Energiepreispauschale

  • Hallo,
    die bei Arbeitnehmern z.T. nun zu gewährende EPP wird insolvenzrechtlich zu nicht unerheblichen Problemen führen. Ausgezaht wird sie- sofern die Vorasusetzungen vorliegen, mit dem Septembergehalt.
    Die Problemstruktur insolvenzrechtlich erweist sich in mehracher Hinsicht:

    a) laufendes Verfahren
    Berechnung des pfädnbaren AE
    ggfls. KOntofreigaben
    b) aufgehobenes Verfahren
    Berechnung des pfändbaren AE

    Das könnte ein "heißer Herbst" werden, Ahrens (NJW-Spezial 2022, 341) und Wipperfürth (ZInsO 2022, 1665) halten die EPP für pfändbar. Für den Masseumfang würde dies bedeuten, dass diese nicht dem pfändbaren AE zuzurechnen wäre, sondern beim pfändbaren Einkommen "on top" käme.
    Nachstehend einige Gedanken zu der Problematik:

    Die EPP und wieder einmal gesetzgeberisches Desaster[FONT=&amp][1][/FONT]https://www.rechtspflegerforum.de/#_ftn1
    A. Einführung
    Die EPP wurde im Gesetzgebungsverfahren aufgrund der Initiative des Finanzausschusses in das Steuerentlastungsgesetz eingefügt (vgl. BT-Drs. 20/1765).
    Es könnte sich um einen „Gehaltszuschuss“, der nicht vom Arbeitgeber zu tragen ist, aber für die größte Fallgruppe der Arbeitnehmer von diesem als „Zahlstellte“ abzurechnen ist, handeln.
    Festzuhalten ist, dass es sich nicht um einen Bestandteil des Gehalts handeln, da die EPP nicht wegen geleisteter Dienste gezahlt wird. Damit unterfällt sie nicht der Lohnpfändung und auch nicht einer Lohnabtretung. Für das laufende Insolvenzverfahren ist mit dieser Erkenntnis wenig gewonnen, da § 35 InsO gilt (Nacherwerbsbeschlag). § 36 InsO hilft hier m.E, auch nicht weiter, da die darin in Bezug genommenen Vorschriften nicht einschlägig sind. Ebenfalls hilft § 765a ZPO nicht weiter, wenn es um die Auseinandersetzung zwischen Verwalter und Schuldner darum geht, ob Insoslvenzbeschlag gegeben ist. Ohne konkret vollstreckungsrechtliche Maßnahme/Gegenmaßnahme[FONT=&amp][2][/FONT] wäre ein entsprechender Streit vor dem Prozessgericht auszutragen.[FONT=&amp][3][/FONT]
    B. Bewertung
    Die rechtliche Einordnung der EPP macht mir immer noch Schwierigkeiten. Ich meine, dass es sich um eine Einmalgewährung einer Steuerminderung für Berufstätige handelt, die bei den Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber vorgenommen wird. Dies hindert m.E. die Einordnung als Sozialleistung. Die Einordnung als Sozialleistung wäre für die Praxis simpel, da diese allenfalls im Rahmen des § 54 SGB I pfändbar wäre, was aber wg. des Einmalcharakters vorliegend ausscheiden würde.[FONT=&amp][4][/FONT]
    Interessant dürfte sein, ob man die EPP mit Kindergeld vergleichen könnte[FONT=&amp][5][/FONT]. Bei letzterem handelt es sich ähnlich wie bei der EPP um eine Steuervergünstigung (sofern man mir hierin folgen mag bzgl. der EPP).
    Kindergeld stellt keine Sozialleistung in formellem Sinne dar, eine sondern eine einkommensteuerrechtliche Förderung der Familie durch eine Sozialzwecknorm (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 III B 167/06, BFH/NV 2007, 865).
    Aus dem sozialzwecknormgerichteten Charakter ließe sich m.E. die Unpfändbarkeit herleiten.

