Mangelfallberechnung § 850d ZPO

  • Hallo, brauche dringend Hilfe.

    Sachverhalt ist folgender:
    Es ist Pfändungs- und Überweisungsbeschluss von mir erlassen worden hinsichtlich Forderungen gem. 850 d ZPO (laufender Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 316 Euro ab August 06).

    Gepfändet ist Arbeitseinkommen des Schuldners.

    Pfandfreier Betrag wurde von mir mit 850,25 Euro monatlich (Diese setzen sich wie folgt zusammen: 345 Euro Sozialhilferegelsatz; 69 Euro = 20% Motivationszuschlag; 86,25 Euro = 25% Zuschlag wegen Erwerbstätigkeit; 280 Euro = Miete (Höchstsatz nach § 8 WoGG); 70 Euro = 25% Nebenkosten) zuzüglich 3/4 des Mehrbetrages angegeben. Der Schuldner ist in 2. Ehe verheiratet ist, die Ehefrau erhält nur Erziehungsgeld, ein minderjähriges Kind aus erster Ehe vollstreckt (3 Kinder insgesamt).
    Eins der Kinder ist volljährig, wie mir der Schuldner mitteilte.
    Der Rechtsanwalt des Schuldners gab an, dass 3/4 des Mehrbetrages zur Erfüllung der Unterhaltspflichten falsch wären und empfahl dem Schuldner entsprechende Anträge bei Gericht zu stellen. Laut RA müsse eine Mangelfallberechnung durchgeführt werden.
    Ich weiss nicht wie dies funktioniert. Was ist mit dem volljährigen Kind? Bleibt das unberücksichtigt? Ist irgendein Rang zu beachten? Muss ich in einem Beschluss feststellen, welchen Rang das vollj. Kind hat? Anträge liegen mir bislang nicht vor. Der Schuldner will selbst vorbeikommen um Anträge zu stellen. Ich kann mir nur 766 ZPO i. V. m. 850f ZPO vorstellen.

  • Die Mangelfallberechnung muss beim Prozessgericht im Unterhaltsverfahren durchgeführt werden und hat keinen Platz im Zwangsvollstreckungsverfahren!

    Die Rangfolge der bevorrechtigten Gläubiger richtet sich kraft Gesetzes (zunächst) nur nach § 850d Abs. 2 ZPO und da hat das volljährige Kind Pech gehabt.
    Die drei minderjährigen Kinder und die Ehefrau sind gleichberechtigt, das volljährige Kind nachrangig.

    Ich hätte in diesem Fall auch mit "zuzüglich 3/4 vom übersteigenden Betrag" tenoriert.

    Denkbar ist hier ggf. ein Antrag nach § 850f Abs. 1 lit c) ZPO. Hier müsste dann das Vollstreckungsgericht ggf. auch das volljährige Kind berücksichtigen, wenn besondere Umstände vorgetragen werden, die ein Abweichen von der gesetzlichen Rangfolge gem. § 850d Abs. 2 ZPO begründen.
    Der Anwalt des Schuldners sollte aber als rechtskundige Person selbst herausfinden, was er wie beantragen muss.
    § 766 ZPO ist hier nicht angesagt, weil § 850f ZPO lex specialis und der genau passende Antrag ist.
    Wird nur herumgemosert, dass das Geld nicht reicht und der Volljährige auch was Essen muss, dann kann man natürlich auch Erinnerung aufnehmen, der vermutlich nicht abgeholfen würde und dem Richter vor die Nase kommt.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Zitat von Tommy

    Die Mangelfallberechnung muss beim Prozessgericht im Unterhaltsverfahren durchgeführt werden und hat keinen Platz im Zwangsvollstreckungsverfahren!
    .




    Jo jo jo. Dem ist nichts hinzuzufügen. Alles richtig berechnet.

  • Von der Ausbildung ist mir noch im Kopf, daß die kopfteilmäßige Berücksichtigung die einzig gangbare Lösung ist, da der tatsächliche Bedarf eines jeden Unterhaltsberechtigten nicht bekannt ist. Wenn aber jetzt der Schuldner sagt, daß ihm der zugedachte Mehrbetrag nicht ausreicht um den Unterhaltsbedarf zu decken, wie muss er mir nachweisen oder glaubhaft machen, wie sich der tatsächliche Bedarf darstellt?
    Muss ich dann selbst den Unterhalt für jeden Berechtigten z. B. nach der Düsseldorfer Tabelle berechnen?
    Das heißt z. B. muss ich selbst eine Mangelfallberechnung durchführen?

