Erblasser letzter gewöhnlicher Aufenthalt in Brasilien

  • Hallo an Alle,

    ich habe einen Fall, bei dem ich ein bisschen Hilfe gebrauchen könnte.

    Mir wurde im Juli 2021 ein Testament eines deutschen Erblassers mit letzten gewöhnlichem Aufenthalt in Brasilien mit der Bitte um Eröffnung eingereicht. Internationale Zuständigkeit wurde mit 10 Abs. 1 lit a); Abs. 2 EUErbVO begründet. Der Erblasser war vor seiner Auswanderung 2006 in meinem Bezirk wohnhaft. Daher habe ich auch eröffnet.

    Inhalt des Testaments: Mein letzter Wille: Als Alleinerben bestimme ich hiermit Liesel ... für mein gesamtes Barvermögen, sowie Grundstück und Wohnung in Solingen.

    23.07.2007

    Liesel ist die geschiedene Ehefrau des Erblassers. Die Scheidung war jedoch vor Errichtung des Testaments.

    Der Rechtsanwalt hat auch ausgeführt, dass der Erblasser regelmäßigen Kontakt zu Liesel hatte und auch immer wieder nach Deutschland kam.

    In Brasilien hatte der Erblasser nochmal geheiratet. Die Ehefrau ist am 10.12.2020 nachverstorben. Der Erblasser war am 24.11.2020 verstorben.

    Die Ehefrau in Brasilien hat noch einen Sohn.


    Mir hat nun ein Notar einen Entwurf eines Erbscheinsantrags übersandt, der die geschiedene Ehefrau als Alleinerbin ausweisen soll und um Rückruf gebeten.


    Ich tu mich jetzt ein bisschen schwer mit der Sache, weil ich vor lauter Vorschriften glaub nicht mehr durchblicke.

    Grundsätzlich verweisen wird ja nach Brasilien zur Zuständigkeit und auch für das anzuwendende Erbrecht, aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Zum IPR im Brasilien hab ich ehrlich gesagt nicht viel gefunden, aber ich meine es so verstanden zu haben, dass auch dort an den Wohnsitz angeknüpft wird.

    Das wäre dann ja auch Brasilien.

    Jetzt stellt sich die die Frage, ob ich Art. 83 Abs. 4 EUErbVO heranziehe und das deutsche Testament, was vor der EU-ErbVO verfasst wurde als Rechtswahl für das deutsche Recht fingiere.

    Dann hätte ich aber ja wohl für den gesamten Nachlass deutsches Recht oder? Weil weder unser Recht noch das brasilianische eine Nachlassspaltung vorsieht. Das hat der Erblasser aber bestimmt nicht gewollt.

    Ich hab mir überlegt, ob ich einen gegenständlich beschränkten Erbschein für das in Deutschland belegene Vermögen erteilten könnte mit Liesel als Alleinerbin.

    Aber es ist die Frage, ob dies wirklich korrekt wäre hier mit der Alleinerbschaft. Oder ob ich denken kann, naja in Brasilien würde mein Erbschein im Zweifel eh nicht anerkannt werden und die machen im Zweifel dort eh ihr eigenes Verfahren.

    Der Notar möchte, dass ich den Sohn der Ehefrau des Erblassers in Brasilien anhöre und beteilige. Hier müsste ich dann doch zwingend das Testament und den Erbscheinsantrag übersetzen lassen oder?

    Und es ist natürlich die Frage, ob ich in Brasilien wirklich zustellen kann. Ich hab bisher keine Erfahrungswerte mit Brasilien bei Auslandszustellungen. Eine formlose Übersendung einfach mit der Post halte ich nicht für sinnvoll.


    Vielleicht kann mir bei meinem Wirrwarr im Kopf jemand helfen und hat ein paar Gedanken zu meinem Fall.

    Vielen Dank im Voraus schon mal.

  • Den Sohn würde ich auf jeden Fall beteiligen. Erstens weil er wahrscheinlich der Erbe der nachverstorbenen gesetzlichen Erbin sein dürfte und zweitens wenn Du davon ausgehst das deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt, kann er ggfls. noch als Erbe der nachverstorbenen Mutter deren Anfechtungsrecht nach § 2079 BGB ausüben.