    C. BMF zur Thematik[FONT=&amp][6][/FONT]https://www.rechtspflegerforum.de/#_ftn6
    I. BMF
    Das Bundesministerium der Finanzen hat mit den obersten Finanzbehörden der Länder die FAQs zur Energiepreispauschale (EPP) aktualisiert (Stand: 20.07.2022). Es werden Fragen beantwortet u.a. zur Anspruchsberechtigung, zur Festsetzung mit der Einkommensteuerveranlagung, zur Auszahlung an Arbeitnehmer durch Arbeitgeber, zum Einkommensteuer-Vorauszahlungsverfahren und zur Steuerpflicht.

    https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/FAQ…spauschale.html
    VI. Auszahlung an Arbeitnehmer durch Arbeitgeber
    27. Ist die EPP als Arbeitslohn pfändbar?
    Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich.

    XI. Nichtberücksichtigung als Einkommen bei Sozialleistungen
    Ist die EPP bei einkommensabhängigen Sozialleistungen als Einkommen zu berücksichtigen?
    Nein. Die EPP ist bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da die EPP ebenfalls eine staatliche Sozialleistung darstellt.

    II. Stellungnahme
    Die Aktion des BMF als Rechtserkenntnisquelle könnte grds. fraglich sein, einmal unabhängig von der Richtigkeit der mitgeteilten Auffassung. Die Jurisdiktion ist nicht an Exekutiveinrichtungen gebunden, sofern wir uns außerhalb von Rechtsverordnungen bewegen.[FONT=&amp][7][/FONT]
    Die sub VI. Rz. 27 gemachte Äußerung ist juristisch zutreffend, dies ergibt sich trotz aller Unklarheiten zur Rechtsnatur der EPP bereits durch die Abstraktion von den geleisteten Diensten.
    Die sub XI. gemachte Äußerung mag im ersten Satz ja oki sein, aber die Qualifizierung als Sozialleistung ist mir nicht verständlich, da die EPP ähnlich dem Kindergeld ausgestaltet ist, was wiederum keine Sozialleistung „im formellen Sinne“ darstellt, auch wenn es eine entsprechende Funktion erfüllt.


    D. Ergebnis:

    EPP ist „wie“ eine Sozialleistung zu behandeln, die wegen der Einmalgewährung einer Zusammenrechnung unzugänglich ist.


    [FONT=&amp][1][/FONT] Das Desaster folgt daraus, dass der Gesetzgeber des Steuerentlastungsgesetzes 2022 die Verschuldung von Haushalten komplett ausblendet !

    [FONT=&amp][2][/FONT] Z.B. Freigabeantrag zgl. P-Konto.

    [FONT=&amp][3][/FONT] Vgl. Beschluss vom 7.4.2016–IX ZB 89/15- m..Anm. Henning in https://www.soziale-schuldnerberatung-hamburg.de/2016/bgh-der-s…ht-auszutragen/
    ; BGH B. v. 11.05.2010 -IX ZB 268/09-;

    [FONT=&amp][4][/FONT] @ ....: Sozialleistungen können sehr wohl pfändbar sein…. :D

    [FONT=&amp][5][/FONT] @ ....: danke für den Hinweis !

    [FONT=&amp][6][/FONT] @ ...: Danke für den Hinweis !

    [FONT=&amp][7][/FONT] Wobei die Bindung auch keine strikte ist, aber dies bedarf einer weiteren Erläuterung hier nicht.

    Viel "Spass" beim Lesen und ich bin mal gespannt.

    PS: es wird wohl kurzfristig noch ein Aufsatz erscheinen (nein, nicht von mir) der von der Unpfändbarkeit ausgeht....
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  • Hier ein Zitat von der Seite des Bundesfinanzministeriums (hast Du wahrscheinlich auch gefunden):
    "27. Ist die EPP als Arbeitslohn pfändbar?
    Die EPP ist von einer Lohnpfändung nicht umfasst, da es sich arbeits- und sozialversicherungsrechtlich nicht um „Arbeitslohn“ oder „Arbeitsentgelt“ handelt. Die steuerrechtliche Einordnung der EPP als Arbeitslohn ist insoweit unbeachtlich."

