Scheidungsantrag der Erblasserin

  • Ich habe folgenden Fall:
    Erblasserin verheiratet, keine Kinder. Scheidungsantrag eingereicht am 30.05.2007. Öffentliche Zustellung des Scheidungsantrag angeordnet am 17.08.2007. Nach Mitteilung des Familiengerichts ist die öffentliche Zustellung des Scheidungsantrages mit Ablauf des 21.09.2007 als bewirkt anzusehen. Tod der Ehefrau und Erblasserin am 21.09.2007.
    Alles etwas knapp im Hinblick auf § 1933 BGB.
    Meines Erachtens wird der Ehemann noch Erbe.
    Findet das allgemeine Zustimmung oder lieg ich falsch?

  • Also ohne Kommentar verweigere ich zwar grundsätzlich die Aussage, abver ich meine, mich aus der Ausbildung heraus zu erinnern, dass es streitig war, ob die Rechtshängigkeit (Zustellung an Gegenseite) oder Anhängigkeit (Eingang der Klageschrift) maßgeblich ist.

    Da der Scheidungskläger auf die Bearbeitungsdauer des Gerichts keinen Einfluss hat, überzeugt mich die Ansicht eher, dass auf die Anhängigkeit abzustellen ist. Dann hätte, da hier die Erbl. den Antrag gestellt hatte, somit das Nachlassgericht zu prüfen, ob die Scheidungsvoraussetzungen vorlagen. Ich meine aber, dass die h.M. auf die Rechtshängigkeit abstellt ... ?

    Siehe auch hier (allerdings aus 1990, evt. überholt durch neuere Rechtsprechung ?): http://www.lrz-muenchen.de/~Lorenz/urteile/bghz111_329.htm

    the bishop :kardinal:

    NOBODY expects the spanish inquisition !

  • Edenhofer, in: Palandt, 66. Aufl. 2007, Rn. 2 zu § 1933 BGB führt unter Hinweis auf einschlägige Rspr. (BGHZ 111, 329) aus, dass der Erblasser noch leben muss, wenn die Zustellung erfolgt.

    Mit der im Gesetz gewählten Formulierung "Antrag gestellt" ist also die Rechtshängigkeit des Antrages und somit dessen Zustellung gemeint.

    Auch die "demnächst"-Frage (§ 167 ZPO) ist ausdiskutiert. Die Rückwirkung auf die Anhängigkeit findet nicht statt. Ohnehin passt diese Vorschrift allenfalls analog, denn es geht um materielles Erbrecht und nicht um die Rückwirkung im Rahmen des Scheidungsprozesses. Die Analogie wird aber abgelehnt, denn Sinn und Zweck des § 167 ZPO ist die Fristwahrung zur Erhaltung eines Rechts bzw. die Hemmung der Verjährung. Darum geht es bei § 1933 BGB nicht.

  • Nach Palandt, RdNr. 3 zu § 1933 BGB erlangt die Stellung des Scheidungsantrags erbrechtlich erst nach Rechtshängigkeit, § 262 Satz 2 ZPO ihre Wirkungen, setzt also die Zustellung des Schriftsatzes an den Antragsgegner voraus (vgl. BGH 111, 329; BayObLG 90, 20).

    Für eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung analog § 270 Abs. 3 ZPO ist demnach kein Raum.


  • Für eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Einreichung analog § 270 Abs. 3 ZPO ist demnach kein Raum.

    a) Nicht "demnach". Das "demnächst"-Problem ist eine zusätzliche Streitfrage. Gerade weil nach h. M. und Rspr. die Rechtshängigkeit entscheidet, konnte ja die weitere Frage aufkommen, ob die "demnächst"-Rückwirkung stattfindet. H. M.: ebenfalls nein.

    b) Nicht § 270 Abs. 3 ZPO, sondern § 167 ZPO.

    Ich habe nur wortwörtlich aus dem Palandt abgeschrieben ... :D

  • Ich habe nur wortwörtlich aus dem Palandt abgeschrieben ... :D


    Ja, aber nicht aus der neuesten Auflage.

    Und das Wort "demnach" steht im Palandt nicht. In meinem Palandt steht: "Für Rückwirkg auf den Zeitpkt der Einreichng analog ZPO 167 ist kein Raum..."

    "Demnach" steht da nicht. Es ist ja so:

    Im Gesetz steht "Antrag gestellt hatte". Wäre das die Anhängigkeit, wäre der Fall erledigt. Nun sagt aber die h. M. und Rspr., dass Rechtshängigkeit erforderlich ist. Es folgt aber aus dem Erfordernis der Rechtshängigkeit nicht, dass für § 167 ZPO (früher war's mal § 270 ZPO) kein Raum ist, weshalb man da nicht "demnach" schreiben darf. Im Gegenteil: Obwohl (!) es auf die Rechtshängigkeit ankommt, gilt § 167 ZPO trotzdem nicht. Warum, habe ich oben geschrieben.