  • Zitat

    Von der Ausbildung ist mir noch im Kopf, daß die kopfteilmäßige Berücksichtigung die einzig gangbare Lösung ist


    Dass unser lieber Herr H. soetwas gesagt hat ist mir zwar nicht mehr geläufig, aber so steht es nunmal im Gesetz (§ 850d Abs. 2 ZPO).

    Kuck doch einfach mal in den Stöber, da steht einiges zu dem Thema drin.

    Auf jeden Fall muss der Schuldner erstmal etwas gehaltvolles vortragen, warum es hier einen unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf gibt, der berücksichtigungsfähig ist und dadurch die primäre gesetzliche Regelung umstzustoßen vermag. Denn eins ist klar, bei der Regelung im § 850d Abs. 2 ZPO war es dem Gesetzgeber mit Sicherheit klar, dass in genau dem vorliegenden Falle das Volljährige Kind in die Röhre schaut.

    Es herrscht auch hier der Beibringungsgrundsatz der ZPO, also soll er mal substantiiert vortragen, der Herr Schuldner.

    Dann hört man die Gegenseite an und kommt zu einer Entscheidung in Beschlussform. Wenn´s jemandem nicht passt, geht´s anschließend halt zum Landgericht, wenn man nicht abhilft oder wenn doch, dann halt danach.

    Nochmal zur Mangelfallberechnung:
    Das gibt´s m.E. im Vollstreckungsverfahren nicht. Erstens muss unterstellt werden, dass genau diese Mangelfallberechnung schon im Unterhaltsverfahren durchgeführt worden ist, denn das volljährige Kind war dort nach aller Lebenserfahrung und wenn man unterstellt, dass es keine Störung des Raum-Zeit-Kontinuums gab, auch schon geboren und musste berücksichtigt werden.
    Auch wenn ich mich wiederhole, das volljährige Kind ist nachrangig gegenüber den minderjährigen Kindern und der Ehefrau.

    "Ich bin ja wirklich nicht tolerant, aber alles hat seine Grenzen!"
    (Heinz Becker)

  • Motivationsrabatt???

    Das mag der BGH aber gar nicht:

    Beschluss vom 18.07.2003 - IXa ZB 151/03 -

    Was dem Vollstreckungsschuldner bei der erweiterten Pfändung als notwendiger Unterhalt verbleiben muß, entspricht in der Regel dem notwendigen Lebensunterhalt im Sinne der Abschnitte 2 und 4 des Bundessozialhilfegesetzes. Der Freibetrag kann nicht nach den Grundsätzen bemessen werden, die im Unterhaltsrecht für den sogenannten notwendigen Selbstbehalt gelten, der in der Regel etwas oberhalb der Sozialhilfesätze liegt.

  • @Hego : Das war vor Hartz IV. Bei einem erwerbsfähigen Unterhaltsschuldner gelten nunmehr grundsätzlich die Sätze des SGB-II und da gibt es diesen vermalledeiten § 30 SGB-II ...

    siehe auch hier.

    z.T. ignoriere ich dies bei Unterhaltsschuldnern allerdings unter Hinweis auf die erweiterte Erwerbsobliegenheit im Hinblick auf den Kindesunterhalt.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Das ist mir schon klar, aber der notwendige Lebensunterhalt verträgt sich meiner Meinung nach nicht mit dem Motivationsrabatt. Die Unterhaltspfändungen die ich bekomme sind da sehr unterschiedlich. Viele haben noch die 840,00 €. Aber die meisten bewegen sich um die 700,00 €.

  • In § 30 SGB-II wird der als "Motivationsrabatt" oben unglücklich bezeichnete Zuschlag mit den Mehrkosten begründet, die eben ein Erwerbstätiger im Gegensatz zu einem Nicht-Erwerbstätigen hat.

    Soweit mir ein Schuldner solche Kosten (Fahrkarte etc.) in einem Verfahren nach § 850f I ZPO belegt, gewähre ich sie ihm auch (nur eben nicht von vornherein).