    Ich sehe da einen Widerspruch. Ist es kein Arbeitslohn, dann fehlt der Pfändungsschutz doch vollkommen. Das ist auch nur konsequent, denn es ist (so wie ich das verstehe) eine vorweggenommene Einkommenssteuerrückerstattung. Im laufenden Verfahren ist also der Beschlag drauf, bei Aufhebung ist der Beschlag aufrecht zu halten, in der WVP ist es nicht von der Abtretung umfasst und steht dem Schuldner zu. (*Ironie an* bei unserer aktuellen Regierung könnte man das vielleicht als Gewinn bei einem Spiel mit Gewinnmöglichkeit ala 295 Nr. 2 InsO sehen, dann ist sie voll an den TH herauszugeben *Ironie aus*).

    Eine Sozialleistung sehe ich beim besten willen nicht.

  • ... Ich meine, dass es sich um eine Einmalgewährung einer Steuerminderung für Berufstätige handelt, die bei den Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber vorgenommen wird. Dies hindert m.E. die Einordnung als Sozialleistung. Die Einordnung als Sozialleistung wäre für die Praxis simpel, da diese allenfalls im Rahmen des § 54 SGB I pfändbar wäre, was aber wg. des Einmalcharakters vorliegend ausscheiden würde.[FONT=&amp][4][/FONT]
    ...
    D. Ergebnis:

    EPP ist „wie“ eine Sozialleistung zu behandeln, die wegen der Einmalgewährung einer Zusammenrechnung unzugänglich ist.

    Also dein Ergebnis wäre damit Unpfändbarkeit gem. § 54 Abs. 2 SGB I (analog?)?

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • naja, nach dem BMF handelt es sich um eine staatliche Sozialleistung. Dann käme ja § 54 II SGB zum Zuge (Pfändbarkeit nur bei Billigkeit).

    Ich fand auch sehr schön die Antwort vom BMJ auf Anfrage einiger Schuldnerberatungsstellen zu dieser Frage: sie seien in erster Linie mit Fragen der Gesetzgebung befasst und würden neue Gesetze und Verordnungen entwerfen, können aber keine Rechtsberatungen übernehmen. Die Unpfändbarkeit der EPP sei nicht ausdrücklich geregelt. Sie könnte sich aus § 851 ZPO (zweckgebunden) ergeben. Aber ob die wirklich nach § 851 ZPO geschützt ist, entscheide dann das Vollstreckungsgericht.

    ich sage mal so: finde den Fehler ;)! Also die, die das eigentlich festlegen müssten, überlassen das lieber den 638 Vollstreckungsgerichten in Deutschland. Die juristischen Zeitungen werden also wieder voll sein von Entscheidungen in allen Richtungen. Ich frage mich wirklich, was soll das??

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Also die, die das eigentlich festlegen müssten, überlassen das lieber den 638 Vollstreckungsgerichten in Deutschland.

    Bisher hat sich das Niveau an Gesetzgebung nur in immer unverständlicheren Gesetzestexten niedergeschlagen. Dies allerdings ist eine Bankrotterklärung. [Aber wieso habe ich naive Bürgerin überhaupt geglaubt, Gesetzesentwürfe würden einem komplexen Denk- und Entscheidungsprozess unterliegen.]

    "Für das Universum ist die Menschheit nur ein durchlaufender Posten."

