Zuständigkeitsabgrenzung Richter/Rechtspfleger

  • Liebe Kolleg(inn)en,

    wir könnten Eure Hilfe mal echt gut gebrauchen.

    Bei einem (bayr.) Nachlassgericht ist ein ES-Antrag eingegangen, nach dem ausländisches Recht (nicht-EU) Anwendung findet, und der etliches an „Komplikationen“ bietet, die hier nicht so erfreulich sind wie bei Taschenuhren.
    Verfügung des Richters: „Vorlage an Rpfl. z.w.V. und mit der Bitte um Vorlage an Richter bei Entscheidungsreife“
    Auf Nachfrage des Rpfls. (der sich eigtl. völlig unzuständig sieht), wie denn der RPfl. feststellen solle, wann nach Ansicht des Richters Entscheidungsreife vorliege (eine Zurückweisung des Antrags aufgrund möglicher Mängel wäre ja auch eine Entscheidung), antwortet der Richter:
    „Entscheidungsreife liegt vor, wenn das Verfahren durchgeführt ist (rechtl. Gehör, Vorlage aller Urkunden etc.). Falls das Verfahren durchgeführt ist und es zur Entscheidung ansteht, mag Vorlage an den Richter erfolgen, der dann entscheidet.“

    § 16 RPflG Nachlass- und Teilungssachen; Europäisches Nachlasszeugnis
    (1) In Nachlass- und Teilungssachen bleiben dem Richter vorbehalten […]
    6. die Erteilung von Erbscheinen […], sofern […] die Anwendung ausländischen Rechts in
    Betracht kommt

    § 1a AufhRiVbV (Bayern)
    (1) Die im Rechtspflegergesetz bestimmten Richtervorbehalte werden aufgehoben, soweit sie folgende Geschäfte betreffen, wenn nicht die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt: […]
    3. nach § 16 Abs. 1 Nrn. 6 und 7 RPflG […]


    Aber wo steht, dass zu der „Erteilung von Erbscheinen“ auch das vorangegangene Verfahren mit Zwischenverfügungen etc. gehört, wenn der Richter (der übrigens auch der Ansicht ist, eine Verfügung zu dem von ihm erlassenen Erbschein Sache des Rechtspflegers ist) meint, mit „Erteilung von Erbscheinen“ sei nur die letztendliche Entscheidung an sich gemeint?


    Die Krönung: Der Richter hat nun per Beschluss gem. § 7 RPflG die Zuständigkeit des Rechtspflegers bestimmt - mit Ausnahme der Entscheidung am Schluss, die sich der Richter selbst vorbehält. ergänzt am 08.09.2022

    Geht das überhaupt bei Verfahren, die gar nicht auf den Rechtspfleger übertragen wurden? Okay, § 8 IV Satz 2 RPFlG ist bekannt- aber könnte so nicht ein Richter einfach ALLES dem RPfl zuweisen? Was könnte man einem solchen Vorgehen entgegensetzen?

    Was würdet Ihr tun? Wie würdet Ihr argumentieren?

    DANKE schonmal für alle Hilfe!

    3 Mal editiert, zuletzt von Joy (8. September 2022 um 11:15)

  • Ich würde mich an der Rechtsprechung zur fehlenden Bindungswirkung von willkürlichen Verweisungsbeschlüssen orientieren. Auf der anderen Seite lagen mal bei einem Amtsgericht ein Jahr alle Akten still, weil sich ein Richter und ein Rechtspfleger um die Zuständigkeit stritten. Das ist für die Beteiligten kaum zu verstehen und ich habe mich damals auch sehr gewundert.

    Als Beteiligter würde ich einen Befangenheitsantrag stellen, wenn ich davon erfahren würde, dass der Richter seine Arbeit nicht machen will.

  • Ich würde mich an der Rechtsprechung zur fehlenden Bindungswirkung von willkürlichen Verweisungsbeschlüssen orientieren.

    Das ist ein interessanter Ansatz.

    Wenn der Beschluss, mit dem der Richter gemäß § 7 RpflG über die Zuständigkeit entschieden hat, den Vefahrensbeteiligten noch nicht bekannt gegeben wurde, würde ich das nachholen.

    Der Beschluss nach § 7 RpflG ist mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht anfechtbar. Aber wie sieht es denn mit einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter aus?

    "Auf hoher See und vor Gericht UND IN DER KLAUSUR ist man in Gottes Hand."
    Zitat Josef Dörndorfer

  • Vielen Dank schonmal für die bisherigen Antworten! Da war schon Hilfreiches dabei.

