Hausverkauf gegen den Willen des Betroffenen?

  • Hallo liebe Kollegen, mich würde mal eure Meinung zu folgendem Sachverhalt interessieren.
    Betreuter, Ende vierzig und geschieden. Er hat eine Intelligenzminderung und ist psychisch labil. Er lebt allein in einer großen, mittlerweile recht baufälligen Villa. Er bezieht EU-Rente und hat monatlich einige kleine Ratenzahlungen zu begleichen.
    Seine geschiedene Ehefrau, die zu 1/2 Miteigentümerin am Haus ist, möchte nunmehr die Villa verkaufen.
    Der Betreute stimmt dem Verkauf ausdrücklich nicht zu und möchte dort wohnen bleiben, und so nach und nach die Reparaturen am Haus erledigen. Er sagt, er hat in den letzten 20 Jahren zuviel Geld und Kraft in das Haus gesteckt, es ist das Einzige, was ihm in seinem verkorksten Leben geblieben ist. Mittlerweile ist das Dach so marode, dass es reinregnet, der Betreute hat aber kein Geld um es zu reparieren und die Exfrau investiert nicht mehr, da sie verkaufen möchte.
    Nunmehr ist abzuwägen, ob man dem freihändigen Verkauf des Hauses auch gegen den Willen des Betreuten vormundschaftsgerichtlich genehmigt, denn dann könnte der Betreute auf einen Schlag seine monatlichen Ratenzahlungen vollständig begleichen und in Ruhe und Geldsorgenfrei in einer kleinen modernen Wohnung leben. Oder läßt man es auf die Teilungsversteigerung ankommen, was letztlich voraussichtlich zum selben Ergebnis führen würde, jedoch wahrscheinlich zu einem geringeren Erlös. Das Objekt ist sehr baufällig und renovierungsbedürftig, erscheint mir aber aufgrund meiner ZVG-Erfahrungspraxis, wegen der super Wohnlage durchaus recht gut versteigerbar.
    Die zuständige Betreuungsbehörde spricht sich gegen einen Verkauf des Hauses aus und ist der Meinung, es auf eine Teilungsversteigerung ankommen zu lassen, da der Umzug des Betreuten für diesen wohl durchaus psychische Probleme bringen würde.
    Ich weiß nicht recht, ob ich diesem Verfahrensweg zuzustimmen soll, da ich in der Annahme bin, ob nun freihändiger Verkauf oder Teilungsversteigerung, beides würde letztlich zum selben Ergebnis führen. Fragt sich dabei eben, was ist vorteilhafter, der höhere Erlös oder die Chance das Objekt doch noch zu behalten oder länger zu behalten, sofern sich kein Ersteher findet?
    Andererseits könnte ich mit meiner Genehmigungsversagung das Verfahren zum Verkauf des Grundstücks an die ZVG-Abteilung abgeben, sodass ich hier als Betreuungsrechtspflegerin die Verantwortung zum Gesundheitszustand des Betroffenen (Suizid?) nicht übernehmen müßte. Bin etwas hin- und hergerissen.

  • High Anja.
    Es dürfte doch ein plausibler Grund für die freihändige Veräußerung gegeben sein. Die Miteigentümerin droht potent(z)iell Teilungsversteigerung an.
    So lange die Miteigentümerin nicht aktiv wird, ist nichts zu entscheiden. Wird diese aktiv, kommt es m. E. nur auf den Preis an. Stimmt dieser mit dem Gutachten einigermaßen überein, steht doch nichts im Wege. Für den Betroffenen dürfte ein Verfahrenspfleger zu bestellen sein. Diesem und dem Betroffenen ist ein Vorbescheid zu erteilen (auch der Betroffene hat eine eigene, verfahrensrechtliche Position). Kommt keine Beschwerde, bestehen im Prinzip keine Probleme. Ansonsten müssen sich Klügere als der deutsche Rechtspfleger mit der Sache beschäftigen.

  • Ich würde hier erstmal einen Verfahrenspfleger bestellen, da eine Suicidgefahr nicht ausgeschlossen ist. Im Falle des Verkaufs oder der Versteigerung müsste der Betr. u. U. geschlossen untergebracht werden. Sprich die Sache doch mal bei Deinem Vormundschaftsrichter an.

  • MMH, Dankeschön für die Überlegungen. Also ich weiß nicht. Für die Bestellung eines Verfahrenspflegers sehe ich eigentlich keinen Raum. Der Betroffene ist anhörungsfähig und lehnt eine Veräußerung des Objektes ausdrücklich ab. Außerdem ist ein Berufsbetreuer bestellt, der ja im Falle des Falles eine Unterbringung erwirken könnte. Das Problem ist ja, dass die Beteiligten nunmehr von mir wissen wollen, ob ich dem freihändigen Verkauf bei Vorliegen der Voraussetzungen prinzipiell genehmigen würde, denn dann könnte ein Notartermin vereinbart werden, oder ob ich den Verkauf ausschließe und die Teilungsversteigerung abwarte.