  • Die Energiepreispauschale steht in der langen Tradition hochwertiger Gesetzgebung zu Entlastungspaketen (man denke nur an Klassiker wie die Coronasoforthilfe für Soloselbstständige, die Coronazulage für Angestellte und den Coronakinderbonus) :beifallkl

    Meiner Meinung nach hat es der Gesetzgeber dieses Mal wirklich geschafft, etwas zu konstruieren, das man guten Gewissens unter keine Pfändungsschutznorm packen kann. Wir haben weder eine ausdrückliche Regelung über die Unpfändbarkeit, noch ist die Leistung im engeren Sinne zweckgebunden (anders als die Coronasoforthilfe kann ich die EPP für alles ausgeben, was ich will).

    Dass es sich um eine Sozialleistung handelt, würde ich ausschließen, da die Pauschale ohne Prüfung der Bedürftigkeit ausgezahlt wird, eine Anspruchsberechtigung allerdings nur für Arbeitnehmer besteht. Die allermeisten Sozialhilfeempfänger sind somit grundsätzlich gar nicht anspruchsberechtigt (etwas anderes dürfte nur in Aufstockungsfällen gelten).

    Daher dürfte der Ansatz, dass es sich rechtlich um eine Ermäßigung der Lohnsteuer handelt, wohl am zutreffendsten sein. Hierfür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die Pauschale im Einkommenssteuergesetz geregelt ist.

    Auch den Vergleich mit dem Kindergeld finde ich nicht wirklich zielführend, da es für dieses (anders als für die Energiepreispauschale) explizite Regelungen für den Pfändungsschutz gibt (§ 54 Abs. 5 SGB I u. § 902 S.1 Nr. 5 ZPO).

  • Die Energiepauschale steht in der langen Tradition hochwertiger Gesetzgebung zu Entlastungspaketen (man denke nur an Klassiker wie die Coronasoforthilfe für Soloselbstständige, die Coronazulage für Angestellte und den Coronakinderbonus) :beifallkl

    Meiner Meinung nach hat es der Gesetzgeber dieses Mal wirklich geschafft, etwas zu konstruieren, das man guten Gewissens unter keine Pfändungsschutznorm packen kann. Wir haben weder eine ausdrückliche Regelung über die Unpfändbarkeit, noch ist die Leistung im engeren Sinne zweckgebunden (anders als die Coronasoforthilfe kann ich die EPP für alles ausgeben, was ich will).

    Dass es sich um eine Sozialleistung handelt, würde ich ausschließen, da die Pauschale ohne Prüfung der Bedürftigkeit ausgezahlt wird, eine Anspruchsberechtigung allerdings nur für Arbeitnehmer besteht. Die allermeisten Sozialhilfeempfänger sind somit grundsätzlich gar nicht anspruchsberechtigt (etwas anderes dürfte nur in Aufstockungsfällen gelten).

    Daher dürfte der Ansatz, dass es sich rechtlich um eine Ermäßigung der Lohnsteuer handelt, wohl am zutreffendsten sein. Hierfür spricht nicht zuletzt der Umstand, dass die Pauschale im Einkommenssteuergesetz geregelt ist.

    Auch den Vergleich mit dem Kindergeld finde ich nicht wirklich zielführend, da es für dieses (anders als für die Energiepreispauschale) explizite Regelungen für den Pfändungsschutz gibt (§ 54 Abs. 5 SGB I u. § 902 S.1 Nr. 5 ZPO).

    Also hiergegen würde ich anführen, dass die Unpfändbarkeit gem. § 851 ZPO/die Unübertragbarkeit nach § 399 BGB sich nicht auf Fälle einer Zweckbindung beschränkt sondern die Leistung auch dann unübertragbar/unpfändbar ist "wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann". Das würde ich hier annehmen bei einer Leistung, die unter Anwendung der persönlichen Lohnsteuermerkmale (hier: Auszahlung durch AG) als "Sozialleistung" ausgezahlt wird, um die gestiegenen Kosten der Fahrt zur Arbeitsstätte zu kompensieren. Gerade im Fall der Auszahlung über den Arbeitgeber im September 2022 geht es ja gerade um einen kurzfristigen Ausgleich der gestiegenen Wegekosten. Wenn die EPP einem Pfändungsgläubiger zufließt, wird der Zweck der Sozialleistung verfehlt, wäre der Inhalt der Leistung verändert.

