaugrundbuchs

    Im Grundstücksgrundbuch von Paradies Blatt 1 ist folgender Bestand eingetragen:
    BV 1: Paradies Flurstück 4711
    BV 2/ zu 1: 1/9 Miteigentumsanteil am Grundstück Paradies 4712

    Im Erbbaugrundbuch von Paradies Blatt 2 ist folgender Bestand eingetragen:
    BV 1: Erbbaurecht eingetragen auf dem im Grundbuch von Paradies Blatt 1 unter BV Nr.1 verzeichneten Grundstück Paradies Flurstück 4711 und unter BVNr. 2/ zu1 verzeichneten 1/9 Miteigentumsanteils an dem Grundstück Paradies 4712.

    Der 1/9 Miteigentumsanteil an dem Erbbaurecht entstand infolge weiterer Aufteilung des Erbbaurechts an dem Grundstück (4712 vormals Paradies 4701). Den 9 Erbbauberechtigten sollten damit die Stellplätze auf dem Erbbaurecht (an dem Grundstück 4712) zustehen.

    Nun hat der Erbbauberechtigte von Paradies Blatt 2 das Grundstück Paradies Blatt 1 erworben und die Aufhebung des Erbbaurechts bewilligt.
    Die Aufhebung des Erbbaurechtes wurde leider im Grundbuch eingetragen und dem jetzigen Grundstückseigentümer von Paradies Blatt 1 damit der Stellplatz weggenommen.

    Hat jemand eine Idee, wie die man hier wieder elegant aus der Affäre kommt, ohne alle Erbbauberechtigen und Grundstückseigentümer zu beteiligen?
    Eine Neuanlegung des aufgehobenen Erbbaurechtes dürfte ja nicht mehr möglich sein.:gruebel:

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • .....Die Aufhebung des Erbbaurechtes wurde leider im Grundbuch eingetragen und dem jetzigen Grundstückseigentümer von Paradies Blatt 1 damit der Stellplatz weggenommen....


    Wenn die Aufhebung des Erbbaurechts im Grundstücksgrundbuch eingetragen wurde, dann kann es doch eigentlich nur um die Eintragung der Löschung zu dem unter BV 1 gebuchten Erbbaurecht gehen (Spalte 6: 1; Spalte 7: Infolge Aufhebung des Erbbaurecht gelöscht am..).

    Der MEA BV 2/zu1 ist davon nicht betroffen. Da er nicht isoliert gebucht bleiben kann, sind er und die übrigen 8/9 MEA in einem neu anzulegenden Grundstücksheft zu buchen (s. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht; 16. Auflage 2020; RN 589)

    Wurde jedoch im Grundstücksheft auch der 1/9 MEA am Grundstück Fl.st. 4712 gelöscht, wäre er mangels Aufgabeerklärung (mal abgesehen davon, dass ein Miteigentumsanteil nicht aufgegeben werden kann (s. J. Weber im beck-online.GROSSKOMMENTAR, Stand 01.01.2022, § 928 BGB RN 6 mwN in Fußnote 10) wegen nachgewiesener Grundbuchunrichtigkeit nach § 22 GBO wieder zu buchen, und zwar zusammen mit den übrigen 8/9 MEA entsprechend § 3 Absatz 8 GBO.

    Eine andere Frage ist, ob die Mitbelastung des 1/9 MEA im Erbbaugrundbuch mit dem dort im BV Nr. 1 eingetragenen Erbbaurecht überhaupt zulässig war.

    Die hM lehnt dies ab. Otto führt dazu im BeckOK GBO, Hrsg. Hügel, Stand 01.06.2022, § 1 ErbbauRG, RN 51 aus: „Für den Sonderfall der Gesamtbelastung eines Grundstücks und des bei ihm als dienend mit gebuchten Miteigentumsanteils an einem Zuwegegrundstück (§ 3 Abs. 5 GBO) kann insoweit allerdings eine Ausnahme gemacht werden (Diekgräf DNotZ 1996, 338; Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Aufl. 2001, Rn. 63; anders die wohl hM BeckOK BGB/Maaß ErbbauRG § 1 Rn. 24; Lemke ImmobilienR/Czub ErbbauRG § 1 Rn. 4; MüKoBGB/v. Oefele/Heinemann ErbbauRG § 1 Rn. 29 je mwN“). Grziwotz verweist zur hM in Erman BGB, Kommentar, 16. Auflage 2020, § 1 ErbbauRG RN 4 auf „Schöner/Stöber Rn 1117 mwN“. Bei der Kommentierung von Schöner/Stöber, Grundbuchrecht; 16. Auflage 2020; RN. 1117 geht es um eine Grunddienstbarkeit. Dazu ist ausgeführt: „Ein ideeller Miteigentumsanteil (§§ 741, 1008 BGB) kann nicht mit einer Grunddienstbarkeit belastet werden,1014 auch nicht bei Buchung als Anteil an einem dienenden Grundstück nach § 3 Abs. 5, 6 GBO. Eine dennoch auf einem ideellen Miteigentumsanteil eingetragene Grunddienstbarkeit müsste als inhaltlich unzulässig gelöscht werden1015“.

