Stundensatz Privatgutachten

  • Hallo in die Runde. Folgendes Teilproblem in einem mir vorliegenden Fall.
    Eine große deutsche Versicherung holt vorprozessual u. a. ein Gutachten ein. Wie so oft geht es dabei um Fragen von Schäden, die im Rahmen eines Unfalls frühzeitig angezweifelt werden. Die tätige Person, ein Mitarbeiter einer für das Gutachten von der Versicherung beauftragten GmbH, ist aber gar kein Sachverständiger als solcher, sondern "lediglich" jemand, der sich auf dem fraglichen Gebiet sehr gut auskennt (u. a. aufgrund jahrelanger Erfahrung). Für mich stellt sich dazu jetzt insbesondere noch eine Frage, die ich gerne hier ans Forum weitergeben möchte:

    Zu welchem Stundensatz kann die GmbH für ihren Sachverständigen, der aber gar keiner ist, gegenüber der Versicherung abrechnen bzw. in welcher Höhe kann ich als Gericht den Stundensatz noch als angemessen betrachten? Dies spielt für mich eine wichtige Rolle, da die Gegenseite neben der Notwendigkeit als solcher natürlich auch die konkrete Höhe der geltend gemachten Kosten bemängelt.

    Normalerweise orientiere ich mich zur Frage der Höhe von Sachverständigenkosten für von der Partei selbst eingeholte Gutachten am JVEG (§ 9). Dieses gilt jedoch zum einen hier sowieso ja, wie bekannt sein dürfte, nicht unmittelbar. Zum anderen findet es doch nur für Sachverständige Anwendung, worunter also solche fallen dürften, die staatlich geprüft sind. Sonst könnte ja u. a. jeder behaupten, er hätte auf einem speziellen Rechtsgebiet entsprechende Kenntnisse und diese dann wie ein "richtiger" SV geltend machen.
    Ich bin für jede Erleuchtung dankbar. :tipptipp

  • Das würde ich d. Vorsitzenden vorlegen. Entweder ist das Gutachten brauchbar und ich würde der beauftragten GmbH die in deinem Fall "normalen Sätze" geben oder es ist unbrauchbar und dann... würde ich mich mit d. Vorsitzenden austauschen. Da würde ja ein Antrag nach § 4 JVEG im Zweifel landen.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Nur nochmal vorsorglich zur Klarstellung.
    Es geht hier nicht um eine Entscheidung über Gutachterkosten, die für das Gericht als Auftraggeber angefallen sind (also um Gerichtskosten). Vielmehr darf ich über Parteiauslagen im Rahmen einer Kostenfestsetzung, für die der Rechtspfleger zuständig ist, entscheiden (Privatgutachter). ;)

  • Schon verstanden. :D Ich bearbeite an meinem Gericht sowohl den mittleren als auch gehobenen Dienst in Personalunion. Ob das Privatgutachten für das Gerichtsverfahren notwendig bzw. unbrauchbar war oder nicht kann d. Vorsitzende besser bewerten als der Rechtspfleger. D. Vorsitzende ist vielleicht nicht funktionell für die Entscheidung im KFV zuständig, hat sich im Zuge des Erkenntnisverfahrens aber sicherlich eine Meinung zur Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit des Gutachtens der GmbH gebildet.

    Zur Frage, ob der Mitarbeiter als Gutachter geeignet war oder nicht müsste ich mir noch 3 Gedanken mehr machen...

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Im Rahmen der Kostenfestsetzung kommt es für Privatgutachten nicht auf die Brauchbarkeit des Gutachtens an. Es muss weder im Rechtsstreit noch im späteren KF-Verfahren überhaupt vorgelegt werden.

    Die sich zuvor stellende Frage, ob die Privatgutachterkosten überhaupt als Kosten des Rechtsstreits anzusehen sind, wurde von mir bereits geprüft (und vom Grundsatz bejaht, sonst könnte ich mir den Rest er/sparen). :(

  • Im Rahmen der Kostenfestsetzung kommt es für Privatgutachten nicht auf die Brauchbarkeit des Gutachtens an. Es muss weder im Rechtsstreit noch im späteren KF-Verfahren überhaupt vorgelegt werden.

    Die sich zuvor stellende Frage, ob die Privatgutachterkosten überhaupt als Kosten des Rechtsstreits anzusehen sind, wurde von mir bereits geprüft (und vom Grundsatz bejaht, sonst könnte ich mir den Rest er/sparen). :(

    Wenn es dir nur noch darum den Stundensatz geht und du der grds. fehlende Sachverständigencharakter des Gutachters unproblematisch sind:

    Nach § 1 Abs. 1 S. 3 JVEG steht der Vergütungsanspruch nach Satz 1 Nr. 1 demjenigen zu, der beauftragt wurde. Dies gilt auch, wenn ein Mitarbeiter einer Unternehmung die Leistung erbringt, der Auftrag aber der Unternehmung erteilt wurde. Der Vergütungsanspruch kann auch einer juristischen Person oder Personenvereinigung zustehen, obwohl nur eine natürliche Person als Sachverständiger herangezogen werden kann. Im kostenrechtlichen Sinne kann eine juristische Person oder Personenvereinigung als Auftragnehmer im Sinne des JVEG gelten und Inhaber des Erstattungsanspruchs sein, vgl. Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.02.2020, L 2 U 157/17 B (Volltext liegt mir vor).