    Leider ist so ziemlich alles, was eine Aktion der Verfahrensbeteiligten erfordert, in diesem Fall nicht anwendbar, denn denen ist es ziemlich egal, wer welche Bearbeitungsschritte ausführt- die wollen nur möglichst schnell ihren Erbschein (was ja verständlich ist), und dass man ihnen da "was stecken" würde, käme ja so absolut gar nicht in Frage.

    Wer würde denn überhaupt darüber befinden, ob ein Beschluss des Richters nach § 7 RPflG willkürlich war oder nicht? Und was heißt da schon willkürlich, wenn es ihm doch durch diese Vorschrift ermöglicht wurde, alles Erdenkliche dem RPfl zuzuschreiben?

    Kann jemand noch was zu der Frage beisteuern, wie § 7 RPflG mit dem Weglassen des früheren § 25 RPflG zur vorbereitenden Tätigkeit des RPfls zusammenpasst?
    (Kann der Richter über den § 7 überhaupt nur die vorbereitende Tätigkeit auf den RPfl übertragen, sich aber die Entscheidung vorbehalten?)

    Bei der von KlausR genannten Entscheidung (danke!) wird u.a. "BayObLGZ 1980, 191" angeführt- das kann allerdings nicht richtig sein, denn das führt zu einer Entscheidung zur Beschränkung bei Vornamensgebung. Hat jemand eine Idee, welche Entscheidung da wirklich gemeint war?

  • Vielen Dank schonmal für die bisherigen Antworten! Da war schon Hilfreiches dabei.


    Wer würde denn überhaupt darüber befinden, ob ein Beschluss des Richters nach § 7 RPflG willkürlich war oder nicht? Und was heißt da schon willkürlich, wenn es ihm doch durch diese Vorschrift ermöglicht wurde, alles Erdenkliche dem RPfl zuzuschreiben?

    Kann jemand noch was zu der Frage beisteuern, wie § 7 RPflG mit dem Weglassen des früheren § 25 RPflG zur vorbereitenden Tätigkeit des RPfls zusammenpasst?
    (Kann der Richter über den § 7 überhaupt nur die vorbereitende Tätigkeit auf den RPfl übertragen, sich aber die Entscheidung vorbehalten?)

    Ich weiß nicht, ob dies irgendwo ausdrücklich geregelt ist. Aber es macht keinen Sinn, dass die Bearbeitung des Verfahrens und die Entscheidung auseinanderfallen. Ermittlungen, Anhörungen, schriftlich und ggf. in einem Termin, müssen von demjenigen durchgeführt werden, der zum Schluss entscheidet. Wenn der Rechtspfleger eine gewisse Rechtsauffassung hat und diese in seinen Schreiben an die Beteiligten zum Ausdruck bringt und der Richter nachher anders entscheidet, wurde den Beteiligten doch gar kein richtiges rechtliches Gehör gewährt. Auch bringen mündliche Anhörungen und Erörterungen wenig, wenn später jemand anderes entscheidet.

  • Vorweg, zum Nachlass kann ich nicht viel sagen. Aber ehe du dich hier mit dem Richter anlegst
    Wir haben das mal in der Zivilabteilung geprüft, sogar zusammen mit dem Abteilungsrichter. Das war noch zu Zeiten als dem Rechtspfleger nur die PKH Überprüfung übertragen war. Da gab es auch eine Richterin die hat bei der PKH Bewilligung alles was wirtschaftliche Verhältnisse war den Rechtspfleger machen lassen . Sie hat nur die Erfolgsaussicht der Klage geprüft. Wenn sie zum Schluss die Entscheidung unterschreibt, geht das.
    Der Richter kann so ziemlich alles gem. § 7 Rechtspflegergesetz dem Rechtspfleger übertragen . Nur "entscheiden" muss er. Und das tut er , wenn er die Entscheidung unterschreibt.

    Alles Gute im Leben ist entweder illegal, unmoralisch oder macht dick. (Murphys Gesetz)

  • Ich habe ein Erbscheinsverfahren, in dem Einwände gegen den Antrag auf Erteilung des Erbscheins erhoben worden sind, der Richterin zur weiteren Bearbeitung vorgelegt.

    Diese hat den Beteiligten ihre Rechtsauffassung dargelegt, woraufhin diese nunmehr mit der Erteilung des beantragten Erbscheins einverstanden sind.

    Kann die Richterin nunmehr das Verfahren einfach wieder auf mich zurückübertragen oder bleibt es bei der Richterzuständigkeit gemäß § 19 Abs. 2 RpflG?

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!