Zweigniederlassung und Unzuverlässigkeit

  • Hallo, alle zusammen,

    vielleicht hat jemand eine Idee, die mich davor bewahrt, intensiv in die Materie durch Recherche eindringen zu müssen, wozu ich derzeit wegen starker Fußballbelastung absolut keine Lust habe...

    Folgender Sachverhalt:

    Ich habe die Anmeldung einer Zweigniederlassung einer englischen Limited entworfen und nebst sämtlichen erforderlichen Anlagen beim zuständigen Registergericht eingereicht.

    Alles soweit ok und im "grünen Bereich", keine Formfehler, keinen Antrag auf Eintragung Befreiung von 181 usw.

    Aber jetzt:

    Die IHK schreibt in ihrer Stellungnahme, daß dort "erhebliche Bedenken gegen die Eintragung bestehen", weil der "Director" der Ltd. (der natürlich deutscher Staatsangehöriger und alleiniger Gesellschafter ist ) hier vor einem Jahr die e.V. abgegeben hat und darüber hinaus gegen ihn ein Gewerbeuntersagungsverfahren anhängig sei.

    Das Gericht hat nun zur Stellungnahme aufgefordert.

    Spontan habe ich mir gedacht, daß diese Einwände nicht geeigntet sind, die Eintragung der Zweigniederlassung zu verhindern.

    Wenn die Firma "stimmt", der Firmenzweck nicht zu beanstanden ist und die Formalien in Ordnung sind, muß Vollzug im Register erfolgen. Wenn die Tommies es zulassen, daß ein Director dort Director sein darf, dann dürfen hier nicht analog der GmbH-Vorschriften andere Maßstäbe angelegt werden.

    Oder lieg ich da völlig falsch?


    Für Eure Meinungen wäre ich dankbar.


    Gruß HansD

  • Fällt das nicht unter Diskriminierungsverbot und/oder Dienstleistungsfreiheit? In England dürfte er ja, und damit - soweit ich weiß - muß man ihn auch hier lassen, selbst wenn er berechtigterweise kein GmbH-GF werden könnte (da europarechtlich die Inländerdiskriminierung durchaus möglich ist).

  • Registerrecht ist nicht eines meiner Spezialgebiete und ich habe insoweit auch keine Kommentare im Hinblick auf die analoge Anwendung des § 6 Abs.2 S.4 GmbHG zur Hand. Aber im vorliegenden Fall dürften sich wohl zwei grundsätzliche Erwägungen gegenüberstehen: Zum einen die Achtung ausländischen bzw. europäischen Rechts und zum anderen der nicht von vorneherein von der Hand zu weisende Versuch, Personen von einer Gewerbeausübung fern zu halten, die nach deutschem Recht hierzu nicht befugt wären. Ich gehe davon aus, dass die Stellungnahme der IHK durch diese letztgenannte "ausschließlich deutsche Sicht der Dinge" veranlasst wurde.

    Aber evtl. kann diese Problematik auch dahinstehen. Denn wenn die Abgabe der eV und die Anhängigkeit eines Gewerbeuntersagungsverfahrens einer Geschäftsführerstellung schon nach deutschem (GmbH-)Recht nicht entgegenstünden (was im Anwendungsbereich des § 6 Abs.2 S.4 GmbH zu prüfen wäre), so kann auch eine (unterstellt zulässige) analoge Anwendung dieser Norm "erst recht" nicht dazu führen, dass die betreffende Person (auch) nicht "Director" einer englischen Ltd. sein kann.

    Aber zu diesen Fragen gibt es sicher bereits einschlägige Rechtsprechung und Literatur. Ich kann die detaillierte Beantwortung der Eingangsfrage daher nur an die Registerrechtler weitergeben.

  • Hallo,

    zunächst vielen Dank für die ersten Einschätzungen;

    ich bin ja auch zunächst der Auffassung, daß es durchaus auch Aufgabe des Registergerichtes ist, schwarzen Schafen den Boden für eventuell naheliegende "krumme Geschäfte" zu entziehen bzw. ihnen die Basis überhaupt nicht zu gewähren.

    Aber grundsätzlich gilt hier auch folgendes ( soweit ich weiß :(

    In "Good old England" dürfte auch niemand "Director" sein, der die e.V. abgegeben hat und gegen den ein Gewerbeuntersagungsverfahrten anhängig ist.

    Daß diese Umstände dort ( in England ) nicht bekannt sind, liegt an den fehlenden Kommunikationsmöglichekiten innerhalb Europas.


    Gruß HansD

  • AG Westerstede, 31.10.2000: Die Eintragung der Zweigniederlassung einer britischen Private Limited Company (Ltd.) im Handelsregister ist zu versagen, wenn ihrem alleinigen Geschäftsführer durch vollziehbare Entscheidung einer deutschen Verwaltungsbehörde die Ausübung aller Gewerbe wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit untersagt worden ist.

