Testamente, die ich gar nicht mag

  • ich hatte die Sparlösung schon einmal, ist leider auch nach hinten losgegangen, da die beiden Kinder( und bedachten Erben. einer Grundstück- einer Barvermögen) zwar ziemlich einig erschienen, aber Zoff durch die "Eheanhängsel"- ich habe Mutti gepflegt, das kann doch wohl nicht mit dem Kontoguthaben, von dem noch die Beerdigung bezahlt wird, abgetan sein..... Zum glück ging der Streit schon im Termin zum Erbscheinsantrag los...., ichhabe dann die Werte zum Testierzeitpunkt genommen, war zum Glück erst zwei Jahre her und die Erblasserin war da schon pflegebedürftig..... ansonsten komme ich bei der Konstellation auch meistens ins Schwimmen....

  • Ich möchte vorsorglich nochmals betonen, dass derlei Testamentsauslegungen nur bei absoluter Einigkeit der Beteiligten durchführbar sind. Dies setzt aber natürlich voraus, dass man den Beteiligten im Erbscheinstermin die jeweiligen rechtlichen Konsequenzen der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten nahe bringt, damit sie sich auch im Bewusstsein der einen oder anderen Folgen entscheiden können.

    Besteht keine Einigkeit über die Testamentsauslegung, ergibt sich im hier behandelten Kontext insofern kein Problem, als der eine Beteiligte naturgemäß die eine und der andere Beteiligte die andere Auffassung vertritt und das NachlG dann eben entscheidet.

    Die Fälle, bei welchen tatsächlich eine Quotenerbfolge im Wertverhältnis der Vermögenszuwendungen in Betracht kommt, sind nach meiner Erfahrung allerdings relativ selten (in 20 Jahren insgesamt maximal 10 Fälle), weil sich die Beteiligten entweder über eine von der Quotenerbfolge abweichende Testamentsauslegung einig sind oder weil das Testament und die für die Auslegung maßgeblichen Umstände hinreichende Anhaltspunkte dafür bieten, welcher Beteiligte eine Erbenstellung innehaben soll (Beispiel: Zuwendung des Grundbesitzes als wesentlicher Teil des Nachlasses oder sonstiges größeres Auseinanderklaffen der Zuwendungswerte).

    Wenn es irgend geht, versuche ich, die besagten Quotenerbfolgen zu vermeiden, und zwar auch deshalb, weil es in der Regel nicht zutrifft, dass der Erblasser keine Vorstellung davon hatte, wer sein Erbe sein soll.

  • Zitat von juris2112


    Die Fälle, bei welchen tatsächlich eine Quotenerbfolge im Wertverhältnis der Vermögenszuwendungen in Betracht kommt, sind nach meiner Erfahrung allerdings relativ selten (in 20 Jahren insgesamt maximal 10 Fälle)



    Was aber tun bei folgendem Fall (hatte ich vor längerer Zeit) :

    Ehepaar macht privatschr. Berliner Testament mit folgender Schlusserbeneinsetzung : Beim Tode des Längerlebenden soll unser Sohn A das Barvermögen und unser Enkel A1 [Sohn von A] das Grundeigentum mit Inventar erhalten.

    Werte bei Schlusserbfall : Verkehrswert des Grundeigentums = ca. 100.000,- (Steuerrechtlich wesentlich weniger); Barvermögen = ca. 120.000,- € (Rest ist zu vernachlässigen).

    Ich habe hier auf die Quotenlösung zurück gegriffen, da beide Partien erben wollten...

    Hätte ich die Partien auf eine andere Lösung (die der Richter dann natürlich mittragen müsste) drängen sollen ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Nein, natürlich nicht, es hängt immer vom Einzelfall ab.

    Im geschilderten Fall hat der Enkel allerdings Erbschaftsteuer bezahlt (Freibetrag nur 51.200 €), während er bei Alleinerbenstellung des Sohnes aufgrund des Steuerwerts des Grundbesitzes wahrscheinlich nichts bezahlt hätte. Beim Sohn (Freibetrag 205.000 €) wäre demgegenüber bei allen denkbaren Lösungen keine Erbschaftsteuer angefallen. Die Parteien haben sich bei der besagten Testamentsauslegung somit wahrscheinlich keinen Gefallen erwiesen.

    Außerdem muss man bei solchen Lösungen immer das Pflichtteilsrecht im Auge behalten. Wären die Wertverhältnisse im geschilderten Fall umgekehrt gewesen (Grundbesitz 120.000 €, Geldvermögen 100.000 €), so hätte der Sohn als Quotenerbe zu 100/220 nach § 2305 BGB noch den Zusatzpflichtteil in Höhe von 10/220 geltend machen können und die Wirksamkeit der Teilungsanordnung bzw. des Vorausvermächtnisses zugunsten des Enkels wäre nach § 2306 Abs.1 S.1 BGB entfallen, während der Sohn im Fall seiner Alleinerbenstellung nur die Ausschlagungsmöglichkeit nach § 2306 Abs.1 S.2 BGB hätte wahrnehmen können.

    Man muss also sehr darauf acht geben, dass man sich bei der Testamentsauslegung (nicht nur, aber auch) im Sinne der Quotenerbfolge nicht in den rechtlichen Fallstricken der §§ 2305 und 2306 BGB verfängt.