  • Dem Willen des Betreuten kann man ja nur so lange Rechnung tragen, wie es auch wirtschaftlich möglich und vertretbar ist. Er ist offenbar nicht einmal in der Lage, die laufenden Kosten der Instandhaltung aufzubringen und ein Erwerb der anderen Hälfte ist erst recht nicht möglich. Der Verlust des eigentums ist also zwangsläufig, entweder durch Verkauf oder Teilungsversteigerung. Weil eine Teilungsversteigerung nach Abzug aller Kosten im Normalfall ein schlechteres Ergebnis bringt, bleibt meiner Meinung nach nur der Verkauf. Für einen Verfahrenspfleger sehe ich nach der Schilderung auch keinen Grund.

  • Der Betroffene hat eine Intelligenzminderung und ist psychisch labil. Das kann darauf hindeuten, dass er den Sachverhalt nicht begreift oder auch aus emotionalen Gründen nicht begreifen kann. Der Verfahrenspfleger nimmt aus seinem Blickwinkel Stellung, womit die Gefahr, dass der Betreuer sich über den Tisch ziehen lässt oder mit der Ehefrau zusammen wirkt, minimiert. Die Zumutung, zu einem nicht vorgelegten Vertragsentwurf ohne Gutachten Stellung zu nehmen, würde ich kalt abblitzen lassen und diese Unterlagen zur Prüfung des Komplexes verlangen. Die Stellungnahme der Kreisbetreuungsstelle halte ich für irrelevant. In welcher Eigenschaft wurde sie angehört? Als "Ersatz" für den Verfahrenspfleger?

  • Nein, die Betreuungsbehörde wurde im Rahmen der Aufgabenkreiserweiterung (Grundstücksangelegenheiten) angehört. Der Betreuungsrichter ist jedoch der Meinung, dass dieser Tatbestand unter die Vermögenssorge fällt und eine Aufgabenkreiserweiterung nicht erforderlich ist. Aber wie dem auch sei. Darüber habe ich ja nicht zu befinden.

  • Die Grundstücksangelegenheit wird auch nach unserem Sprachgebrauch unter vermögensrechtliche Angelegenheiten oder Vermögenssorge geparkt. Man kann nicht für jedes Pöttchen ein eigenes Deckelchen herstellen.

  • Bin auch der Meinung, dass Grundstücksgeschäfte unter die Vermögenssorge fallen.

    Zum Problem selbst:

    ich würde den Beteiligten nicht verbindlich sagen, ob ich generell genehmigen würde. zunächst würde ich nur mitteilen, dass eine vG grds. vom kaufpreis und den sonstigen vertragsmodalitäten abhängt (z.B. bis wann zu räumen ist etc.).

    wenn ein kaufvertrag beurkundet wird, der verkehrswertmäßig hinkommt würde ich einen verfahrenspfleger mit der begründung bestellen, dass der betreute krankheitsbedingt nicht in der lage ist, den sachverhalt entsprechend zu würdigen und einen vorbescheid erlassen, in dem ich die vG ankündige. als begründung würde ich die wirt. situation des betreuten erläutern.
    selbigen würde ich dann dem verfahrenspfleger, dem betreuer und dem betreuten zustellen (lieber eine zustellung zu viel als eine zu wenig).
    wenn dann was kommt, dann einfach nicht-abhilfe-beschluß und ab ans LG. wenn nix kommt, dann würd ich bedenkenfrei genehmigen

  • Dass die Vermögenssorge auch Grundstücksangelegenheiten umfasst, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Die beabsichtigte Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers ging daher von vorneherein ins Leere.

    In der Sache selbst stimme ich den Ausführungen von "Lucky Strike" aus rechtlichen und pragmatischen Erwägungen zu. Solange die Entscheidung des BVerfG nicht vom Gesetzgeber umgesetzt wurde, ist in jedem Falle Vorsicht angebracht und jedenfalls im vorliegenden Fall auch dann ein Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn eine rechtserhebliche Verständigung mit dem Betreuten möglich erscheint.

    Die Wünsche des Betreuten sind zwar weitestgehend, aber eben nur im Rahmen des Möglichen zu berücksichtigen (§ 1908 Abs.2, Abs.3 S.1 BGB). Ein gewichtiges Argument für die Erteilung der Genehmigung ist insbesondere, dass der Betreute gegen die drohende Teilungsversteigerung nichts unternehmen kann (einen Titel benötigt die Ehefrau wegen § 181 Abs.1 ZVG nicht). Gerade im Hinblick auf den im Falle einer Versteigerung zu befürchtenden geringeren Erlös dürfte es das Wohl des Betreuten erfordern, die Angelegenheit durch eine freihändige Veräußerung zu einem Ende zu bringen. Dass die Versteigerung die gesetzliche Regelform der Auseinandersetzung der Bruchteilsgemeinschaft darstellt (§ 753 Abs.1 S.1 BGB), steht in rechtlicher Hinsicht nicht entgegen. Dies gilt umso mehr, als auch die geschiedene Ehefrau des Betreuten ein Interesse an der freihändigen Veräußerung hat.

    Das eigentliche Problem der evtl. Suizidgefahr besteht sowohl im Falle der Veräußerung als auch im Falle der Versteigerung, weil § 765 a ZPO nach hM auf die Auseinandersetzung nach § 753 ZPO anwendbar ist (vgl. z.B. KG NJW-RR 1999, 434). Auch deswegen erscheint es hier nicht angezeigt, die Ehefrau auf die Möglichkeit der Teilungsversteigerung zu verweisen und das Problem auf diese Weise auf das Versteigerungsgericht "abzuschieben".

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