     VG Leipzig, 22.7.1996: Bei einer unmittelbar auf das Bekanntwerden einer drohenden Gewerbeuntersagung folgenden Gründung einer englischen Ltd als nunmehr alleiniger Gewerbetreibender liegt die Annahme eines sogenannten Strohmannverhältnisses nahe.

     BayObLG, 18.9.1986: Bei der Anmeldung haben die Direktoren einer solchen Gesellschaft die für Geschäftsführer einer deutschen GmbH vorgeschriebene Versicherung über das Fehlen von Bestellungshindernissen abzugeben.

  • Zitat von § 21 BGB

    AG Westerstede, 31.10.2000: Die Eintragung der Zweigniederlassung einer britischen Private Limited Company (Ltd.) im Handelsregister ist zu versagen, wenn ihrem alleinigen Geschäftsführer durch vollziehbare Entscheidung einer deutschen Verwaltungsbehörde die Ausübung aller Gewerbe wegen gewerberechtlicher Unzuverlässigkeit untersagt worden ist.

     VG Leipzig, 22.7.1996: Bei einer unmittelbar auf das Bekanntwerden einer drohenden Gewerbeuntersagung folgenden Gründung einer englischen Ltd als nunmehr alleiniger Gewerbetreibender liegt die Annahme eines sogenannten Strohmannverhältnisses nahe.

     BayObLG, 18.9.1986: Bei der Anmeldung haben die Direktoren einer solchen Gesellschaft die für Geschäftsführer einer deutschen GmbH vorgeschriebene Versicherung über das Fehlen von Bestellungshindernissen abzugeben.

    Danke!

    Die zuletzt genannte Entscheidung vom Bayerischen Obersten ist nicht mehr einschlägig; das muß nicht mehr sein. Dürfte einhellige Meinung sein.

    Aber die zuerst genannte Entscheidung aus dem Jahr 2000 hat was...

    Wir wollen uns ja auch nicht verarschen lassen; aber, um das Thema aufzugreifen: manche Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs können nicht anders bezeichnet werden als Verarschung unseres Rechtssystems. Ich denke da nur an die letzte "Führerscheinentscheidung", die letztlich unsere MPU ( jedenfalls teilweise ) aushebelt.


    Gruß HansD

  • aktuelle Entscheidung hierzu (bei juris gefunden):



    Thüringer Oberlandesgericht 6. Zivilsenat vom 09.06.2006:


    1. Daraus, dass § 13g Abs. 2 S.2 HGB nicht auf § 8 Abs. 3 S. 1 GmbHG (iVm § 6 Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG ) verweist, folgt nicht, das Registergericht dürfe ein ihm bekannt gewordenes, gegen den Geschäftsführer der zur Eintragung angemeldeten Limited-Zweigniederlassung gerichtetes Gewerbeverbot nicht bei der Entscheidung über das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen berücksichtigen.


    2. Auch wenn das für die Gesellschaft maßgebliche Recht keine besonderen Anforderungen an die Person des geschäftsführenden Organs stellt, kann ohne Widerspruch zur 11. (Zweigniederlassungs-)Richtlinie wegen eines im Inland gegenüber gegen den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer (director) der Gesellschaft verhängten Gewerbeverbots die Eintragung einer Zweigniederlassung verweigert werden (a.A. OLG Oldenburg GmbHR 2002, 29).




    Aber alle Entscheidungen, die ich gefunden habe, reden von einer bereits ausgesprochenen und rechtskräftigen Gewerbeuntersagung, nicht von einem anhängigen Verfahren. Solange das nicht abgeschlossen ist, dürfte es also kein Hinderungsgrund sein.
    Und die vom GF (privat) abgegebene EV alleine ist kein Eintragungshindernis.

    Gruß
    morgana

  • Wie ich vermutet hatte, kommt es auf die aus Leitsatz 2 der Entscheidung des OLG Thüringen ersichtliche Streitfrage im vorliegenden Fall (noch) nicht an, weil die Gewerbeuntersagung noch nicht bestandskräftig ausgesprochen wurde und die abgegebene private eV ebenfalls kein Eintragungshindernis darstellt.

    Aber auch wenn die Gewerbeuntersagung bereits bestandskräftig wäre, würde ich eher zu der vom OLG Thüringen zitierten abweichenden Rechtsauffassung des OLG Oldenburg tendieren.