    Ich kenne die normalen Sätze für Unfall-Schadensgutachten gerade nicht (dazu haben die einschlägigen Kommentare sicherlich Hinweise), aber mit Rücksicht auf die vorstehende Entscheidung würde ich den GmbH die Gutachtenskosten in der üblichen Höhe geben und es auf ein Rechtsmittel ankommen lassen.

    "Multiple exclamation marks", he went on, shaking his head, "are a sure sign of a diseased mind." (Sir Terry Pratchett, "Eric")

  • Die Prämisse, dass die Eigenschaft als Sachverständiger eine staatliche Prüfung voraussetzt teile ich nicht. Es ist Sache des Gerichts bzw. der Parteien darüber zu entscheiden, wer Sachverständiger ist und entsprechend beauftragt wird. Das Gericht und die Parteien können das Gutachten und die Person des Gutachters anfechten, wenn sie Zweifel am Sachverstand haben. Bei Erfolg ist das Gutachten nicht verwertbar und nicht zu entschädigen / zu berücksichtigen. Wenn aber das Gutachten verwertbar ist und d. Vorsitzende verfügt, dass es dem Grunde nach zu entschädigen ist, dann wird jeder Sachverständige gleich behandelt. Es gibt ja auch keine höhere Entschädigung für besonders hoch qualifizierte Sachverständige, auch wenn manche dies mit Verweis auf ihre Stellung und Reputation gelegentlich geltend machen.

    Welcher Satz außerhalb von Verfahren nach dem JVEG angemessen ist, könnte ggf. bei Kammern und Interessenverbänden erfragt werden. Aber letztlich ist es Sache der Parteien die Festsetzung anzufechten, wenn der Satz ihnen als überhöht erscheint.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

  • Dem widerspreche ich natürlich vom Grundsatz her nicht, jedoch wurde das Gutachten außerhalb des Prozesses (vorab) von der Versicherung - einseitig - selbst eingeholt. Die damals noch nicht klagende Gegenseite hatte dem Gutachten also weder zugestimmt noch sonst in irgendetwas eingewilligt. Der Fall liegt daher leider anders als du in deinen Überlegungen voraussetzt.
    Mittlerweile frage ich mich sogar, ob die Kosten eines Privatgutachters, der aber gar kein "offizieller" SV ist, überhaupt anzusetzen sind. Irgendwo muss ja auch mal Schluss sein. Sonst beauftragt die Versicherung dann als nächstes einen freien Mitarbeiter eines Tochterkonzerns oder jemanden eines sonst nahestehenden Unternehmens mit den Prüfungen zum Unfallhergang sowie Schadensbild. Irgendwo muss ja noch eine gewisse Qualität und Unabhängigkeit gewährleistet sein.

  • Dem widerspreche ich natürlich vom Grundsatz her nicht, jedoch wurde das Gutachten außerhalb des Prozesses (vorab) von der Versicherung - einseitig - selbst eingeholt. Die damals noch nicht klagende Gegenseite hatte dem Gutachten also weder zugestimmt noch sonst in irgendetwas eingewilligt. Der Fall liegt daher leider anders als du in deinen Überlegungen voraussetzt.
    Mittlerweile frage ich mich sogar, ob die Kosten eines Privatgutachters, der aber gar kein "offizieller" SV ist, überhaupt anzusetzen sind. Irgendwo muss ja auch mal Schluss sein. Sonst beauftragt die Versicherung dann als nächstes einen freien Mitarbeiter eines Tochterkonzerns oder jemanden eines sonst nahestehenden Unternehmens mit den Prüfungen zum Unfallhergang sowie Schadensbild. Irgendwo muss ja noch eine gewisse Qualität und Unabhängigkeit gewährleistet sein.

    Das habe ich in meinem Überlegungen schon mit bedacht. Es ist letztlich Sache der Parteien, die fachliche Qualifikation und die Unabhängigkeit des Sachverständigen zu berurteilen. Ja, dass kann auch der Mitarbeiter eine Tochterkonzerns sein. Wenn die Gegenseite keine Einwendungen erhebt, dann ist das so. Insbesondere gibt es durchaus (neue) Berufe, in denen es keine irgendwie geartete staatliche Prüfung gibt, sondern das erforderliche Wissen durch berufliche Übung erworben wird. Umgedreht ist eine staatliche Prüfung kein Garant für Sachverstand auf einem konkreten Gebiet.