  • Zitat von juris2112

    ... während er bei Alleinerbenstellung des Sohnes aufgrund des Steuerwerts des Grundbesitzes wahrscheinlich nichts bezahlt hätte.



    Mach ich jetzt einen Denkfehler oder ist der Steuerbetrag bei Vermächtnissen nicht gleich ?

    Die nachfolgende Grundstücksübetragung im Rahmen der Geltendmachung des Vermächtnisses wäre doch keine Zuwendung des Sohnes A an A1 mit der Folge, dass der Freibetrag 205.000,- € betragen würde, sondern noch immer eine Zuwendung des letztversterbenden Großelternteils von A1 an diesen - oder ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Wenn Sohn A Alleinerbe ist und den Grundbesitz an seinen Sohn A1 vermächtnisweise übertragen muss, hat er nur den ihm verbleibenden Vermögenserwerb, also das Geldvermögen in Höhe von 120.000 €, zu versteuern, was weit unter seinem Freibetrag von 205.000 € liegt. Der Enkel seinerseits müsste nur sein Grundstücksvermächtnis versteuern. Dieses Vermächtnis bleibt steuerfrei, falls der Steuerwert des Grundbesitzes den Freibetrag von 51.200 € nicht übersteigt.

    Im Gegensatz hierzu erhält der Enkel bei der Quotenerbfolge im steuerlichen Sinne 100/220 des Geldvermögens zuzüglich die gleiche Quote am Steuerwert des Grundbesitzes. Hier überschreitet bereits sein Anteil am Geldvermögen (54.545 €) den Freibetrag von 51.200 €.

  • Ah - jetzt habe ich den (steuerrechtlichen) Knaxus verstanden.

    Das gilt aber doch nur so lange, wie die steuerrechtliche Ungleichbehandlung des Barvermögens zum Grundeigentum andauert ?!

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Das ist gundsätzlich zutreffend, hängt aber davon ab, inwieweit auch nach neuem Erbschaftsteuerrecht noch bewertungsrechtliche Diskrepanzen zugunsten des Grundbesitzes bestehen und -insbesondere- ob und welche Freibeträge es speziell für selbstgenutzte Immobilien geben wird.

  • Kleines Update zum Ausgangsfall #1:

    Eben war einer der Söhne (Dr. med., Internist) zum ES-Antrag da.
    Ich sagte ihm, dass es zwei Möglichkeiten gäbe:
    1.
    Erbschein zu Quoten mit anschl. notariellem Auseinandersetzungsvertrag mit seinem Bruder.
    2.
    Auslegung des Testamentes dahingehend, dass er Alleinerbe und sein Bruder Vermächtnisnehmer ist.

    Von beidem war er nicht sehr begeistert, da beides "nicht dem Willen seiner verstorbenen Mutter entspräche".

    Wir haben uns vertagt. Er will mit seiner Frau und seiner Tochter (beides Juristen) Rücksprache halten.

    Da bin ich jetzt wirklich mal gespannt.

  • Nachtrag:
    Der "Herr Doktor" war heute nochmal da.

    Er hatte sich nun damit abgefunden, dass es nur einen der beiden Wege wie #29 gibt (welchen Rechtsrat ihm seine "Hausjuristinnen" genau gegeben haben, ist nicht klar geworden).

    Wir haben den Antrag nun (entsprechend #19) als gesetzliche Erbfolge (2 Brüder zu je 1/2) mit Vorausvermächtnis für den Antragsteller, der wertmäßig überwiegend bedacht ist, aufgenommen. Geht jetzt zum rechtlichen Gehör an den Bruder.

  • Erneutes Update:

    Herr Doktor ruft an und bittet, den Antrag nochmal zur Seite zu legen.

    Seine Tochter habe ihm gesagt, dass gesetzliche Erbfolge nicht angenommen werden könne.

    Er hat jetzt um 17 Uhr einen Termin bei einem erfahrenen ortsansässigen Anwaltsnotar und meldet sich morgen.

  • Na ja, wenigstens ist er persönlich ganz in Ordnung (wenn er auch meine Erklärungen von wegen "es ist nicht möglich, einen einzelnen Gegenstand direkt zu erben" innerlich wohl nicht so ganz akzeptiert).

    Ich bin ja selbst noch in einer Art "Findungsphase", wie ich mit diesen Testamenten am Besten umgehe.

  • Dieser Fall ist echt "lustig".

    Jetzt kam Herr Doktor, erzählte mir nicht, was der Anwaltsnotar ihm geraten hat, und nahm seinen ES-Antrag zurück mit der Begründung
    Seine Mutter wollte eben nicht, dass er sich mit seinem Bruder "auseinandersetzen" muss.

    Na denn, dann warte ich den notariellen Antrag ab.

  • Den Inhalt dieses Antrags kann man sich aber wohl an fünf Fingern abzählen. Denn wenn der Antragsteller geäußert hat, dass die Mutter nicht wollte, dass er sich mit seinem Bruder auseinandersetzen müsse, kann dies eigentlich nur bedeuten, dass er sich nunmehr als Alleinerbe und seinen Bruder lediglich als Vermächtnisnehmer betrachtet.

  • Zumindest beim ersten Termin äußerte der Antragsteller, dass dies "ja nun überhaupt nicht aus dem Testament herzuleiten sei".

    Vielleicht hat ihn der Anwaltsnotar eines Besseren belehrt.

    Ich lehne mich genüsslich zurück und warte ab.

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