    Auch soll sich die soziale Komponente daraus ergeben, dass die Zahlung bei einer Auszahlung durch den Arbeitgeber den jeweiligen Lohnsteuerabzügen ausgesetzt ist und bei einer Zahlung über die Einkommensteuerveranlagung dem persönlichen Steuersatz unterliegt. Somit wirken sich soziale Komponenten (Kinder, Familienstand, Freibeträge) durchaus aus. Auch sieht das Gesetz vor, dass die EPP bei einkommensabhängigen Sozialleistungen unberücksichtigt bleibt.

    Rentner/Sozialhilfeempfänger sind außen vor, dass es sich um eine Sozialleistung zur Kompensierung der gestiegenen Kosten für die Fahrten zwischen Wohnungs- und Arbeitsstätte handelt.

    Um eine Lohnsteuerermäßigung handelt es sich auf keinen Fall. Ich gehe davon aus, dass du Steuervergütung meinst.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Das bedeutet- eine Übertragung an eine andere Person kann nicht erfolgen, denn dann würde diese Bevölkerungsgruppe nicht entlastet.

    Das bedeutet: nicht pfändbar.

    Das bedeutet für mich Kontofreigabe gemäß 850 f I Nr. 2 (besondere Bedürfnisse des Schuldners- die hier bereits durch die Bundesregierung festgestellt wurden).

    Sollte mich mein Landgericht aufheben, wovon ich nicht ausgehe- ich werde es dann hier mitteilen.

  • Naja, rein formal dürfte § 850f ZPO nicht möglich sein, da es eben kein Arbeitseinkommen ist. Aber mal gucken, was bei Dir dann passiert.

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  • Das bedeutet für mich Kontofreigabe gemäß 850 f I Nr. 2 (besondere Bedürfnisse des Schuldners- die hier bereits durch die Bundesregierung festgestellt wurden).

    Das überzeugt dogmatisch nicht. §850f Abs. 1 Nr. 2 setzt voraus, dass das Bedürfnis konkret und aktuell vorliegt und außergewöhnlich in dem Sinne ist, dass es bei den meisten Personen in vergleichbarer Lage nicht auftritt (vgl. BGH, IX ZB 35/08). Das ist hier garantiert nicht der Fall. §850f ZPO scheidet aus.

    Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen. Das bedeutet- eine Übertragung an eine andere Person kann nicht erfolgen, denn dann würde diese Bevölkerungsgruppe nicht entlastet.

    Die EEP wird pauschal gewährt unabhängig davon, ob eine tatsächliche (Mehr-)Belastung überhaupt besteht. Wenn ich im Homeoffice arbeite oder zu Fuß zur Arbeit gehe habe ich keine Mehrkosten für die Wegstrecke. Bahnfahrer hatten zuletzt sogar weniger Kosten (so auch zutreffend: Ahrens, NJW-Spezial 2022, 341). Eigentlich haben vor allem Autofahrer Mehrkosten.

    Gerade im Fall der Auszahlung über den Arbeitgeber im September 2022 geht es ja gerade um einen kurzfristigen Ausgleich der gestiegenen Wegekosten. Wenn die EPP einem Pfändungsgläubiger zufließt, wird der Zweck der Sozialleistung verfehlt, wäre der Inhalt der Leistung verändert.

    Wie zuvor gesagt besteht eine solche Zweckbindung eigentlich nicht, weil es auf das Vorhandensein von Mehraufwendungen gar nicht ankommt. Zumal ich vermute, dass der Teil der Leute die keine konkreten Mehraufwendungen haben gar nicht so klein ist (das kann ich aber nicht vernünftig beurteilen).

    Meiner Meinung nach hat es der Gesetzgeber dieses Mal wirklich geschafft, etwas zu konstruieren, das man guten Gewissens unter keine Pfändungsschutznorm packen kann.

