aufschiebend bedingte Forderung und Masseverbindlichkeiten

  • Die Sparkasse Sp übernimmt für den Schuldner S. eine Mietbürgschaft zugunsten des Vermieters V in Höhe von 100.000 EUR.

    Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens meldet die Sparkasse die Bürgschaftssumme in voller Höhe an, der V. meldet nicht an. Die Sp wird wegen noch offener Mieten in einer Höhe von 30.000 EUR in Anspruch genommen und nimmt den Differenzbetrag von 70.000 EUR zurück.

    Aufgrund der eingetretenen Masseunzulänglichkeit zahlt der IV die Mieten nach Eröffnung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht. Die Sp. wird abermals aus der Bürgschaft in Anspruch genommen in Höhe von 60.000 EUR.

    Frage: Ist die Sp. aus übergegangem Recht Massegläubiger gem. § 55 InsO oder Insolvenzgläubiger aufgrund § 44 InsO iVm. § 191 InsO, weil die Forderung bereits vorinsolvenzlich bestand, die Inanspruchnahme, sprich das Ereignis, jedoch erst nach Eröffnung (für Masseverbindlichkeiten) erfolgte?

    [SIGPIC] [/SIGPIC] Vertrauue miiir (Kaa: Das Dschungelbuch, 4. Akt, 3. Szene)

  • So etwas hatte ich mir schon gesagt, zumal die Literatur voll ist mit Aussagen wie "geltend machen" und § 767 ZPO. Und es muss wohl so eindeutig sein, dass man sich noch nicht einmal die Mühe gegeben hat, an einer Stelle " §38 InsO" zu schreiben. Andererseits gibt es ja auch die Entscheidung des BGH vom 01.12.2011, IX ZR 11/11, welche auch Handlungen nach IE in den § 135 InsO einbezieht.

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  • Es ist aus meiner Sicht tatsächlich so eindeutig, wie Du vermutest. § 44 InsO ("Verbot der Doppelanmeldung") stellt das Gegenstück zu § 43 InsO ("Grundsatz der Doppelberücksichtigung") dar. Beide gelten nur für Insolvenzforderungen, da nur bei diesen die Gefahr einer Doppelanmeldung besteht: Der Insolvenzgläubiger kann nach § 43 InsO seine Forderung trotz teilweiser Befriedigung weiter in voller Höhe anmelden, während der Gesamtschuldner oder Bürge seine aufschiebend bedingte Rückgriffsforderung ebenfalls zur Tabelle anmelden könnte.

    In Deiner Konstellation handelt es sich um reine Masseverbindlichkeiten. Beí diesen besteht keine solche Gefahr, da § 43 InsO nicht greift. Der Gläubiger (Vermieter) kann nur in der Höhe Erfüllung aus der Masse verlangen, wie seine Forderung noch offen und noch nicht auf den leistenden Bürgen übergegangen ist. Mit (Teil-)Zahlung durch den Bürgen wird dieser gemäß § 774 BGB zum neuen Massegläubiger und kann in Höhe seiner Leistung Rückgriff bei der Masse nehmen.


    Leider habe ich gerade keinen Zugriff auf den InsO-Kommentar von Jaeger/Henckel. Dort sollen unter § 44 Rn. 5 Ausführungen stehen zum "Regressanspruch nach Leistung auf eine Masseschuld" (vgl. Fußnote 53 bei MüKoInsO/Bitter, 4. Aufl. 2019, InsO § 44 Rn. 16).

    Es wäre dumm zu versuchen, an Gesetzen des Lebens zu drehn. (Peter Cornelius in: Segel im Wind)

  • Ergänzend vielleicht noch: OLG Schleswig, Urteil vom 25.07.2008 - 4 U 13/08 ("Zur Haftung des Insolvenzverwalters aus übergeleitetem Recht des Bürgen")

    Die bürgende Bank zahlte die nach Eröffnung fällig werdenden Mieten an den Vermieter, so dass die Mietforderungen gemäß § 774 BGB auf die Bank übergegangen waren. Die Bank hat sodann diese Forderungen an die dortige Klägerin abgetreten, die den Insolvenzverwalter (erfolgreich) aus Masseverbindlichkeit in Anspruch nahm.

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  • Auch wenn ich Variationen zu Praxisfällen ja hasse, aber da muss ich eine anbringen.
    Die von Silberkotelett vorgebrache Struktur ist für den gegebenen Fall strikt logisch und zu unterstreichen.
    Wo aber die Unterscheidung von Masseforderung und Insolvenzforderung versagt:
    der Vermieter meldet seine Insolvenzforderung (da passt der § 38) an; der Bürge leistet auf die Masseschuld.
    In dieser Struktur taucht aber der Grundsatz "nemo subrogat contra se" (vgl. § 774 S. 2 BGB) auf.
    Dies wäre nur dann spannend, wenn die MUZ nicht gegeben wäre, oder beseitigt werden könnte.
    Hier bliebe als Lösung nur, dass der Forderungsübergang der Masseschuld nicht durch den Bürgen geltend gemacht werden könnte, sondern weiterhin durch den (Haupt-) Gläubiger, da der Rang bei ihm verblieben wäre. Oder hab ich da einen Denkfehler....
    oki of topic ! Würde mich aber dennoch über eine Antwort freuen.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Deine Variation wirkt schon sehr konstruiert. Warum sollte der Bürge (nur) auf die nach Eröffnung anfallenden Mieten leisten und nicht (auch) auf die Altverbindlichkeiten? Zumal eine Anrechnung nach § 366 BGB auf die älteste Forderung erfolgen würde.

