Erbvertrag/Ersatznacherben

  • Da die Postings vom 30.10. wohl "verloren" sind, versuche ich, eine gestern eingestellte erbrechtliche Fragestellung aus dem Gedächtnis zu rekontruieren. Die Fragestellerin möge sich bitte melden und den Sachverhalt entsprechend autorisieren.

    Sachverhalt

    Die Eheleute A und B haben sich erbvertraglich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt, dass die Ehefrau B nur befreite Vorerbin ist, falls der Ehemann A zuerst verstirbt. Nacherbe ist Sohn C, Ersatznacherben dessen Abkömmlinge "entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge". C und D sind mit Vermächtnissen bedacht. Eine Schlusserbeneinsetzung des überlebenden Ehegatten soll nach dem Inhalt des Erbvertrags nicht erfolgen.

    In einem Erbvertragsnachtrag widerrufen A und B sämtliche Zuwendungen an C und bestimmen, dass die übrigen Bestimmungen des ursprünglichen Erbvertrags unverändert weitergelten sollen, soweit sich aus dem Erbvertragsnachtrag nichts anderes ergibt.

    Der Ehemann A stirbt vor der Ehefrau B. C hat vier Kinder (C1-C4).

    Fragestellung

    Es wurde die Frage aufgeworfen, ob die ursprünglich als Ersatznacherben vorgesehenen Abkömmlinge des C nunmehr zu Nacherben aufrücken und des weiteren nunmehr deren Abkömmlinge zu Ersatznacherben berufen sind. Die Fragestellerin möchte dies bejahen, weil die Zuwendungen an die Abkömmlinge von C nicht widerrufen worden seien, hat aber Zweifel daran, ob die Annahme einer Ersatzerbeneinsetzung der "Abkömmlinge der Abkömmlinge" nicht zu weit gehe. Außerdem wurde zur Diskussion gestellt, ob eine Zeugeneinvernahme des Notars die bisher befürwortete Auslegung in Frage stellen könne, falls dieser erkläre, dass die Eheleute mit dem Widerruf der Zuwendung an C auch die Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge des C haben widerrufen wollen und ob ein solches Vorbringen daran scheitern könnte, weil eine entsprechende Verfügung der Eheleute im Erbvertrag nicht fixiert sei.

  • Meine gestrige Antwort lautete in etwa wie folgt:

    Problem

    Es stellt sich die Frage, ob die Eheleute nur die persönlichen Zuwendungen an C widerrufen wollten, oder ob es ihr Wille war, dass der gesamte Stamm des C aus dem Nachlass nichts erhalten soll. Letzteres ist nach dem Wortlaut des Erbvertrags zu verneinen.

    Ich bin allerdings der Auffassung, dass die vier Kinder des C nicht in persona zu Nacherben eingesetzt sind, sondern dass ein Fall vorliegt, bei welchem die Persönlichkeit der Nacherben erst durch den Eintritt des Nacherbfalls bestimmt wird. Die Eheleute haben die vier Kinder des C im Erbvertrag nämlich nicht namentlich bedacht, sondern für die (nicht zum Zuge kommende) Ersatznacherbfolge ausdrücklich auf "die Abkömmlinge des C entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolge" abgestellt. Dies kann nach meinem Dafürhalten nur bedeuten, dass nicht C1-C4 Nacherben sind, sondern die im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vorhandenen Abkömmlinge des C zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Es handelt sich daher um unbekannte Nacherben i.S. des § 1913 S.2 BGB, die bei evtl. künftigem Handlungsbedarf nur von einem Pfleger vertreten werden und nicht durch C1-C4 repräsentiert werden können.

    Damit löst sich auch das (Schein)Problem der Ersatznacherbfolge zugunsten der "Abkömmlinge der Abkömmlinge". Denn wenn für die Bestimmung der Persönlichkeit der Nacherben auf den Eintritt des Nacherbfalls abzustellen ist, dann ist von vorneherein nur Nacherbe, wer den Nacherbfall erlebt. Wer ihn erlebt, ist aber endgültiger Nacherbe.
    Ersatznacherben kann es bei der Einsetzung von "unbekannten Nacherben" somit begrifflich überhaupt nicht geben.

    Erbscheinsinhalt

    Alternative 1: Man folgt der vorgenannten Auslegung

    "Nacherbfolge ist angeordet, die mit dem Ableben der Vorerbin (Witwe) eintritt. Die Vorerbin ist -soweit gesetzlich zulässig- von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit. Nacherben sind die im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vorhandenen Abkömmlinge des C zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge."

    Alternative 2 (vorsorglich): Man hält C1-C4 in persona für bedacht

    "Nacherbfolge ist angeordnet, die mit dem Ableben der Vorerbin (Witwe) eintritt. Die Vorerbin ist -soweit gesetzlich zulässig- von den gesetzlichen Beschränkungen der Vorerbschaft befreit. Nacherben sind C1, C2, C3 und C4 zu gleichen Anteilen. Ersatznacherben für jeden Nacherben sind dessen Abkömmlinge zu gleichen Stammanteilen nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge."