  • Den Sohn würde ich auf jeden Fall beteiligen. Erstens weil er wahrscheinlich der Erbe der nachverstorbenen gesetzlichen Erbin sein dürfte und zweitens wenn Du davon ausgehst das deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt, kann er ggfls. noch als Erbe der nachverstorbenen Mutter deren Anfechtungsrecht nach § 2079 BGB ausüben.


    Ja da bin ich auch ganz bei dir. Aber grade deswegen müsste ich dann ja auch übersetzen lassen oder? Weil ich kann ja nicht davon ausgehen, dass der Sohn Deutsch versteht. Und wenn ich ihm das ganze auf deutsch schicke und denke, ja ist sein Problem, ist es dann ja auch nur so ne Pseudo Anhörung eigentlich.

  • Zunächst ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 10 Abs. 1 lit a) EUErbVO unproblematisch gegeben. Der Erbalsser hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der EU und war deutscher Staatsbürger. Auch die örtliche Zuständigkeit nach §342 Abs. 2 FamFG ist bei dir gegeben.
    Demnach bist du für die Entscheidung über den Erbscheinsantrag zuständig.

    Anzuwenden ist wegen Art. 84 Abs. 4 EUErbVO deutsches Erbrecht, wenn das Testament nach den Vorschriften des BGB errichtet wurde. Weil das Testament ja wohl auf deutsch verfasst wurde, würde ich wohl von der Anwendbarkeit und damit einer fingierten Rechtswahl ausgehen.
    Das gilt auch für den gesamten Nachlass. Ob es wegen des brasilianischen Rechts zu einer Nachlassspaltung kommt, kann ich nicht sagen.


    Ich hab mir überlegt, ob ich einen gegenständlich beschränkten Erbschein für das in Deutschland belegene Vermögen erteilten könnte mit Liesel als Alleinerbin.


    Das geht auf entsprechenden Antrag hin natürlich (§352c FamFG). Ob ein soclher Antrag zweckmäßig ist, ist Sache der Antragstellerin. Das dürfte darauf ankommen, ob in Brasilien der deutsche Erbschein anerkannt würde - dazu kann ich nichts sagen, hätte aber auch Zweifel-. Wenn dies nicht der Fall ist, wäre der gegenständlich beschränkten Erbschein zweckmäßig. Ich würde den Notar auf die Möglichkeit hinweisen.

    Der Erbschein ist m.E. einzig in Anwendung deutschen Rechts zu erteilen, weil nach dem hiesigen Recht (inkl. des IPR) für den gesamten Nachlass deutsches Recht gilt. Ob andere Staaten dies anerkennen ist für die hiesige Entscheidung m.E. irrelevant. Daher dürfte die Alleinerbenstellung wohl nicht fraglich sein.

    Der Notar möchte, dass ich den Sohn der Ehefrau des Erblassers in Brasilien anhöre und beteilige. Hier müsste ich dann doch zwingend das Testament und den Erbscheinsantrag übersetzen lassen oder?

    Und es ist natürlich die Frage, ob ich in Brasilien wirklich zustellen kann. Ich hab bisher keine Erfahrungswerte mit Brasilien bei Auslandszustellungen. Eine formlose Übersendung einfach mit der Post halte ich nicht für sinnvoll.

    Ich halte auch eine förmliche Auslandszustellung für sinnvoller. Ob sie zwingend ist weiß ich leider auch nicht genau.
    Auch wie das genau funktioniert (und ob) kann ich leider nicht sagen. Wenn sich an deinem Gericht keiner damit auskennt (und hier kein anderer zu helfen weiß), vielleicht mal bei den Kollegen eines großen Gerichts die mit Auslandszustellungen betraut sind nachfragen. Da kommen häufiger Auslandszustellungen vor.
    Bei der Auslandszustellung kann der Zustellungsempfänger ggf. die Annahme verweigern, wenn er keine Übersetzung bekommt. Ich weiß aber nicht wie genau da der Anwendungsbereich ist. Deshalb dürfte wohl eine Übersetzung zweckmäßig sein. Da würde ich aber versuchen jemanden zu fragen, der das häufiger macht.


  • Vielen Dank für deine Einschätzung!

    Auslandszustellung krieg ich denk hin. Ich mache bei uns auch die Auslandszustellungen im Inland und weiß zumindest wo ich suchen muss :)

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