  • Dass ihr alle mit euren Palandts schlafen geht ... ;)

    Es ist aus menschlicher Sicht (Ehe, Familie usw.) schon bedenklich genug, um diese Uhrzeit im Forum rumzuhängen. Ob einem hierbei der Palandt Gesellschaft leistet oder nicht, ist dann nur noch ein Nebenproblem.

  • Im vorliegenden Fall kommt es entscheidend darauf an, ob der Scheidungsantrag im Zeitpunkt des Erbfalls bereits zugestellt war. Wenn man als richtig unterstellt, dass die öffentliche Zustellung am Ende des Tages als bewirkt gilt, so ist entscheidend, zu welcher Stunde des Tages die Erblasserin verstorben ist (nach § 64 Nr.3 PStG ist auch die Todesstunde in der Sterbeurkunde anzugeben). Ist sie demnach während des Tages (also vor 24.00 Uhr) verstorben, bleibt das Ehegattenerbrecht mangels rechtzeitiger Zustellung des Scheidungsantrags bestehen (Beweiskraft nach § 60 Abs.1 S.1 PStG), während sich bei Nichtangabe der Todesstunde in der Sterberurkunde die Frage stellt, ob man in analoger Anwendung des § 9 Abs.4 VerschG dazu kommen könnte, dass der Erbfall am Ende des Tages (also um 24.00 Uhr) eingetreten ist, was dazu führen würde, dass Erbfall und Zustellung gleichzeitig erfolgt sind und letztere demzufolge "gerade noch" rechtzeitig erfolgt wäre, sodass das Ehegattenerbrecht entfiele.

    Im vorliegenden Fall wird es sich allerdings wohl unschwer beweisen lassen, dass die Erblasserin im Laufe des Tages verstorben ist. Demnach wäre die Zustellung verspätet.

  • @juris2112

    Das Gesetz formuliert im Plusquamperfekt: "Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser [...] den Antrag gestellt hatte."

    Um es mit Edenhofer, in: Palandt, Rn. 1 zu § 1933 BGB zu formulieren: "Das Erbrecht des Ehegatten ist an den Bestand der Ehe beim Erbfall gebunden."

    Die Zustellung um 24.00 Uhr des letzten maßgeblichen Tages (insoweit stimme ich juris2112 zu) läge also selbst bei Ableben um 24.00 Uhr desselben Tages keine logische Sekunde vor dem Erbfall.

  • Ich denke nicht, dass es so einfach ist.

    § 1933 Abs.1 S.1 BGB lautet:

    Das Erbrecht des überlebenden Ehegatten ... ist ausgeschlossen, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt ... hatte.

    Hieraus folgt, dass man nicht ohne weiteres davon ausgehen kann, dass das zeitliche Zusammenfallen von Erbfall und Zustellung für die Herbeiführung der Rechtsfolgen des § 1933 BGB nicht ausreichend ist.

    Wandeln wir den Fall etwas ab:

    Der eine Ehegatte will dem anderen Ehegatten durch den Gerichtsvollzieher etwas zustellen lassen und begleitet den Gerichtsvollzieher. Im gleichen Moment, als der Gerichtsvollzieher dem anderen Ehegatten das zuzustellende Schriftstück aushändigt, fällt der die Zustellung veranlassende Ehegatte tot um.

    Meines Erachtens ist dem einen Ehegatten auch in diesem Fall noch "zu Lebzeiten" des anderen zugestellt worden.

    Im Ergebnis stimme ich jedoch mit meinem Vorredner überein, weil es nachgerade unwahrscheinlich ist, dass die Erblasserin am Ende des Tages des Erbfalls (24.00 Uhr) verstorben ist. Das entsprechende zu ermitteln, dürfte nicht schwierig sein.

  • Danke für die umfassenden Antoworten. Liege also richtig.
    Dann will ich mich mal in die Arbeit stürzen. Der Ehemann ist nämlich noch türkischer Staatsangehöriger und seit 2 Jahren in der Türkei unbekannten Aufenthalts. Viel Spass kann ich mir da nur wünschen.

  • So unbefriedigend finde ich das nicht, zumal die Erblasserin ja sogar versäumt hat, ein Testament zu errichten, das ihren Ehemann von der Erbfolge ausschließt, sodass dieser wegen Nichtanwendbarkeit des § 1933 BGB lediglich auf den Pflichtteil verwiesen ist.

    Man muss sich eben (rechtzeitig) kümmern und wenn man es nicht tut, sind die Konsequenzen eben diejenigen, die das Gesetz statuiert.

  • Das ist wohl wahr; aber irgendwie trotzdem merkwürdige Rechtsfolge, dass § 1933 BGB möglicherweise deshalb nicht greift, weil eine Kanzleikraft eines Tages gern eine Stunde früher nach Hause gehen wollte und daher die öffentliche Zustellung erst einen Tag später geschrieben hat... :gruebel:

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