§ 175 Abs. II InsO

  • Grundsätzlich und automatisch lade ich den Schuldner nicht. Daher hatte ich auf einen Gläubigerantrag abgestellt.

    Der Einzelfall unter besonderen Umständen und zur Durchsetzung der schuldnerischen Pflichten ist was anderes.

  • Hm, villeicht bin ich etwas altmodisch !
    Ich sehe die Aufgabe des Gerichts eben auch darin, ein Verfahren zu führen und zu fördern.
    Dazu gehört nach meinem Dafürhalten auch, den Schuldner in die weitere Abwicklung miteinzubeziehen. Zum Zeitpunkt der Eröffnung kann allenfalls zwar abschätzen, welche Richtung das Verfahren nimmt, aber wissen tu ich das nicht. Es geht bei der Anordnung des persönlichen Erscheines auch nicht um "Disziplinierung" oder so. Die Insolvenzeröffnung ist vom Gegenstand her eine für alle Beteiligten weitreichendere Sache als eine Klage von A ./. B, weil A's hund gegen den Gartenzaun des B gep* hat.
    Im Berichtstermin lassen sich grade dann, wenn der Schuldner anwesend ist, grundsätzliche Fragen der weiteren Abwicklung (Fortsetzung selbständiger Tätigkeit; Neuaufnahme einer solchen etc. klären).
    Desweiteren geht es bei natürlichen Personen zumeist auch darum, über das Verfahren die RSB zu erreichen. Etwaige Zweifelsfragen lassen sich dann auch im Termin klären.

    Bei GmbH-Verfahren (etc.) besteht fast immer ein Aufklärungsbedarf, und da ist nicht einzusehen, wieso die organschaftlichen Vertrteter nicht dem Gericht und der Gläubigerversammlung rede und antwort stehen sollten !


    Nun, neben den rein praktischen Erwägungen kann ich gerne noch rechtliche Gesichtsüpunkte hinzufügen.
    Meine zugegeben bescheidene Erfahrung erweist, dass sich viele Rückfragen und Streitpunkte jedenfalls dann erübrigen, wenn denn der Schuldner im Berichtsterim da war.
    Klar, das ist alles eine altmodische Sicht der Dinge.... warum soll das Insolvenzgericht noch ein Verfahren führen.... alles Gläubigerautonomie.... Schlußrechnungen ab zum Sachverständigen, nicht mehr auf was achten,lässt sich alles irgendwie delegieren...
    oki, will ich nicht kritisieren, aber dann doch Übertragung des Insolvenzverfahrens auf mittleren oder einfachen Dienst, hätte ich dann kein problem mehr mit. Oder komplette Ausschaltung des Gerichtes ....

    Grüsse
    Def

  • Nun, das wird dann beinahe schon ein bißchen "defätistisch" ;) .

    Und warum den Begriff altmodisch? Das könnte man mehrfach auslegen.
    Es ist doch nicht schlecht, wenn sich ein Gericht die Mühe machen will, den Schuldner oder Schuldnervertreter ins Gebet zu nehmen.

    Nur, in welche Richtung geht das: Reglementierung des Schuldners, "Einschüchterung", "Vorführung" vor der Gläubigerversammlung, weitreichende Information für den Schuldner ....

    Das kann in beide Richtungen weit ausschlagen.

    Und das Verfahren gestaltet sich dabei recht zeitaufwändig.

  • Meines Erachtens ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass mehrere in Betracht kommende Verfahrensweisen jede für sich betrachtet gleichermaßen gesetzmäßig sein können. Nimmt man Anstoß an einer von mehreren gesetzmäßigen Verfahrensweisen, so handelt es sich hierbei somit nicht um eine zulässige Kritik an der Tätigkeit des Gerichts, sondern um eine zwar zulässige, aber nach geltender Rechtslage unbeachtliche Kritik am Gesetz selbst. Hier ernsthaft zu erwägen, das InsO-Verfahren auf einen hierfür nicht qualifizierten Personenkreis zu übertragen oder es sogar vollständig der Gerichtsbarkeit zu entziehen, läuft darauf hinaus, das Kind mit dem Bade auszuschütten und dem Schuldner den Rechtsschutz zu entziehen, den man zu wahren vorgibt.

  • Auf die Pauschalverurteilungen aller Gerichte, die den Schuldner nicht zum Termin laden, will ich eigentlich gar nicht eingehen.

    Ich lese immer nur Schlagwörter: "grundsätzliche Dinge", "Aufklärungsbedarf" etc.
    Diese grundsätzlichen Dinge aufzuklären, das ist doch eindeutig Aufgabe des Insolvenzverwalters. Und wenn er diese nicht aufklären kann, weil z.B. der Schuldner keine ausreichenden Auskünfte erteilt, dann kann er die in der InsO vorgesehenen Zwangsmittel ausnutzen. Dazu gehört u.a. ggfs. ein Termin bei Gericht (§ 97 InsO).
    Im Berichtstermin beschließt die Gläubigerversammlung (wenn sie denn überhaupt anwesend ist) auf Grundlage eines Berichts des Insolvenzverwalters den Fortgang des Verfahrens (§ 29 I 1 InsO). Wenn der Bericht keine ausreichende Grundlage bildet, dann muß der Insolvenzverwalter halt eine ausreichende Grundlage schaffen. Deshalb sollte der InsoVerwalter natürlich alle grundsätzlichen Dinge bereits vorher klären. Das dafür im Einzelfall vielleicht sogar eine persönliche Ladung in Frage kommt, dagegen ist ja nix zu sagen.
    Aber eine pauschale Anordnung des persönlichen Erscheinens ist m.E. eine reine Vorführung des Schuldners. Nach dem Motto: hier ist er, der Schlawiner.

