Rechtsprechungshinweise Insolvenz

  • 1.
    Das Grundbuchamt muss bei entsprechendem Anlass (Ersuchen des britischen Insolvenzverwalters um Eintragung des Insolvenzvermerks und zu besorgender Übergang der Verfügungsbefugnis auf den "trustee") von Amts wegen prüfen, ob der die Eintragung Bewilligende zur Verfügung über das betroffene Grundbuchrecht befugt ist.
    2.
    Die die Bewilligung ersetzende Wirkung eines rechtskräftigen Urteils wird wegen der auch vom Grundbuchamt zu beachtenden Rechtsvermutung des § 891 BGB durch bloße Zweifel des Grundbuchamts am Bestand bzw. Fortbestand der Verfügungsbefugnis des eingetragenen Eigentümers mit Blick auf ein in England über sein Vermögen eröffnetes Insolvenzverfahren nicht überwunden; sie ist nur widerlegt, wenn dem Grundbuchamt die Unrichtigkeit des Grundbuchs zweifelsfrei belegende Tatsachen bekannt oder nachgewiesen sind.
    3.
    Über das Eintragungsersuchen des englischen Treuhänders ("trustee") hat nicht das Grundbuchamt, sondern das Insolvenzgericht zu entscheiden, dem allein die gesamte Prüfung der kollisions- und insolvenzrechtlichen Voraussetzungen des beantragten Insolvenzvermerks, namentlich der Einordnung und Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Verfahrens sowie der Auswirkungen auf die Verfügungsbefugnis des Schuldners, obliegt.

    OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2. 3. 2012 - I-3 Wx 329/11

  • Nach den Grundsätzen der obergerichtlichen Rechtsprechung beendet die auf einem insolvenzrechtlichen Sonderkündigungsrecht des Verwalters beruhende Kündigung das Mietverhältnis insgesamt mit Wirkung für und gegen sämtliche Beteiligte.

    OLG Hamburg, Urt. v. 29. 3. 2012 - 8 U 78/11

  • 1. Eine insolvenzbedingte Leistungsunfähigkeit des Nachunternehmers ist dem Hauptunternehmer wie eine eigene Leistungsunfähigkeit - und damit Ungeeignetheit - zuzurechnen. Dies kann dazu führen, dass das Angebot des Hauptunternehmers für eine Zuschlagerteilung nicht in Betracht kommt.

    2. Die allgemeine, mit jeder Auftragsvergabe verbundene Gefahr, dass ein Bieter/Auftragnehmer - mehr oder weniger zeitnah - nach Zuschlagserteilung insolvent wird, muss jeder Auftraggeber hinnehmen. Der Fall der Insolvenz bzw. der auf eine Insolvenzeröffnung gerichtete Antrag vor Zuschlags-/Auftragserteilung eröffnet einen Entscheidungsspielraum des Auftraggebers zum Bieterausschluss, wenn dem Bieter infolge dieser Umstände "die für die Erfüllung der vertraglichen Pflicht erforderliche Eignung" (Leistungsfähigkeit) abhandengekommen ist.

    3. Die Insolvenz des Bieters an sich ist für einen Ausschluss nicht ausreichend. Erforderlich ist auch eine - einzelfallbezogene - Prognose zur entfallenen bzw. zur fortbestehenden Leistungsfähigkeit des betroffenen Unternehmens.

    OLG Schleswig, Beschl. v. 30. 5. 2012 - 1 Verg 2/12

  • LG Bückeburg: Beschluss vom 30.05.2012 - 4 T 97/11

    Die Kammer teilt, soweit es um die Höhe der von der Landeskasse zu zahlenden Vergütung geht, die Auffassung, dass der Insolvenzverwalter aus der Landeskasse nur die sog. Mindestvergütung (§ 2 II InsVV) erhalten könne, nicht. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Gesetzeswortlaut ebenso wie den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, sodass letztendlich nur eine sich am Wortlaut der Regelung orientierende Gesetzesauslegung in Betracht kommt, die aber eben keine Beschränkung auf die Mindestgebühr vorsieht.

  • Gegen die Anordnung des Insolvenzgerichts, ein Sachverständigengutachten dar-über zu erheben, in welchem Staat sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, ist in der Regel die sofortige Beschwere nicht statthaft.

    BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - IX ZB 6/12 -

  • Wird die Forderung des antragstellenden Sozialversicherungsträgers nach Stellung des Insolvenzantrages erfüllt, entfällt das Rechtsschutzinteresse dieses Gläubigers an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der Schuldner das Arbeitsverhältnis des bei dem Gläubiger versicherten Arbeitnehmers gekündigt und die Betriebsstätte geschlossen hat.

    BGH, Beschluß vom 12. Juli 2012 - IX ZB 18/12

  • OLG Celle: Beschluss vom 06.08.2012 - 13 W 64/12

    Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Anwendungsbereich des Anfechtungsgesetzes (AnfG) kann - soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 AnfG erfolgt - ausschließlich durch Duldungsbescheid erfolgen; eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor den ordentlichen Gerichten ist ausgeschlossen.