    So sehe ich das auch. Das Ganze ist also definitiv ein gesetzgeberisches Fiasko, wenn die EEP pfandfrei gestaltet werden sollte (was ich eigentlich schon glaube). Im Notfall hat man natürlich noch §765a ZPO, der aber eine einzelfallbezogene Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen erfordert.

  • So sehe ich das auch. Das Ganze ist also definitiv ein gesetzgeberisches Fiasko, wenn die EEP pfandfrei gestaltet werden sollte (was ich eigentlich schon glaube). Im Notfall hat man natürlich noch §765a ZPO, der aber eine einzelfallbezogene Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen erfordert.


    § 765a ZPO im Insolvenzverfahren ist aber sehr glattes Eis, vergl. nur IX ZB 34/06 und die vom Schuldner verlangte Hinnehmbarkeit von Härten: "Im Übrigen begründet die Pfändung von Einkünften, die nicht nach den Bestimmungen der §§ 850 ff ZPO unpfändbar sind, grundsätzlich keine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO; dies selbstdann nicht, wenn dies dazu führt, dass der Schuldner Sozialhilfe zur Sicherungdes Lebensunterhalts in Anspruch nehmen muss (BGHZ 161, 371, 374)". Hier würde sich die Katze allenfallenfalls in den Schwanz beißen, wenn die EPP selbst eine Sozialleistung wäre.

    Auch hilft IX ZB 77/08 nicht weiter:
    Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148Abs. 2 InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit desSchuldners erforderlich ist.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • Ich wollte auch nicht behaupten, dass §765a ZPO besonders erfolgversprechend ist;), sondern nur darauf hinweisen, dass dieser in besonderen Einzelfällen noch verbleibt.
    Die Hürden des §765a ZPO sind sehr hoch. Da kann es natürlich nicht allein reichen, dass konkret Mehraufwendungen bestanden.

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Auch Arbeitnehmer mit Kinder werden bei der Einkommenssteuer besser gestellt, um sie zu entlasten. Trotzdem fällt die Steuererstattung voll in die Masse, kommt also gerade nicht den Kindern zugute. EPP ist pfändbar.

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Auch Arbeitnehmer mit Kinder werden bei der Einkommenssteuer besser gestellt, um sie zu entlasten. Trotzdem fällt die Steuererstattung voll in die Masse, kommt also gerade nicht den Kindern zugute. EPP ist pfändbar.

    Ich wundere mich so und so immer über solche Argumente. Es bedeutet doch immer eine Entlastung wenn ich zusätzliches Geld habe um meine Gläubiger zu befriedigen. Da ist es doch völlig egal ob ich den zukünftigen Urlaub bezahle, die zukünftige Miete oder einen ganz alten Kredit.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Auch Arbeitnehmer mit Kinder werden bei der Einkommenssteuer besser gestellt, um sie zu entlasten. Trotzdem fällt die Steuererstattung voll in die Masse, kommt also gerade nicht den Kindern zugute. EPP ist pfändbar.

    Ich wundere mich so und so immer über solche Argumente. Es bedeutet doch immer eine Entlastung wenn ich zusätzliches Geld habe um meine Gläubiger zu befriedigen. Da ist es doch völlig egal ob ich den zukünftigen Urlaub bezahle, die zukünftige Miete oder einen ganz alten Kredit.


    Weiterer Fall, der hier viel näher liegt: Pendlerpauschale. Dient auch der Entlastung des Arbeitnehmers für seine Aufwendungen durch den Weg zur Arbeit. Kommt auch nicht beim Schuldner an.

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Auch Arbeitnehmer mit Kinder werden bei der Einkommenssteuer besser gestellt, um sie zu entlasten. Trotzdem fällt die Steuererstattung voll in die Masse, kommt also gerade nicht den Kindern zugute. EPP ist pfändbar.

