Pfleger macht Entreicherung geltend

  • Hallo,

    folgendes Problem:
    Ich habe einen Pfleger, der über seinen Aufgabenkreis hinaus tätig wurde.
    Er übt das Amt berufsmäßig aus.
    Dafür hat er im letzten Jahr einen Betrag i.H.v. 650,-€ geltend gemacht.
    Dieser Betrag wurde vor zwei Monaten ausgezahlt.
    Nachdem ich die Abteilung übernommen habe, kam ein weiterer Antrag in dieser Richtung.
    Nach meiner Prüfung kam ich zum Ergebnis, dass der Pfleger für die verrichteten Angelegenheiten nicht zuständig war.
    Da forderte ich das Geld, welches zu Unrecht ausgezahlt wurde, promt zurück und verrechnete es mit dem mir neu vorliegenden Antrag auf Vergütung.
    Es steht noch ein Restbetrag von ca. 500,-€ aus, den der Pfleger zurückzahlen soll. Er wendet jedoch Entreicherung ein.

    Ich habe keine Lust klein bei zu geben und strebe an, dass auch zukünftig
    eingehende Anträge auf Festsetzung der Vergütung mit meiner Forderung verrechnet werden.
    Da die Pflegebefohlene erst in zwei Jahren volljährig wird, ist noch mit weiteren Anträgen zu rechnen.
    Das Dumme ist, dass ich erstmal nach Übernahme dieses Dezernates mir selbst ein Bild über die Zuständigkeit des Pflegers machen musste, weshalb ich ihm mitteilte, dass ich nach "eingehender Prüfung" zu dem Ergebnis kam, dass die vorgenommenen Rechtshandlungen nicht in seinen Aufgabenbereich fallen und somit eine Vergütung nicht in Frage kommt.
    Daraufhin antwortete er, dass ich das erst nach eingehender Prüfung festsetellen konnte und er das somit nicht wissen konnte.

    Ich habe keine Ahnung, wie ich das sauber lösen kann.
    Der Bezirksrevisor hat nichts dagegen, dass ich beabsichtige zukünftige Vergütungsansprüche zu verrechnen.
    Kann man das nur mit diesem betroffenen Verfahren verrechnen oder auch mit anderen, in denen der Pfleger beispielsweise als Vormund tätig wird?
    Kann er sich so leicht auf Entreicherung berufen?
    Er müsste ja genau das Geld der Überweisung ausgegeben haben.
    Das könnte er mir doch nicht nachweisen?

    Falls sich jemand mit einer solchen Problematik auskennt, bitte melden...

    :aufgeb:

  • Wir hatten einmal einen ähnlichen (allerdings weit krasseren) Fall. Dort haben wir die Rückforderungsansprüche der Staatskasse im Einverständnis des Revisors mit den Vergütungsansprüchen des betreffenden Berufsbetreuers aus allen seinen Verfahren verrechnet.

    Ob sich der Betreuer auf Entreicherung berufen könnte, erscheint mir rechtlich zweifelhaft. Das kann aber letztlich dahinstehen, da er m.E. i.S. des § 819 BGB verschärft haftet, weil es sein Problem ist, wenn er bewusst über seinen Wirkungskreis hinaus tätig wird.

    Unabhängig von diesen Rechtsfragen halte ich es für ein fragwürdiges Verhalten des Betreuers im Umgang mit dem Gericht, wenn er sich insoweit auf zweifelhafte Rechtspositionen zurückzieht. Er hat einen Fehler gemacht, also sollte er ihn einsehen, und wenn er ihn einsieht, wird man den Mantel des Schweigens darüber breiten. Aber wenn sich der Betreuer derart ziert, sollte man schon ins Auge fassen, ihn künftig nicht mehr zu bestellen. Ob der Betreuer schon so weit gedacht hat?

  • Ich finde es aber teilweise schon problematisch, wenn der Pfleger im Einverständnis mit dem Gericht (Richter) überobligatorische Aufgaben wahrnimmt und dadurch dem Verfahren dient und dann nachher bei der Feststetzung das große Ätsch gemacht wird.