  • Irgendwann wird dazu auch eine Entscheidung des BGH vorliegen...
    Gem. Tenor der Entscheidung des Thüringer Oberlandesgerichts wird die weitere Beschwerde dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.
    Es kann sich also nur noch um Jahre handeln...:teufel:

  • Die Entscheidung des OLG Thüringen ist nunmehr mit ausführlicher Begründung sowie Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen in Rpfleger 2006, 412 veröffentlicht. Die von § 21 BGB genannte Entscheidung des AG Westerstede wurde übrigens durch die zitierte Entscheidung des OLG Oldenburg aufgehoben.




  • Hallo,
    habe eine kleine Nebenfrage zur Anmeldung einer Zweigniederlassung einer Limited.

    Wie auch oben geschildert haben wir die Anmeldung entworfen und samt allen Unterlagen elektronisch abgesandt. Hier Nr. 26 der Articles haben wir nicht angemeldet (Befreiung bei Insichgeschäften), da der Director und der hiesige Geschäftsführer identisch sind.
    Nun moniert der Richter: Anmeldung der abstrakten Vertretungsbefugnis bzgl. Nr. 26 der Articles (Befreiung bei Insichgeschäften).

    Hab ich hier was total falsch verstanden? Bei Personengleichheit geht dies doch nicht.
    Oder muss ich die abstrakte Vertretungsbefugnis so anmelden, falls später ein anderer Geschäftsführer angemeldet wird?

    Vielen Dank für Eure Antworten.
    Und verzeiht mir; Handelsregister ist bei mir wie Stenoschreiben: total sch...

  • Irgendwie habe ich grade ein kleines Verständnisproblem:
    Der Director einer Limited ist der Geschäftsführer der Gesellschaft, es handelt sich um das gleiche Amt, nur verschiedene Bezeichnungen. Meinst Du eventuell einen ständigen Vertreter?
    Falls ja: Für einen ständigen Vertreter gibt es keine allgemeine Vertretungsbefugnis, der Umfang seiner Vertretungsmacht ist konkret festzulegen.
    Die für den Director/ die Directoren im Gesellschaftsvertrags festgelegte allgemeine Vertretungsmacht ist jedoch anzumelden und auch einzutragen.
    (Ich muss allerdings dazu sagen, dass ich bisher noch keine entsprechende Befreiung bei Insichgeschäften im Gesellschaftsvertrag einer Ltd. gesehen habe.)

    oT: Bin jetzt aber weg (Feierabend).

    Jedes Mal, wenn man mir sagt, ich wäre nicht gesellschaftsfähig, werfe ich einen Blick auf die Gesellschaft und bin überaus erleichtert... :unschuldi



  • Hallo,

    einen schönen Feierabend.

    Es handelt sich nicht um einen ständigen Vertreter. Der Director = Geschäftsführer.
    Und tatsächlich, Befreiung bei Insichgeschäften im Gesellschaftsvertrag unter Art. 26 enthalten,
    Zitat:
    Zusätzlich zu obiger Bestimmung gilt: Die Geschäftsführer sind hiermit ausdrücklich berechtigt, für die Gesellschaft Verträge abzuschließen, und können dabei auch für sich selbst oder als Vertreter Dritter auftreten. Diese Bestimmung hat keinerlei Einfluss auf ihre Verpflichtung, ihre Beteiligung bekannt zugeben."

    Wie gesagt, wir haben bezüglich der abstrakten Vertretungsbefugnis die Befreiung bei Insichgeschäften nicht angemeldet.
    Dies wird nun moniert und soll nachgeholt werden.

    Bin mir unsicher, da ja hier kein ständiger Vertreter, sondern der Geschäftsfüher (Director) angemeldet wird.

    Leider noch keinen Feierabend:tipptipp

  • Vielleicht liegt es ja daran, dass der zust. Richter evtl. leider gerne "director und ständiger Vertreter" einträgt, ohne dass dies angemeldet wurde.
    Oder es wird anhand der Formulierung in den Articles darauf geschlossen, dass jeder director automatisch auch ständiger Vertreter sein soll (auch für den Fall, dass er später mal nicht mehr director ist).
    Ich würde es mal mit einem Telefonat mit dem Zwischenverfüger versuchen.

  • Vielleicht liegt es ja daran, dass der zust. Richter evtl. leider gerne "director und ständiger Vertreter" einträgt, ohne dass dies angemeldet wurde.
    Oder es wird anhand der Formulierung in den Articles darauf geschlossen, dass jeder director automatisch auch ständiger Vertreter sein soll (auch für den Fall, dass er später mal nicht mehr director ist).
    Ich würde es mal mit einem Telefonat mit dem Zwischenverfüger versuchen.



    Sehe ich genauso und stimme dem Vorschlag zu.
    Der director kann -wenn man dem OLG München folgt- nicht von § 181 befreit werden. Eine entsprechende Anmeldung wäre -auch wenn es so im Vertrag stünde- streng genommen zurückzuweisen.
    Also anrufen!

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