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Also nur auf Nachweis? Danke, bin jetzt wieder etwas schlauer.

    Ich habe ja auch Schuldner dabei, die nicht mehr erwerbstätig sind und diese Kosten logischer Weise nicht haben.

    Hatte in den letzten zwei Jahren 10 (von 40) Pfändungen, die noch 840,00 € haben. Es machen sich also nicht alle Rechtspfleger die Gedanken wie Du.

    Da kann ich ja nur bedauern, dass Du nicht in meinem Bereich agierst. Du könntest mein zweiter "Lieblingsrechtspfleger" werden. :D Die Stelle des Ersten ist leider schon besetzt:cool:

  • Zitat von Hego

    Hatte in den letzten zwei Jahren 10 (von 40) Pfändungen, die noch 840,00 € haben. Es machen sich also nicht alle Rechtspfleger die Gedanken wie Du.



    Das ist halt ne Entscheidung des Rüpfl, die von Ort zu Ort und Zeit zu Zeit divergiert. Es ist aber schon schön, wenn bei einem AG alle Kollegen dieselben Beträge verwenden.

  • By the way :

    Wie verfahrt ihr, wenn die Landeskasse (Unterhaltsvorschusskasse) übergegangene Beträge im Wege des § 850d ZPO vollstrecken will in Bezug auf den Anteil des Nettomehreinkommens ?

    Nehmt ihr die unterhaltsvoschusskasse als "weiteres Kind" und berücksichtigt das Kind, welchem ja noch der laufende Unterhalt zusteht (!) ebenfalls oder berücksichtigt ihr dieses Kind nicht, da ja dessen rückständige Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden ?

    Beispiel : Sch. ledig; 3 Kinder A, B, C; Unterhaltsvorschusskasse macht übergegangene rückständige Ansprüche von A für 2001 - 2003 geltend :

    a) Selbstbehalt zzgl. 3/4 des Nettomehreinkommens
    b) Selbstbehalt zzgl. 2/3 des Nettomehreinkommens ...
    c) ?

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Ich finde es schon schlimm genug, daß die Staatskasse wie ein Unterhaltsberechtigter behandelt wird, schließlich müssen sich die anderen Unterhaltsberechtigten dadurch einschränken. Sollen die Staatskasse doch nach c pfänden. In der Sache behandle ich die Staatskasse als einen Unterhaltsberechtigten, auch wenn sie für mehrere Unterhaltsberechtigte Beträge geltend machen. Ich kann mich an einen Übergang mehrerer Unterhaltsforderungen in einem Titel allerdings nicht erinnern.

  • :zustimm:

    Besonders krank fände ich es, das Kind, dessen übergegangene rückständige Unterhaltsansprüche geltend gemacht werden, gar nicht zu berücksichtigen, obwohl es noch laufende Unterhaltsansprüche hat.

    Also verfährst du (wie ich auch) wie im vorg. (ergänzten) Beispiel : a) ?!

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Zitat von Erzett


    Ja, auch wenn ich das Ergebnis für die A,B,C unbillig finde. Aber: Mein LG will das so.



    Naja - das sehe ich ganz schmerzfrei - schließlich wäre es für das Kind schlimmer, wenn es das Unterhaltsvorschussgesetz nicht gäbe und das Kind könnte in diesem Falle selbst ja auch nach § 850d ZPO vollstrecken.
    Mir geht es um die Frage des Ranges der übergegangenen Ansprüche der Unterhaltsvorschusskasse in Relation zum Rang der laufenden Ansprüche des Kindes.

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Der übergegangene Unterhalt darf nicht zum Nachteil des eigentlichen Unterhaltsberechtigten geltend gemacht werden (Zöller, Rd. 4 zu § 850d).

  • Tja - die Umsetzung ist dann schwierig bis unmöglich :

    Ich kann ja schlecht den laufenden Unterhalt des einen Kindes, wegen dessen übergegangener Unterhaltsansprüchen die Zwvo betrieben wird, im Range den Unterhaltsansprüchen der anderen (i.S.v. § 850d II ZPO gleichrangigen) Kindern vorgehen lassen ?!

    Also doch : oben a) ?!

    the bishop :kardinal:

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