    Die Anmerkung ist jetzt natürlich nicht auf diesen Fall bezogen, da diesbezgl. keine Informationen vorliegen.
    Ich habe in familiengerichtlichen Verfahren die Erfahrung gemacht, dass die Richter den Verfahrenspfleger (Dipl. Soz.Päd.) quasi als Sozialarbeiter einsetzen, weil das Jugendamt für diese Aufgaben oft zu überlastet ist.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Ich sehe den Fall nach seiner Schilderung so, dass der Pfleger "selbständig" außerhalb seines Aufgabenkreises liegende Tätigkeiten ausgeübt hat. Er kann sich damit nicht darauf zurückziehen, es läge das Einverständnis des Gerichtes vor.

    Aber:
    Dem Argument aus § 819 BGB - wenn es überhaupt zieht - würde ich die Einrede aus § 242 BGB entgegen halten. Wenn das Gericht schon konkludent handelnd Ansprüche anerkennt, kann es sich später nicht darauf berufen, die Ansprüche seien nicht existent. Dies muss doch zumindest dann gelten, wenn der ausgezahlte Betrag förmlich festgesetzt worden und der Beschluss längst rechtskräftig ist.
    Ist nur Auszahlung gemäß § 56g I Satz 4 FGG erfolgt, hängt das Ding noch in der Schwebe und kann wieder aufgegriffen werden. Es kann anderweitig geringer festgesetzt werden.
    Damit ist aber noch nicht geklärt, ob die Differenz zwischen Festsetzung und vorher ausgezahltem Betrag vom Vormundschaftsgericht zurückgefordert werden kann oder ob dieses die Aufrechnung erklären kann. Das Vormundschaftsgericht ist überhaupt nicht berufen ist, die (angeblichen) Rückforderungsansprüche geltend zu machen und/oder die Aufrechnung zu erklären.
    Ich finde da keine entsprechende Vorschrift, weder eine materielle im BGB/VBVG noch eine formelle im FGG noch eine solche im Kostenrecht.
    Was verbleibt denn, wenn Ansprüche aus dem BGB nicht beglichen werden? Man klagt vor dem Zivilgericht. Hat mal jemand das Vormundschaftsgericht als Kläger gesehen?
    In NRW ist Vertreter der Staatskasse der Bezirksrevisor. Der kann materielle Ansprüche der Staatskasse geltend machen. Dieser gute Mensch ist m. E. zuständig für die Verfolgung der zu viel gezahlten Beträge vor dem Zivilrichter.

  • M. E. ist es schon von Bedeutung, ob die vom Pfleger ausgeübten Tätigkeiten eindeutig außerhalb des Wirkungskreises lagen oder ob dies zweifelhaft war. Aus der von Schrilli gewählten Formulierung, dass die Überschreitung (erst) "nach eingehender Prüfung" festgestellt werden konnte, lässt sich u. U. der Schluss herleiten, dass der Betreuer davon ausgehen durfte, dass er innerhalb seines Wirkungskreises tätig geworden ist. In diesem Fall würde er nämlich hinsichtlich seiner Vergütung Vertrauensschutz genießen, selbst wenn die Tätigkeiten objektiv (wenn sich das überhaupt feststellen lässt) außerhalb des Wirkungskreises lagen.

    Das kann man ja im Beschwerdeweg klären lassen.

    Dass sich der Pfleger allerdings nicht entblödet, sich auf Entreicherung zu berufen, finde ich -siehe Beitrag von juris2112- einfach albern.

  • Die Sache ist die, das bislang keine Festsetzung seiner Vergütung erfolgte.
    Es wurde lediglich eine Auszahlungsanordnung der Kollegin gemacht.
    Ich hatte den Pfleger in meinem Anschreiben darauf aufmerksam gemacht, dass, sollte er mit der Rückzahlung nicht einverstanden sein, eine Festsetzung erfolgen würde und damit eine rechtsmittelfähige Entscheidung existiert.
    Nun kam er gleich mit seiner angeblichen Entreicherung als Antwort auf mein Schreiben.

