Insolvenzeröffnung und Grundbucheintrag

  • Hallo Kollegen,

    ein Fall mit Klausurqualitäten, über den ich leider entscheiden muss:

    Grundschuld und Kaufvertrag (AV) beurkundet am 23.2.07.
    Insolvenzeröffnung am 27.02.2007, 8.00
    Antrag auf Eintragung der Grundschuld und AV am 27.02.2007, 11.02
    Antrag auf Eintragung der Insolvenzeröffnung am 27.02.2007, 11.22

    § 878 BGB scheidet aus, weil Insolvenzeröffnung vor Eintragungsantrag
    gestellt wurde. Bleibt § 892 BGB. Hier gibt es, wie ich inzwischen herausfand, zwei Meinungen: eine sagt Eintragungsantrag bez.
    Grundschuld und AV zurückweisen, die andere sagt eintragen, wenn
    gutgläubiger Erwerb möglich ist. Ich neige an sich zu letzterer Meinung.

    ABER: Es ist bereits ein Zwangsversteigerungsvermerk eingetragen und
    im Meikel/Böttcher fand ich die Bemerkung, dass dass das GBA auch die
    Gutgläubigkeit des Erwerbers prüfen muss. Es heißt weiter, dass nur "wenn der Beweis der Bösgläubigkeit geführt wird ODER ... eine Verfügungsbeeinträchtigung vermerkt wurde bzw. wird" der Grundbuchrechtspfleger die Eintragung verweigern darf.

    Frage: Kann ich die Gutgläubigkeit des Erwerbers unterstellen (im Hinblick
    auf die Insolvenzeröffnung), wenn bereits eine Verfügungsbeeinträchtigung eingetragen ist (nämlich der Zwangsversteigerungsvermerk)? Oder schließt nicht vielmehr die Eintragung des ZV-Vermerks die Gutgläubigkeit des Erwerbers in die unbeeinträchtigte Verfügungsberechtigung aus, die ja definitiv nicht mehr vorliegt (wenn auch nur relativ gegenüber dem Grundschuldgläubiger)?

    Besten Dank für Eure Bemühungen

  • Wenn ich etwas mehr Zeit habe, werde ich versuchen, in die rechtliche Problematik einzusteigen. Vorab aber mal ein pragmatischer Ansatz:

    Insolvenzverwalter anrufen, Sachverhalt schildern und ganz lieb bitten, dass er möglichst schnell mitteilt, ob er nach § 103 InsO Erfüllung des KV wählt (oder den KV vielleicht sogar anficht). Dann erledigen sich u.U. die rechtlichen Probleme.

  • Da das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, bevor der Antrag auf Eintragung der Grundschuld einging, greift der Schutz des § 878 BGB nicht, da eine der Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt ist. Hier stellt sich die Frage, ob der Gläubiger und der Vormerkungsberechtigte gegenüber dem Grundbuchamt aus § 892 BGB einen Anspruch auf Vollzug der Bewilligungen und somit auf Vollendung des gutgläubigen Erwerbs haben[1]. Ob aber für einen redlichen Verfügungsempfänger gutgläubiger Rechtserwerb durch die Eintragung auch dann herbeizuführen ist, wenn das Grundbuchamt von der nicht eingetragenen Verfügungsbeschränkung erfährt, ist höchst umstritten[2].

    Du kannst den Antrag zurückweisen [3] oder die Grundschuld und die Vormerkung gemäß der zunehmend vertretenen Gegenmeinung[4] eintragen. Ich persönlich würde nicht mehr eintragen, da das Grundbuchamt m.E. mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht in der Lage ist, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb tatsächlich vorliegen. Dies mögen die Parteien vor dem Prozessgericht klären. Auch überzeugt mich die Argumentation des OLG Karlsruhe (Rpfleger 1998, 69), das festgestellt hat, dass unsere Rechtsordnung mit § 892 BGB zwar den gutgläubigen Erwerber schütze, nicht aber den Erwerbsvorgang. Dass bei Gutgläubigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Eintragung zwingend erfolgen müsse, lasse sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Vielmehr sei solange der gutgläubige Erwerb noch nicht durch Eintragung abgeschlossen sei, der tatsächliche Berechtigte zu schützen.

    [1] Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. RN 128

    [2] Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13. Aufl. RN 352

    [3] so z.B. OLG Karlsruhe Rpfleger 1998, 68; Berstelmeyer Rpfleger1997. 424 und Stöber, GBO-Verfahren und Grundstückssachenrecht, RN 321-326, 343.

