PKH / VKH Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand

  • Hi, ich bin ganz neu in der Kostenabteilung und hätte mal eine Frage zu VKH/PKH.

    Da die Partei und auch der Anwalt nicht auf die Aufforderung zur Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reagiert hat, haben wir die VKH-Bewilligung im Juni 2022 aufgehoben. Der Beschluss wurde der Partei und dem RA zugestellt. Mitte Oktober meldet sich nun die Betreuerin der Partei und beantragt die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand (wir wussten nicht, dass eine Betreuung besteht). Die Betreuerin gibt an, dass die Partei nicht lesen und schreiben kann und kognitiv stark eingeschränkt ist. Er hatte also nicht verstanden, dass die VKH aufgehoben wurde. Die Belege zur Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde auch eingereicht.

    Jetzt weiß ich nicht so ganz, was ich machen soll, da die Beschwerdefrist abgelaufen ist, aber die Betreuerin schlüssig darlegt, wieso keine Einreichung von Unterlagen erfolgt ist. Über Vorschläge / Antworten würde ich mich sehr freuen. :)

  • Der Schriftsatz der Betreuerin dürfte als sofortige Beschwerde gegen den Aufhebungsbeschluss auszulegen sein, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Beschwerdefrist.

    Der Antrag auf Widereinsetzung ist natürlich unbegründet, weil die Zustellung ordnungsgemäß an den RA erfolgte. Auf die Fähigkeiten der Partei kommt es daher nicht mehr an.

    Weil die Beschwerdefrist versäumt wurde, ist die Beschwerde daher unzulässig.

    Ich würde daher die Akte unter Nichtabhilfe der Beschwerde dem Beschwerdegericht vorlegen. Aber zuerst einen entsprechenden Hinweis an die Betreuerin mit der Möglichkeit zur Antragsrücknahme.

  • Ja, sehe ich im Grundsatz auch so - außer, es handelte sich um einen Rechtsstreit, in dem kein Anwaltszwang bestanden hat. Dann muss der Anwalt in der begleitenden PkH-Überprüfung wohl nicht tätig werden und es kommt auf die Zurechnung seiner Kenntnisse nicht an.

    Über die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist entscheidet das Beschwerdegericht, da machst Du also nichts. Diskutiert wird nur, ob Du entscheiden dürftest, wenn Du (a) die Wiedereinsetzung für gegeben und zugleich (b) die Beschwerde für begründet hältst und deswegen abhelfen willst.

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

  • Ja, sehe ich im Grundsatz auch so - außer, es handelte sich um einen Rechtsstreit, in dem kein Anwaltszwang bestanden hat.

    Im Überprüfungsverfahren kann es keinen Anwaltszwang geben (§13 RpflG).

    Dann muss der Anwalt in der begleitenden PkH-Überprüfung wohl nicht tätig werden und es kommt auf die Zurechnung seiner Kenntnisse nicht an.

    Seine Vollmacht umfasst auf jeden Fall das Überprüfungsverfahren (vgl. BGH, XII ZB 151/10).

    Und derjenige der in der Lage war den RA hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens zu instruieren (ggf. gar die Betreuerin), von dem muss auch erwartet werden, dass er die vom Anwalt vermittelte Überprüfung und deren Folgen verstehen kann.

  • Ich sprach von "Rechtsstreit" mit Anwaltszwang. Das PkH-Prüfungsverfahren ist kein Rechtsstreit, der Rechtsstreit ist das Verfahren, für das die PkH gewährt worden war.

    Im Übrigen siehe Bitte Rn. 18 und Rn. 29 der Entscheidung des BGH (die eigentlich einen etwas anderen Fokus hat, nämlich an wen zuzustellen ist):

    Der Anwalt ist dann für das Überprüfungsverfahren der richtige Zustelladressat, wenn er bereits für das PkH-Verfahren bevollmächtigt war und noch bevollmächtigt ist (Rn. 29 "Weitere Voraussetzung ist ...")