    Wie auch immer: Das Erbbaurecht am 1/9 MEA am Grundstück 4712 ist gelöscht und kann auch nicht wieder hergestellt werden, weil es sich nach hM insoweit ohnehin um eine inhaltlich unzulässige Eintragung gehandelt hat.

    Das ändert aber nichts daran, dass das MEA am Grundstück noch besteht und ggf. (siehe oben) wieder zu buchen ist.

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Sorry. Aber ich glaube, ich haben den Sachverhalt vielleicht nicht umfassend erläutert. Aber ich freue mich sehr, dass Du schon geantwortet hast. Vielen lieben Dank! Ich versuche mich nochmal und hoffe, dass Du vielleicht eine Antwort hast:

    Also der Miteigentumsanteil ist noch im Grundstücksgrundbuch unter BV 2/ zu 1 eingetragen.
    Es sind das Erbbaurecht an dem Grundstück und das Erbbaurecht dem Miteigentumsanteil aufgehoben worden. Dies war auch der Denkfehler des Rpfl bei Aufhebung des Erbbaurechts. Es war also kein Miteigentumsanteil am Grundstück, der beim Erbbaurecht gebucht war, sondern alle Erbbauberechtigten haben neben ihrem Erbbaurecht auch noch ein Erbbaurecht an einem anderen Grundstück bzgl. ihrer 9 Miteigentumsanteile ("Stellplatzerbbaurecht"). Dies ist zusammen im Bestandsverzeichnis (jedenfalls noch bei den anderen 8 Erbbauberechtigten) - in einem Fließtext - gebucht. Die Aufhebung des Erbbaurechts war von dem Käufer des Grundstücks (ehemaliger Erbbauberechtigter) gewollt. Allerdings hat der Rechtspfleger nicht bei Aufhebung des Erbbaurechts bedacht, dass zwei Erbbaurechte und nicht ein Erbbaurecht nebst Miteigentumsanteil an einem Grundstück (Zuflurgrundstück) gebucht sind. Mit der Aufhebung des "Miteigentums/Stellplatz-erbbaurechts" haben die anderen 8 Miteigentümer nunmehr ihre Stellplätze verloren. Eine Neueintragung des Erbbaurechts hinsichtlich der Miteigentumserbbaurechts dürfte wohl nicht mehr in Betracht kommen, weil es vermutlich erloschen ist. Oder wie siehst Du das?
    Ich hoffe, ich habe den Sachverhalt diesmal verständlicher erklärt...:oops:

    Die Frage, ob die damalige Buchung überhaupt zulässig war, habe ich mir auch schon gestellt, weil auf dem "(Stellplatz-)Erbbaurecht" ja kein Bauwerk errichtet oder es ein Zuwegungsgrundstück ist.


    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

  • Danke für die Erläuterung. Ich hatte allerdings auch etwas durcheinander gebracht.

    Also: Es gibt neun Grundstücke, zu denen jeweils ein 1/9 MEA an dem Zuwegungsgrundstück gebucht ist. Gleichzeitig sind die Hauptgrundstücke und der 1/9 MEA am Zuwegungsgrundstück mit je einem Gesamterbbaurecht belastet.

    Zur Zulässigkeit dieser Konstellation berufen sich diejenigen Kommentare, die diese Zulässigkeit nicht von vornherein verneinen (siehe dazu die Darstellung im Gutachten des DNotI vom 31.12.2001, DNotI-Report 23/2001, 185-187
    https://www.dnoti.de/download/?tx_d…c9e9384999c86ba), auf die Abhandlung von Diekgräf in der DNotZ 1996, 338 ff. Diekgräf geht zwar grundsätzlich auch davon aus, dass die Bestellung eines isolierten Erbbaurechts am Zuwegungsgrundstück nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 ErbbauVO ausscheidet, weil die Zweckbestimmung des Zuwegungsgrundstücks allein in der Nutzung als Zuwegung liege und ein Erbbaurecht an einem Grundstück, das nicht bebaut werden soll, grundsätzlich nicht möglich sei. Die Zulässigkeit der Mitbelastung des Zuwegungsgrundstücks ergebe sich jedoch aus § 1 Abs. 2 ErbbauRG und der Bestimmung des § § 39 Abs. 2 SachenRBerG (Beitrittsgebiet). Danach könne unter bestimmten Voraussetzungen ein Grundstück in die Erbbaurechtsbestellung einbezogen werden, das nicht bebaut worden ist, wenn dieses als Nebenfläche i. S. des § 1 Abs. 2 ErbbauVO nutzbar sei. Auch sehe § § 6a GBO unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich die Eintragung eines Erbbaurechts an mehreren Grundstücken vor.