  • Mit Eintritt der formellen Rechtskraft der gerichtlichen Bestätigung eines Insolvenzplans kann die Erfüllung einer Steuerforderung in der die vereinbarte Quote übersteigenden Höhe lediglich nicht mehr durchgesetzt werden. Eine Erfüllung i.S.d. § 44 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AO ist damit nicht eingetreten; sie bleibt vielmehr weiterhin möglich. Die in § 254 Abs. 1 InsO festgeschriebenen Rechtswirkungen stehen, soweit sie die vereinbarte Quote übersteigen, damit einer Erfüllung i.S.d. § 44 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 AO nicht gleich.

    FG Saarland, Urt. v. 23. 11. 2011 - 2 K 1683/09

  • 1. Die Auskunftspflicht über die Sozialauswahl gem. § 1 III 1 Halbsatz 2 KSchG gilt - bei einem entsprechenden Verlangen des Arbeitnehmers - auch in den Fällen eines Interessenausgleichs mit Namensliste in der Insolvenz i.S.d. § 125 InsO uneingeschränkt.

    2. Erfüllt der Insolvenzverwalter die Auskunftspflicht nicht bzw. nicht hinreichend ist die Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen. (Leitsätze des Gerichts)

    ArbG Stuttgart, Urteil vom 24.07.2012 - 16 Ca 2422/12

  • Wurde über das Vermögen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Insolvenzverfahren eröffnet, ist die von einem Gesellschafter gegen einen Gesellschaftsgläubiger erhobene Klage auf Feststellung, diesem nicht persönlich für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft zu haften, unzulässig.

    BGH, Beschluss vom 12. Juli 2012 - IX ZR 217/11 -

  • Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rats v. 29.5.2000 über Insolvenzverfahren ist dahin auszulegen, dass er u.U. wie denen des Ausgangsverfahrens auch auf Insolvenzverfahren Anwendung findet, die vor dem Beitritt der Republik Ungarn zur EU eröffnet wurden, wenn sich die dem Schuldner gehörenden Vermögensgegenstände, an denen das betreffende dingliche Recht bestand, am 1.5.2004 in Ungarn befanden, was zu prüfen Aufgabe des vorlegenden Gerichts ist.

    EuGH, Urt. v. 5. 7. 2012 - C-527/10

  • Hat ein Ehegatte eine Eigentümerbriefgrundschuld an einem ihm gemeinsam mit dem anderen Ehegatten gehörenden Grundstück mit Zustimmung des anderen Ehegatten an einen Dritten abgetreten, kann der spätere Insolvenzverwalter des anderen Ehegatten von dem Ehegatten, der das Abtretungsgeschäft vorgenommen hat, Auskunft über dessen Inhalt verlangen, soweit die im Innenverhältnis der Ehegatten bestehenden Auskunftsansprüche des Insolvenzschuldners auf ihn übergegangen sind.

    OLG Dresden, Beschl. v. 27. 3. 2012 - 20 W 1003/11

  • Dient die vom Insolvenzschuldner abgeschlossene Lebensversicherung der Absicherung eines Verbraucherdarlehens, steht dem Treuhänder ein Recht auf Auskehrung des Rückkaufwerts auch dann nicht zu, wenn unklar ist, auf welcher Grundlage der Kredit gewährende Gläubiger den Rückkaufswert bereits vor einer Kündigung der Lebensversicherung vereinnahmt hat.

    LG Düsseldorf, Urt. v. 27. 6. 2012 - 23 S 230/11

  • 1. Prognostische Ansprüche des Schuldners, deren Entstehung noch nicht als sicher zu berücksichtigen sind, sind in die Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit zum Eröffnungszeitpunkt nicht auf der Aktivseite einzustellen. Forderungen, die erst nach der Dreiwochenfrist zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit entstehen oder fällig werden, sind bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit nicht berücksichtigungsfähig.

    2. Fällige Forderungen, die seit geraumer Zeit unbeglichen geblieben sind, können nur mit einem erheblichen Abschlag auf der Aktivseite eingestellt werden.

    3. Bei Insolvenzeröffnungsentscheidungen ist Eile geboten.

    LG Hamburg, Beschl. v. 26. 6. 2012 - 326 T 77/12

  • 1. Ein nach dem 1.3.2012 eingehender Schuldnerantrag auf Insolvenzeröffnung ist nach Einräumung einer Nachbesserungsfrist als unzulässig abzuweisen, wenn der antragstellende Schuldner kein Gläubiger- und Forderungsverzeichnis einreicht.

    2. Schöpft der Schuldner die von der Rechtsprechung statuierte Begründungsfrist von 2 Wochen für die Begründung der sofortigen Beschwerde aus, ist der Beschwerde nicht abzuhelfen, wenn binnen dieser Frist die zuvor zur Abweisung führenden Mängel nicht beseitigt sind. Eine weitere Fristverlängerung ist nicht zu gewähren.

    3. Mit der Eröffnung des Verfahrens auf einen gleichzeitig vorliegenden Gläubigerantrag darf das Insolvenzgericht nach Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen nur zuwarten, wenn der Schuldner eine konkrete, zeitnahe Erholungsprognose glaubhaft machen kann, die zum Inhalt hat, dass seine Zahlungsunfähigkeit durch Vereinbarungen mit allen seinen Gläubigern wieder beseitigt wird, ansonsten ist der Schuldner auf § 212 InsO zu verweisen.

    AG Hamburg, Beschl. v. 1. 6. 2012 - 67c IN 49/12

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