    Dass die Abkömmlinge von C1-C4 bei vorstehender Alternative 2 zu Ersatznacherben berufen sind, steht für mich außer Frage. Zum einen entspricht dies der Auslegungsregel des § 2069 BGB und zum anderen hätten diese Abkömmlinge auch aufgrund der ursprünglichen (nicht zum Zuge gekommenen) erbvertraglichen Regelung im an die Stelle von C treten können, und zwar dann, wenn sowohl C als auch C1-C4 (oder einer von ihnen) den Nacherbfall nicht erlebt. Ob C durch Widerruf einer letztwilligen Verfügung oder durch Vorversterben wegfällt, macht für § 2096 BGB keinen Unterschied. Wenn C bereits verstorben wäre, wären C1-C4 zweifelsfrei zu Nacherben und ihre Abkömmlinge zu Ersatznacherben berufen. Warum sollte es anders sein, wenn C durch Enterbung wegfällt?

    Evtl. Zeugenaussage des Notars

    Auch wenn der Erbvertragsnachtrag nach seinem Wortlaut eindeutig erscheint (es ist immer nur von C, nicht aber von seinen Abkömmlingen die Rede), schließt dies eine abweichende Auslegung im Sinne des Wegfalls der Zuwendungen an den gesamten Stamm C nicht aus. Formprobleme sehe ich dabei nicht, weil ansonsten jede Auslegung an der Nichteinhaltung der Testaments- oder Erbvertragsform scheitern würde. Wenn der beurkundende Notar in dem besagten Sinne aussagt, muss er aber gleichzeitig einräumen, dass der (auslegungsbedürftige) Inhalt des Erbvertragsnachtrags auf seine eigene fehlerhafte Sachbehandlung zurückzuführen ist. Denn es hätte in jedem Fall der ausdrücklichen Regelung bedurft, ob es bei der Bedenkung der Enkel verbleiben soll oder nicht.

  • Ich habe mich gestern schon gewundert, daß noch keiner eine Idee zu meinem Thema hatte. Danke für Deine nochmalige Antwort.

    Der Ausgangssachverhalt ist in etwa so wiedergegeben.

    Was mir nicht ganz klar ist:

    Wenn ich es richtig verstanden habe, komme ich ohne Aussage des Notars nur zu dem Ergebnis, daß die Nacherbfolge immer noch gilt, also die Ehefrau nicht Vollerbin geworden ist.

    Sollte nun der Notar aussagen, daß der ganze Stamm C wegfallen hätte sollen, kann ich dann automatisch sagen, die Nacherbfolge ist weggefallen und die Ehefrau Vollerbin? Oder gilt § 2104 BGB (gesetzl. Nacherben)?

    Evtl. sagt der Notar auch aus, daß die ganze Nacherbfolge hätte wegfallen sollen? Ein Erbschein wäre dann ohne Nacherbfolge zu erteilen?

  • Wenn die Auslegung ergibt, dass die Zuwendungen für den gesamten Stamm C entfallen sollten, ist die Witwe nach meiner Ansicht alleinige Vollerbin.

    Zwar kann § 2104 BGB auch dann anwendbar sein, wenn die Einsetzung des Nacherben widerrufen wird (BayObLG FamRZ 1991, 1114). Ein solches Ergebnis erscheint aber im vorliegenden Fall durchaus diskussionswürdig, weil die Eheleute in ihrer ursprünglichen Verfügung keine weiteren Ersatznacherben bestimmt hatten. Fällt der Stamm C aber nach dem Willen der Eheleute vollständig aus, so liegt auch der (weitere) der Schluss nahe, dass die Nacherbfolge nach dem Willen der Eheleute durch den Erbvertragsnachtrag vollständig in Wegfall kommen sollte.

    Man wird daher insoweit in jedem Fall die Stellungnahme des Notars abzuwarten haben. Wenn man hiernach zur Anwendung des § 2104 BGB gelangt, dann aber natürlich nur in der Weise, dass die im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vorhandenen gesetzlichen Erben des Erblassers mit Ausnahme des gesamten Stammes C zu Nacherben berufen sind.

    Aber eines ist klar: Für den Pflichtteilsanspruch des Sohnes C hat die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit des § 2104 BGB erhebliche Bedeutung. Denn wenn die Nacherbfolge wegfällt, kassiert er seine Pflichtteile aus dem Vermögen des Vaters im Ergebnis zweimal (jetzt beim ersten Sterbefall und später auch nochmals beim Ableben der Mutter), während er im Fall des Bestehenbleibens der Nacherbfolge beim Ableben der Mutter am Nachlass des Vaters nicht nochmals pflichtteilsrechtlich partizipiert.

  • Danke für Deinen Beitrag.

    Der Sohn hat bereits vor längerer Zeit auf seinen Pflichtteil verzichtet und wurde mit einem "Butterbrot" abgespeist. Diese Problematik stellt sich also nicht. Jetzt hofft er, daß er für seine Kinder zumindest noch etwas über die Nacherbfolge "retten" kann. Es ist nicht unerhebliches Immobilienvermögen vorhanden (drei Häuser).

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