    Mit freundlichen Grüßen

    AndreasH

  • Du könntest dich auch der Meinung anschließen, dass im Falle nicht in materielle Rechtskraft erwachsender Entscheidungen wie der PKH-Aufhebung die Unzulässigkeit einer Beschwerde einer Abhilfe nicht entgegensteht und damit eine inhaltliche Überprüfung auch bei einer unzulässigen Beschwerde zu erfolgen hat (vgl. OLG Brandenburg 16. Juli 2020 - 13 WF 125/20 - Rn. 7, LAG Rheinland-Pfalz 19. April 2010 - 1 Ta 65/10 - Rn. 6; Zöller- Heßler ZPO 34. Aufl. § 572 Rn. 14).

    So ließe sich ohne weitere Überlegungen um die Wiedereinsetzung der begründeten Beschwerde abhelfen.

  • Du könntest dich auch der Meinung anschließen, dass im Falle nicht in materielle Rechtskraft erwachsender Entscheidungen wie der PKH-Aufhebung die Unzulässigkeit einer Beschwerde einer Abhilfe nicht entgegensteht und damit eine inhaltliche Überprüfung auch bei einer unzulässigen Beschwerde zu erfolgen hat (vgl. OLG Brandenburg 16. Juli 2020 - 13 WF 125/20 - Rn. 7, LAG Rheinland-Pfalz 19. April 2010 - 1 Ta 65/10 - Rn. 6; Zöller- Heßler ZPO 34. Aufl. § 572 Rn. 14).

    So ließe sich ohne weitere Überlegungen um die Wiedereinsetzung der begründeten Beschwerde abhelfen.

    Dieser Auffassung hat aber der BGH eine Absage erteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.10.2020, BLw 1/19)

    Ich sprach von "Rechtsstreit" mit Anwaltszwang. Das PkH-Prüfungsverfahren ist kein Rechtsstreit, der Rechtsstreit ist das Verfahren, für das die PkH gewährt worden war.

    Ich sehe nicht weshalb es einen Unterschied machen sollte, ob die Hauptsache Anwalts- oder Parteiprozess war.

  • Du könntest dich auch der Meinung anschließen, dass im Falle nicht in materielle Rechtskraft erwachsender Entscheidungen wie der PKH-Aufhebung die Unzulässigkeit einer Beschwerde einer Abhilfe nicht entgegensteht und damit eine inhaltliche Überprüfung auch bei einer unzulässigen Beschwerde zu erfolgen hat (vgl. OLG Brandenburg 16. Juli 2020 - 13 WF 125/20 - Rn. 7, LAG Rheinland-Pfalz 19. April 2010 - 1 Ta 65/10 - Rn. 6; Zöller- Heßler ZPO 34. Aufl. § 572 Rn. 14).

    So ließe sich ohne weitere Überlegungen um die Wiedereinsetzung der begründeten Beschwerde abhelfen.

    Dieser Auffassung hat aber der BGH eine Absage erteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 07.10.2020, BLw 1/19)

    Das ist richtig. Dort ging es allerdings um die Abänderung einer Kostenentscheidung.

    In diesem Kontext kommt dem Hauptargument des BGH, der durch unerschütterliche formelle Rechtskraft herzustellenden Rechtssicherheit, ein ganz erhebliches Gewicht zu. Im PKH-Prüfungsverfahren gibt es jedoch keinen weiteren Verfahrensbeteiligten, dessen Vertrauen auf den Bestand der Aufhebungsentscheidung in der dargestellten Weise schützenswert wäre. Dass der BGH hier jedenfalls zur Differenzierung in der Lage ist, lässt sich aus den Ausführungen zu Rn. 28 entnehmen.

    Für "meine" Fachgerichtsbarkeit gibt es bislang keine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichts, am Landesarbeitsgericht wird überwiegend die Auffassung einer unbeschränkten Abhilfemöglichkeit vertreten. Nichtabhilfen nur unter Bezug auf die Unzulässigkeit der PKH-Beschwerde kommen deshalb auch schon mal mit Verweis auf die unterlassene Begründetheitsprüfung zurück..

    Ungeachtet dessen würde mich auch in der oG die Entscheidung des BGH nicht von einer von mir für berechtigt befundenen Abhilfe abhalten, da ein Angriff auf die Aufhebung der Aufhebung faktisch nicht besorgen ist.

  • Für "meine" Fachgerichtsbarkeit gibt es bislang keine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichts, am Landesarbeitsgericht wird überwiegend die Auffassung einer unbeschränkten Abhilfemöglichkeit vertreten.

    a.A. z.B. auch LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.10.2022, 6 Ta 135/22 mit m.E. überzeugender Argumentation.