    Und wenn doch: Auch in diesem Fall würde ich zu dem Ergebnis kommen, dass die Masseverbindlkichkeit auf den Bürgen übergeht. § 774 Abs. 1 S. 2 BGB geht aus meiner Sicht nicht so weit, dass jegliche Nachteile des Vermieters dem Forderungsübergang entgegenstehen; der Vorrang des Gläubigers gilt nicht allumfassend (Vgl. MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 774 Rn. 13: "Die Vorschrift schützt den Gläubiger nicht allgemein vor wirtschaftlichen Nachteilen; ihr geht es vielmehr darum, den Gläubiger vor einer Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung infolge des Forderungsübergangs zu bewahren."). Hier wäre der "Nachteil" des Vermieters kein rechtlicher, sondern nur ein wirtschaftlicher: Er erhält auf seine (unbefriedigten) Insolvenzforderungen keine oder nur eine geringere Quote, wenn zuvor aus der Masse der Bürge zu befriedigen wäre. Eine Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung ist damit aber nicht verbunden.

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  • Deine Variation wirkt schon sehr konstruiert. Warum sollte der Bürge (nur) auf die nach Eröffnung anfallenden Mieten leisten und nicht (auch) auf die Altverbindlichkeiten? Zumal eine Anrechnung nach § 366 BGB auf die älteste Forderung erfolgen würde.

    Und wenn doch: Auch in diesem Fall würde ich zu dem Ergebnis kommen, dass die Masseverbindlkichkeit auf den Bürgen übergeht. § 774 Abs. 1 S. 2 BGB geht aus meiner Sicht nicht so weit, dass jegliche Nachteile des Vermieters dem Forderungsübergang entgegenstehen; der Vorrang des Gläubigers gilt nicht allumfassend (Vgl. MüKoBGB/Habersack, 8. Aufl. 2020, BGB § 774 Rn. 13: "Die Vorschrift schützt den Gläubiger nicht allgemein vor wirtschaftlichen Nachteilen; ihr geht es vielmehr darum, den Gläubiger vor einer Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung infolge des Forderungsübergangs zu bewahren."). Hier wäre der "Nachteil" des Vermieters kein rechtlicher, sondern nur ein wirtschaftlicher: Er erhält auf seine (unbefriedigten) Insolvenzforderungen keine oder nur eine geringere Quote, wenn zuvor aus der Masse der Bürge zu befriedigen wäre. Eine Beeinträchtigung seiner Rechtsstellung ist damit aber nicht verbunden.

    Weniger konstruiert als man denkt. Die Befriedigung der Insolvenzforderungen erfolgt über das Vermieterpfandrecht. Für mehr reicht es dann aber nicht...

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  • Weniger konstruiert als man denkt. Die Befriedigung der Insolvenzforderungen erfolgt über das Vermieterpfandrecht. Für mehr reicht es dann aber nicht...

    Aber wenn die vorinsolvenzlichen Mietrückstände durch Pfandverwertung ausgeglichen sind, meldet der Vermieter auch keine Insolvenzforderung mehr an (oder nimmt zurück) und hat dann keinen Nachteil aus dem späteren Übergang von Forderungen gegen die Masse den Bürgen.

    Die Def'sche Variation hatte ich hingegen so verstanden, dass noch Insolvenzforderungen des Vermieters bestehen und der Bürge nur auf die nach Eröffnung anfallenden Mieten zahlt.

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  • ich glaube, wir haben uns da missverstanden.
    Fall:
    Der Bürge leistet auf die Forderungen, die Masseverbindlichkeeiten sind. Er leistet auch noch auf einen Teil ! der Insolvenzforderungen, die nicht Masseforderungen sind. Rückt der Bürge qua Legalzession in die Position des Massegläubigers (zu dem entsprechenden Teil) ein, oder gilt hier nemo subrogat cotra se. Dies war nur die Frage, ob dieser Grundsatz durch die Forderungsstruktur im Insolvenzverfahren durchbrochen wird. Oki ,eine eher akademische Frage.....
    bg
    def

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  • Auch in dieser Variante würde ich zwischen Masseforderungen und Insolvenzforderungen trennen mit der Insolvenzeröffnung als zeitlicher Zäsur: Bei den Insolvenzforderungen greifen die §§ 43f. InsO, so dass dort der Vermieter bis zum vollständigen Ausgleich durch den Bürgen bevorrechtigt bleibt. Auf die Masseforderungen, die auf den Bürgen übergehen, sind die §§ 43f. InsO nicht anwendbar. Und ein den Übergang auf den Bürgen beeinträchtigender Nachteil i.S.d. § 774 Abs. 1 S. 2 BGB liegt gerade nicht vor, wenn die Quote für die Insolvenzforderungen durch eine vorrangige Befriedigung der Masseverbindlichkeiten geringer wird oder ausbleibt. Das wäre nur ein wirtschaftlicher Nachteil des Vermieters, kein rechtlicher.

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