    [4] K/E/H/E, GBO, 5. Aufl., RN 98, 100 zu § 19 GBO; MüKo, BGB, 4. Aufl. RN 70 zu § 892; Meikel, GBO, 9.Aufl., Einl. H 68 ff; Staudinger, BGB, 2002, RN 203 zu § 892 BGB

  • Es entspricht einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass das GBA bei absoluten Verfügungsbeschränkungen nicht zu einem (an sich) möglichen gutgläubigen Erwerb verhelfen darf (RGZ 71, 38 = LZ 1909, 938 = RJA 10, 140; KGJ 27 A, 97 = OLGE 8, 107 = ZblFG 05, 66; KGJ 28 A, 92; KG HRR 1934 Nr.1095; KG NJW 1973, 56 = Rpfleger 1973, 21 = OLGZ 1973, 76 = DNotZ 1973, 301; BayObLGZ 1994, 71 = Rpfleger 1994, 453 = MittBayNot 1994, 324; OLG München JFG 16, 144; OLG Düsseldorf MittBayNot 1975, 224; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 445 = Rpfleger 1996, 68; OLG Dresden NotBZ 1999, 261; OLG Hamburg FGPrax 1999, 6). Es ist schon aus haftungsrechtlichen Erwägungen dringend anzuraten, dieser Aufassung im Grundbuchverfahren nicht zuwiderzuhandeln.

    Die Verweigerung der Eintragung ist auch in der Sache begründet.

    Zwar spielt der eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk keine Rolle, weil ja nicht der gutgläubige Erwerb im Verhältnis zum angeordneten Versteigerungsverfahren, sondern der gutgläubige Erwerb im Verhältnis zur angeordneten Insolvenz in Frage steht. Entscheidend ist vielmehr, dass die vom Verfügenden abgegebenen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Erklärungen (also die Auflassung oder sonstige materielle Erklärung sowie die entsprechenden Eintragungsanträge und Bewilligungen) im Fall der Nichtanwendbarkeit des § 878 BGB unwirksam sind und eine Grundbucheintragung aufgrund einer erkanntermaßen unwirksamen Erklärung nicht in Betracht kommen kann.

    Vgl. den Wortlaut des § 878 BGB: "...wird nicht dadurch unwirksam ..."

    Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass bereits abgegebene Erklärungen unwirksam werden und später abgegebene Erklärungen unwirksam sind, wenn die Voraussetzungen des § 878 nicht vorliegen.

    Die Berufung der Befürworter einer Grundbucheintragung zur Herbeiführung eines gutgläubigen Erwerbs auf § 17 GBO geht fehl. § 17 GBO besagt nur, in welcher Reihenfolge über Antrag und Ersuchen zu entscheiden ist, aber nicht, wie darüber zu entscheiden ist. § 17 GBO ist somit auch dann gewahrt, wenn der zuerst eingegangene Antrag zurückgewiesen und aufgrund des später eingegangenen Ersuchens eingetragen wird. Dass § 17 GBO für die vorliegende Problematik bedeutungslos ist, ergibt sich schon daraus, dass beim Nichtvorliegen eines Ersuchens (aber Kenntnis des GBA von der Insolvenzeröffnung) überhaupt nur ein Antrag (auf Rechtsänderung) vorliegt, über den es zu entscheiden gilt. Niemand käme auf die Idee, zur Rechtfertigung der positiven Entscheidung über diesen (einzig vorliegenden!) Antrag die Norm des § 17 GBO heranziehen zu wollen.

    Es geht vielmehr schlichtweg darum, dass aufgrund der Unwirksamkeit der vom Verfügenden abgegebenen Erklärungen die für eine Grundbucheintragung erforderlichen Voraussetzungen (wirksame Auflassung bzw. Bewilligung des Verfügenden) nicht mehr erfüllt sind. Und ohne Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen darf eben nicht eingetragen werden.

  • Nachtrag:

    Eine Zurückweisung ist nicht unbedingt gerechtfertigt.

    Der Mangel könnte ja durch eine Genehmigung des Insolvenzverwalters geheilt werden. Ob die Erteilung dieser Genehmigung wahrscheinlich oder unwahrscheinlich ist, hat keinen Einfluss darauf, dass das vorliegende Eintragungshindernis grundsätzlich behebbar ist.

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