    Ich glaube keine Sekunde, dass eines der anderen Bundesgerichte die Rechtslage anders als der BGH beurteilen wird.

    Die Auffassung einer unbeschränkten Abhilfemöglichkeit vermag ich nicht nachzuvollziehen. Wie der BGH richtig dargestellt hat liegt ihr eine Verkennung von Sinn und Zweck der Rechtskraft zugrunde.
    Es ist nicht im Ansatz ersichtlich, dass der Gesetzgeber eine Abhilfemöglichkeit für unzulässige Rechtsmittel schaffen wollte. Schließlich kennt der Gesetzgeber auch nicht fristgebundene Rechtmittel, hat sich aber diesbezüglich aber nicht hierfür entschieden.

    Im PKH-Prüfungsverfahren gibt es jedoch keinen weiteren Verfahrensbeteiligten, dessen Vertrauen auf den Bestand der Aufhebungsentscheidung in der dargestellten Weise schützenswert wäre.

    Es gibt aber ggf. den beigeordneten RA, der nach Aufhebung der PKH/VKH seine weitere Vergütung (soweit nach dem Streitwert entstanden) gegen die Partei geltend machen kann, weil die Wirkung des §122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO weggefallen sind.

    Für die Frage, ob das Abhilferecht ein zulässiges Rechtsmittel voraussetzt kommt es zudem nicht darauf an um was für eine Angelegenheit es sich konkret gehandelt hat.

    Der BGH hat diese Voraussetzung umfassend bejaht.

    Dass der BGH hier jedenfalls zur Differenzierung in der Lage ist, lässt sich aus den Ausführungen zu Rn. 28 entnehmen.

    Der BGH differenziert dort nur von der Möglichkeit der erneuten Geltendmachung von Rechten. Dies folgt schlicht aus dem (Nicht-)Bestehen der materiellen Rechtskraft und hat mit der Frage der formellen Rechtskraft der Entscheidung nichts zu tun.

    Ungeachtet dessen würde mich auch in der oG die Entscheidung des BGH nicht von einer von mir für berechtigt befundenen Abhilfe abhalten, da ein Angriff auf die Aufhebung der Aufhebung faktisch nicht besorgen ist.

    Der Rpfl. ist nach §9 RpflG an das Gesetz gebunden.

    Wie wahrscheinlich ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist kann daher nicht die inhaltliche Entscheidung beeinflussen.

  • In meinem Büro sind es 16 Grad Celsius. Ich kann deshalb warmen Trollatem im Nacken sehr gut spüren.

    Der Rpfl. ist nach §9 RpflG an das Gesetz gebunden.

    Wie wahrscheinlich ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung ist kann daher nicht die inhaltliche Entscheidung beeinflussen.

    Da unterschlägst Du mehr als die Hälfte der Norm. Einerseits die sachliche Unabhängigkeit, andererseits die Bindung an Recht und Gesetz.

    Recht und Gesetz sind eben nicht deckungsgleich, aber das führt hier wohl zu weit.

    Natürlich kann auch die Wahrscheinlichkeit eines Rechtsmittels eine Entscheidung beeinflussen, nicht aber deren Grundlage sein.
    Wenn mit der Oberstgerichtshörigkeit des Beschwerdegerichts gerechnet werden muss, hat es der Erfahrung nach kaum Sinn, bei hoher Wahrscheinlichkeit eines Rechtsmittels eine andere Linie zu vertreten, es sei denn, man möchte den Beteiligten Mehrarbeit und Kostenaufwand bescheren.

    Muss nicht mit einem Rechtsmittel gerechnet werden, lohnt es sich, auch mal einer vertretbaren Mindermeinung zu folgen, wenn sie rechtskonform ist und zu gerechte(re)n Ergebnissen führt.

    Was die Entscheidungen des BGH angeht, bin ich oftmals froh, dass insoweit eben keine dem § 31 BVerfGG entsprechende Norm existiert.

    Es ging hier allein darum, der Threadstarterin einen Weg aufzuzeigen, wie sich der konkrete Fall sach-gerecht in den Griff bekommen lässt.

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