    Ich wundere mich so und so immer über solche Argumente. Es bedeutet doch immer eine Entlastung wenn ich zusätzliches Geld habe um meine Gläubiger zu befriedigen. Da ist es doch völlig egal ob ich den zukünftigen Urlaub bezahle, die zukünftige Miete oder einen ganz alten Kredit.


    Weiterer Fall, der hier viel näher liegt: Pendlerpauschale. Dient auch der Entlastung des Arbeitnehmers für seine Aufwendungen durch den Weg zur Arbeit. Kommt auch nicht beim Schuldner an.

    Das stimmt doch nicht. Alle Gelder kommen beim Schuldner an. Nur er darf sie nicht verteilen sondern das macht der Insolvenzverwalter. Allen anderen Schuldner, die keine Insolvenzschuldner sind, machen das selber. Und wenn man was selber macht ist das natürlich billiger.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Das kann man meiner Meinung nach aber nicht vergleichen, weil die Pendlerpauschale im Grunde genommen nur ein Berechnungsfaktor für die Ermittlung der Einkommensteuerschuld ist.

    Ganz genau. Die Pendlerpauschale ist nur ein Puzzlestück, um die Einkommensteuer (übrigens ohne "Fugen-s") gemäß der individuellen Leistungsfähigkeit festzusetzen. Im übrigen kann ein Schuldner durchaus auch die Pendlerpauschale im Rahmen eines Antrags auf Lohnsteuerermäßigung berücksichtigen lassen und so trotz eventueller Pfändung des Einkommensteuererstattungsanspruchs unmittelbar von der Pendlerpauschale profitieren.

    Bei der EPP handelt es sich um die direkte Zahlung einer Steuervergütung. Gesetzesbegründung: "Die sprunghaft und drastisch gestiegenen Energiekosten sorgen für echte Härten, die mit der Energiepreispauschale kurzfristig und sozial gerecht abgefedert werden. ... Dies ist ein Ausgleich für die kurzfristig und drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen." Meiner Meinung nach sollen damit auch verschuldete Erwerbstätige kurzfristig und sozial gerecht unmittelbar einen Ausgleich für die Mehraufwendungen bekommen. Wer seinen Unterhalt lediglich aus den Beträgen unterhalb der Pfändungsfreigrenzen bestreitet, den erreicht die EPP nicht, wenn diese an Pfändungsgläubiger gehen.

    ... denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. Römer 13,6

  • Die EPP soll die entsprechenden Bevölkerungsgruppen entlasten, das bedeutet, sie soll bei Ihnen auch tatsächlich ankommen.

    Das bedeutet- eine Übertragung an eine andere Person kann nicht erfolgen, denn dann würde diese Bevölkerungsgruppe nicht entlastet.

    Das bedeutet: nicht pfändbar.

    ...

    Die Aussage im zweiten Satz halte ich nicht für zwingend und den Schluss auch nicht.

    Weshalb sollte ein Schuldner die EPP nicht an eine andere Person (z. B. einen Gläubiger) übertragen/abtreten/zahlen können, um seine Verbindlichkeiten bei der anderen Person zu mindern? :gruebel:
    Dadurch tritt auch eine Entlastung des Beziehers der EPP ein.

  • Das man mit dem Totschlagsargumenten §§ 242 BGB, 765a ZPO hier nicht weiterkommt, möchte ich mal den "Auffangparagraphen" § 850i ZPO in den Ring werfen. In der letzten Zeit hat der BGH viele tolle Entscheidungen gefasst, was man so alles unter § 850i ZPO subsummieren kann. IX ZB 21/19, IX ZB 25/20.

    Das setzt jedoch erst einmal einen Antrag des Schuldners voraus. :teufel:

    weiterhin ist lediglich geklärt, was passiert, wenn der IV die EPP auf seinem Anderkonto vereinnahmt. Das Procedere für ein Sonderkonto hat der IV offengelassen, IX ZB 25/20, Rn. 17.

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

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