    Der Pfleger hat das Aufenthaltbestimmungsrecht sowie das Recht auf Stellung von Anträgen auf soziale Leistungen.
    Dieser Pfleger hat aber von sich aus ein Visum beim Generalkonsulat in München beantragt und abgeholt.
    Die Pflegebefohlene ist thailändische Staatsangehörige und hat mit ihrer Wohngruppe des Jugendamtes eine Reise unternommen, bei dem sie visumpflichtig war.
    Der Pfleger fuhr also hin und das ohne das VormG vorher zu fragen.
    Das Geld war ausgezahlt und ich wurde neue Sachbearbeiterin.
    Ich musste mich eben erst einarbeiten in diese Abrteilung, da ich zuvor noch keine Vormundschaftssachen bearbeitet habe.
    Daher war eine "eingehende Prüfung" durch meine Person nötig, um erstmal festzustellen, das eine Urlaubsreise nichts mit dem Aufenthaltbestimmungsrecht zu tun hat. Wobei ich der Meinung bin, dass ein Pfleger, der das Amt berufsmäßig ausübt wissen sollte, wo die Grenzen seiner Zuständigkeit liegen. Aber da ich erst prüfen mußte, stellt er sich dumm.
    Jetzt habe ich den Salat...

    Ich werde jedoch bei meiner Variante der Aufrechnung verbleiben.
    Eine Bestallung in meiner Zuständigkeit wird bzgl. dieses Berufsvormundes/-pflegers/-betreuers nicht mehr erfolgen.
    Ich finde diese Vorgehensweise von ihm doch recht dreist, zumal er auf unsere Aufträge angewiesen ist.

    Danke für eure Mithilfe.

  • Meines Erachtens kann man aber durchaus darüber diskutieren, ob die Beantragung eines Visums für eine Auslandsreise der Betroffenen nicht doch vom Wirkungskreis der "Aufenthaltsbestimmung" umfasst wird.

  • Nach unserem Sprachgebrauch fällt die Beantragung eines Visums unter die "Vertretung gegenüber Behörden".
    Mit dem Antrag auf Erteilung eines Visums wird ja allenfalls der beabsichtigte anderweitige Aufenthalt vorbereitet, aber noch nicht bestimmt.

  • Das überzeugt mich nicht.

    Wenn der Pfleger den Wohnsitz des Kindes bei der Gemeinde anmeldet, vertritt er das Kind auch gegenüber einer "Behörde". Trotzdem ist die Einwohneranmeldung zweifelsfrei vom Wirkungskreis der "Aufenthaltsbestimmung" gedeckt.

  • Guten Morgen,

    ich habe nach meinen Recherchen in verschiedenen Abhandlungen zum Thema "Aufenthaltsbestimmungsrecht" den Standpunkt vertreten , dass eine Reise kein dauerhafter Wechsel des Aufenthaltes darstellt.
    Daher meine Erklärung der Unzuständigkeit des Pflegers.
    Die Stellung eines Antrages auf soziale Leistungen (Visum) scheidet wohl von vorn herein aus.
    Nunja, der Fall wird mich wohl noch eine Weile begleiten...

  • Natürlich kann man das so oder anders sehen.

    Ich frage mich nur folgendes:

    Wenn man aus dem Umstand, dass eine Reise keinen dauernden Wechsel des Aufenthalts bewirkt, den Schluss zieht, dass der Aufenthaltspfleger hierfür nicht zuständig sei, dann wäre es wohl nur konsequent, auch die Auffassung zu vertreten, dass der Aufenthaltspfleger der Reise als solcher auch nicht zuzustimmen braucht.

    Dies hielte ich aber keinesfalls für zutreffend.

  • Wieso sollte denn das Aufenthaltsbestimmungsrecht nur bei einem dauerhaften Wechsel tangiert sein, nicht aber bei einem kurzfristigen? Ein Krankenhausaufenthalt ist auch in der Regel ein kurzfristiger Aufenthaltswechsel und es ist m. E. nicht zweifelhaft, dass hier der Aufenthaltsbestimmungsbetreuer das Sagen hat, in welches Krankenhaus der Betreute kommt.