    Dem entspricht die Kommentierung von Linde/Richter, Erbbaurecht und Erbbauzins, 3. Auflage 2001, RN 63 (unter 2.1.3 Ideeller Anteil), indem dort ausgeführt ist: „„Grundsätzlich kann an einem ideellen Anteil an einem Grundstück kein Erbbaurecht begründet werden……Eine Ausnahme bildet -wie jüngst Diekgräf (DNotZ 1996, 338) überzeugend nachgewiesen hat- die Belastung eines Stammgrundstücks zusammen mit dem ideellen Miteigentumsanteil eines dazu gehörigen Zuwegungsgrundstücks (sog. Hammerstielgrundstück) mit einem Gesamterbbaurecht. Im Grundbuchverfahren ist dabei stets von der Möglichkeit des § 3 Absatz 5 GBO n.F. Gebrauch zu machen: Die Miteigentumsanteile an dem Wegegrundstück sind in den Grundbüchern der Stammgrundstücke zu verbuchen, erhalten also keine selbständige Grundbuchstelle (mehr)“

    Eine Beantwortung der Frage, was mit dem Erbbaurecht am Zuwegungsgrundstück passiert, wenn es das Erbbaurecht am Stammgrundstück nicht mehr gibt, habe ich allerdings in keinem Erbbaurechtskommentar gefunden.

    ME kann es dann, wenn das Erbbaurecht am Stammgrundstück entfällt, kein isoliertes Erbbaurecht am Zuwegungsgrundstück mehr geben. Die Situation kann nicht anders sein, als bei der Erstreckung nach § 1 Absatz 2 ErbbauRG. Auch dort entfällt mit der Löschung des Erbbaurechts die Ausübungsbefugnis auf dem für das Bauwerk nicht erforderlichen Grundstücksteil, auf den das Erbbaurecht nach § 1 Absatz 2 ErbbauRG erstreckt wurde. Wie Maaß im BeckOK BGB, Stand 01.05.2022, § 1 ErbbauRG RN 18 unter Zitat von BayObLG OLGRspr. 41, 165; KG DNotZ 1992, 312 (313) = NJW-RR 1992, 214; Ingenstau/Hustedt/Hustedt Rn. 42; Winkler/Schlögel Erbbaurecht § 2 Rn. 68, 72) ausführt, bildet die Erstreckung kein eigenständiges Rechtsverhältnis.

    Das muss dann auch beim ursprünglichen Gesamterbbaurecht so sein, wenn das Erbbaurecht, auf dem sich das Bauwerk befindet, aufgehoben wird. Denn dort wird davon ausgegangen, dass das Nebenflächengrundstück dem Stammgrundstück wirtschaftlich zu dienen bestimmt ist (Rapp im Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1 ErbbauRG RN 22 unter Zitat Diekgräf DNotZ 1996, 340). Ohnehin wurde das im Grundstücksheft in Abt. II eingetragene Erbbaurecht ja auch auf dem 1/9 MEA, der im BV unter 2/zu 1 eingetragen ist, gelöscht.

    Das hat dann für die restlichen 8/9 MEA an dem Erbbaurecht am Zuwegungsgrundstück zur Folge, dass nicht mehr ein Ganzes belastet ist. Damit wird das Erbbaurecht am Zuwegungsgrundstück -wie bei einer Grunddienstbarkeit, die nur noch auf Miteigentumsanteilen lastet- inhaltlich unzulässig, ist also von Amts wegen zu löschen. Die Absicherung der bisherigen Erbbauberechtigten an dem Zuwegungsgrundstück wird dann wohl nur über Grunddienstbarkeiten möglich sein (s. Diekgräf, DNotZ 1996, 338 ff).

    Lieber einen Frosch küssen als eine Kröte schlucken :)

  • Vielen lieben Dank für diese ausführliche Darstellung des Sachverhalts und die schnelle Antwort!:2danke

    Ich habe diese Antwort befürchtet, zumal uns im Kollegenkreis auch keine Lösung einfiel :konferenz.

    Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.
    (Georg Christoph Lichtenberg)

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