    Ich sehe daher im (Nicht-)Vorhandensein eines Abschlusses keine Grundlage für die Bestimmung des Stundensatzes. Ggf. könnten Kammern u.ä. Auskunft zur üblichen Taxe geben.

    Ich würde den Antragsgegner zum Stundensatz und zur Notwendigkeit (vgl. BGH Beschluss vom 07.02.2013 - VII ZB 60/11; BGH, Beschluss vom 14.10.2008 - VI ZB 16/08) des Privatgutachtens anhören. Wenn keine begründeten Einwendungen kommen, würde ich festsetzen.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

  • Einwendungen kommen zum gesamten Vortrag und von Anfang an (siehe auch bereits oben), also insbesondere zur Rechnung als solcher und auch darüber hinaus zur Tatsache - die Versicherung bestreitet dies nicht -, dass es sich um keinen SV im eigentlichen Sinn (also in meinen Augen eine zumindest halbwegs unabhängige Person bzw. jemanden mit geprüftem und bestätigtem Fachwissen) handelt.
    Es wird daher von der erstattungspflichtigen Gegenseite gerade darauf hingewiesen, dass zwischen "SV" und Versicherung ein Verhältnis besteht, das keine Unabhängigkeit bzw. Unvoreingenommenheit ermöglicht. Insbesondere werden die Leistungen im vorgerichtlich eingeholten Privatgutachten des "SV" (der ein solcher aber nicht ist) als falsch und unzureichend dargestellt.

    Es scheint in der Rspr. zur Frage, inwieweit ein Privatgutachter qualifiziert und unabhängig sein muss, keine Aussagen zu geben. Ich konnte dazu bisher jedenfalls nichts finden. Zum Stundensatz ist laut Kommentierung freies Ermessen des Gerichts anzuwenden....

  • Einwendungen kommen zum gesamten Vortrag und von Anfang an (siehe auch bereits oben), also insbesondere zur Rechnung als solcher und auch darüber hinaus zur Tatsache - die Versicherung bestreitet dies nicht -, dass es sich um keinen SV im eigentlichen Sinn (also in meinen Augen eine zumindest halbwegs unabhängige Person bzw. jemanden mit geprüftem und bestätigtem Fachwissen) handelt.
    Es wird daher von der erstattungspflichtigen Gegenseite gerade darauf hingewiesen, dass zwischen "SV" und Versicherung ein Verhältnis besteht, das keine Unabhängigkeit bzw. Unvoreingenommenheit ermöglicht. Insbesondere werden die Leistungen im vorgerichtlich eingeholten Privatgutachten des "SV" (der ein solcher aber nicht ist) als falsch und unzureichend dargestellt.

    Die Fragen der Unabhängigkeit, Unvoreingenommenheit, Befangenheit etc. sind aber nicht Sache der Kostenprüfung. Das die Gegenseite das Gutachten als falsch und unzureichend bezeichnet, ist auch nicht überraschend. Daraus lässt sich zur Höhe des Stundensatzes rein gar nichts ableiten.

    Es scheint in der Rspr. zur Frage, inwieweit ein Privatgutachter qualifiziert und unabhängig sein muss, keine Aussagen zu geben. Ich konnte dazu bisher jedenfalls nichts finden.

    Offenbar war die Versicherung der Auffassung, dass der Gutachter über den notwendigen Sachverstand verfügt. Sonst hätte sie ihn nicht beauftragt. Welche Qualifikation erforderlich jeweils erforderlich, richtet sich nach dem jeweiligen Sachverhalt. Da wird es keine generalisierende Rechtsprechung zu geben.

    Zum Stundensatz ist laut Kommentierung freies Ermessen des Gerichts anzuwenden....

    Das heißt, Du musst die Entscheidung begründen.

    Vielleicht hilft ja dies hier in Bezug auf die übliche Taxe weiter: https://www.bvsk.de/ueber-uns/bvsk-ev/bvsk-ev/ bzw. https://honorarrechner.bvsk.de/ Die Angaben auf der Honararbefragung 2020.

    Edit: Es gibt z.B. beim TÜV einen Lehrgang Kfz-Sachverständiger, der mit einem Zertifikat endet. Also auch hier keine staatliche Prüfung: https://akademie.tuv.com/weiterbildunge…ung-tuev-181679. Aber vielleicht lässt sich zumindest insoweit argumentieren, dass der geltend gemachte Satz nicht höher sein könne, als der eines entsprechend qualifizierten Sachverständigen. Weil diese die Höhe der üblichen Taxe bestimmen. Möglicherweise gibt es auch Taxen von den Versicherungsverbänden.

    pareo, non servio (Diener bin ich, nicht Sklave)

    Einmal editiert, zuletzt von Hallunke (19. Oktober 2022 um 14:31)

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