  • Krankenhauseinweisung = Gesundheitsfürsorge nach unserem Sprachgebrauch.
    Aufenthalt = § 1631 I BGB; Palandt 65. Aufl. Anm. 4 zu § 1631 BGB: Sie (die Aufenthaltsbestimmung) betrifft die Bestimmung von Wohnort und Wohnung, auch bei Dritten, z. B. im Internat oder bei den Großeltern .

    Offensichtlich fällt unter den Begriff "Aufenthalt" im Sinne dieser Vorschrift nichts Kurzfristiges oder nichts für nur kurze Zeit Gedachtes. Deshalb halte ich Urlaub, Klassenfahrt etc. für nicht unter diesen Begriff fassbar.

  • Zitat von Wer will ihn wissen

    Krankenhauseinweisung = Gesundheitsfürsorge nach unserem Sprachgebrauch.
    Aufenthalt = § 1631 I BGB; Palandt 65. Aufl. Anm. 4 zu § 1631 BGB: Sie (die Aufenthaltsbestimmung) betrifft die Bestimmung von Wohnort und Wohnung, auch bei Dritten, z. B. im Internat oder bei den Großeltern .

    Offensichtlich fällt unter den Begriff "Aufenthalt" im Sinne dieser Vorschrift nichts Kurzfristiges oder nichts für nur kurze Zeit Gedachtes. Deshalb halte ich Urlaub, Klassenfahrt etc. für nicht unter diesen Begriff fassbar.



    Das überzeugt mich nicht so richtig. Die Festlegung des Aufgabenkreises gem. § 1896 Abs. 2 BGB erfolgt, soweit die Betreuung erforderlich ist. Auch wenn die Formulierung "Aufenthaltsbestimmungsrecht" in § 1631 BGB definiert wird, kann der Aufgabenkreis weiter gefasst sein. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein Betreuter, der hinsichtlich seines Aufenthaltsortes betreuungsbedürtig ist, alleine entscheiden kann, ob er eine dreimonatige Weltreise macht. Auch ein kurzfristiger Aufenthaltswechsel betrifft den Aufenthalt.

    Beim Krankenhausaufenthalt mag die Gesundheitssorge zusätzlich tangiert sein. :zustimm:
    Gem. Palandt, Anm. 20 zu § 1896 BGB ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht "angebracht, um sicherzustellen, dass der Betroffene die erforderlichen Medikamente einnimmt und andernfalls untergebracht wird."

  • Blöd ist, dass jedes Gericht in Betreuungssachen seine Wirkungskreise nach eigenem Geschmack zuschneidet bzw. der Umschreibung derselben eine andere Bedeutung unterlegt. Z. B. "Unterbringung": Das ist nach hiesigem Sprachgebrauch die "geschlossene Unterbringung". Einige Gerichte fassen die "Unterbringung" unter "Aufenthaltsbestimmung", was m. E. absolut falsch ist, weil letztere in § 1907 II BGB gesondert erwähnt wird. Der Gesetzgeber trennt also schön die Begriffe. Bei unserem Gericht wird wegen §§ 1906, 1907 II BGB ein eigener Wirkungskreis "Entscheidung über die geschlossene Unterbringung" ggfs. zugebiligt.

    Aus der in #14 zitierten Fundstelle ergibt sich eindeutig der Verweis auf § 1906 BGB. In Zusammenhang mit der hier diskutierten Frage aus dem Minderjährigenrecht kann diese Fundstelle also nicht argumentativ herangezogen werden.

    Ich bin ja gerne bereit, jede vorübergehende Ortsveränderung als genehmigungspflichtigen Aufenthaltswechsel anzunehmen. Welcher Minderjährige muss denn nicht seinen ges. Vertreter fragen, wenn er für ein paar Tage ortsabwesend sein will? Das hat aber m. E. weniger mit der Aufenthaltsbestimmung zu tun, sondern mit der allgemeinen Genehmigung dieser Absicht. Der g. V. weist doch nicht den Wohnort für eine begrenzte Zeit zu, sondern erlaubt die vorübergehende Abwesenheit vom allgemeinen Lebensmittelpunkt.
    Verkleinerndes Beispiel: Wer im Kino sitzt, wohnt gleichwohl noch zu Hause.

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