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    " Die Titanic wurde von Profis erbaut... Die Arche Noah aber von 'nem Amateur. Verstehen Sie, was ich meine?" (Bernd Stromberg)

  • Da hier gerade § 97 InsO erwähnt wird, möchte ich doch gerne wissen, inwieweit andere Gerichte hiervon Gebrauch machen und wie das Erzwingen der Auskünfte vom Schuldner vonstatten geht.
    Bislang wurde hier, wenn der Schuldner z.B. seine Vermögensverhältnisse nicht offenlegt, dies vom Insolvenzverwalter zwar in seinem Bericht vermerkt und evtl. hat dann daraufhin ein Gläubiger im Schlusstermin einen Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gestellt.
    Eine Reihe hier neu bestellter Verwalter verfahren hierbei jetzt anders:
    In einem Fall etwa behaupten Gläubiger gegenüber dem IV, dass die Schuldnerin im Geschäft ihres Sohnes "rund um die Uhr" im Laden steht, obwohl sie dort eigentlich offiziell nur einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht.
    Der IV regt nun an, die Schuldnerin aufzufordern, den Umfang der Tätigkeit darzulegen, Nachweise vorzulegen und die Angaben an Eides statt zu versichern.
    Soll ich die Schuldnerin jetzt also hier vorladen -im Rahmen einer Gläubigerversammlung? In Anwesenheit des Verwalters?- und ihr die e.V. abnehmen?

  • Charlotte
    in aller Kürze, wie bei uns verfahren wird:

    I. Wenn es darum geht, Mitwirkung des Schuldners zu erzwingen:

    1. Gerichtliche Aufforderung an den Schuldner, die vom IV begehrten Auskünfte / Unterlagen innerhalb einer Frist (1-2 Wochen) beizubringen. Hintergrund: Es gibt wohl irgendwo eine Entscheidung, dass es für eine Versagung der RSB nach § 290 I Nr. 5 nicht reicht, wenn nur der IV was verlangt; eine Verletzung der Auskunfts- und Mitwirkungspflicht liegt aber jedenfalls vor, wenn eine gerichtliche Aufforderung missachtet wird.

    2. Kommt der Schuldner der Aufforderung nicht nach, Anordnung der zwangsweisen Vorführung. Wird durch GV durchgeführt. Idealerweise sollte IV informiert werden, damit er teilnehmen kann, weil der GV i.d.R. nicht genau weiss, was er fragen soll, etc.

    3. Weiter mussten wir noch nie gehen, aber es würden Zwangsgeld (bringt wahrscheinlich nix) und Zwangshaft folgen.


    II. Wenn es darum geht, dass S erteilte Auskünfte an Eides Statt versichert (§ 98 I), wird er einfach vorgeladen - am besten zusammen mit IV, weil ggf. die Nachfragen besser stellen kann. Bei uns wird das ohne Gläubigerversammlung gemacht (ist auch nicht erforderlich), einfach im Sitzungssaal oder im Rechtspflegerzimmer.

  • Nun, auch wenn sich das jetzt –und das wollte ich nicht – von dem Ursprungsthema total entfernt hat:

    Bei der Anordnung des persönlichen Erscheinens des Schuldners handelt es sich zunächst einmal um eine völlig wertfreie Angelegenheit (also: kein „Vorführen des Schlawiners“.... Prangerwirkung oder sonst was).

    Ich habe auch niemanden kritisiert, der das Verfahren ohne entsprechende Anordnung durchführt.

    Der Ausgangspunkt der Überlegungen war folgender:
    in einem Insolvenzverfahren gehe ich als Gericht davon aus, dass der Hauptbeteiligte auch in den Berichtstermin einzubeziehen ist.
    Dies gründet in folgenden Überlegungen:
    1. der Selbständige, der seine Selbständigkeit aufrecht erhalten will

    hier gibt es stets Klärungsbedarf bzgl. der Vorgehensweise
    - was ist mit etwaigem Anlagevermögen – soweit nicht nach § 811 ZPO unpfändbar (Ablösungsvereinbarung.... ohne Schuldner wohl kaum möglich; ggfls. Zustimmung der Gläubigerversammlung)
    - wie soll mit Einnahmen verfahren werden (Freigabe der unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners mit entsprechender Regelung, wie wann dem Verwalter gegenüber Rechnung gelegt werden soll und wie sich das pfändbare Einkommen berechnet ggfls. auch mit Wirkung auf die Zeit nach Verfahrens aufhebung

    (oki, man mag mir jetzt mit der Psychologinnenentscheidung des BGH kommen und dem Hinweis auf § 295 II InsO.... hm, ganz nett, und ist das denn praktikabel ???)


    2. der Schuldner der eine Selbständigkeit aufnehmen will

    hier stellen sich nahezu identische Probleme (mal abgesehen vom Anlagevermögen)

    3. die nicht-natürlichen Personen

    im Bericht zur Gläubigererversammlung sind i.d.R. stets noch Fragen offen, die der Verwalter natürlich im weiteren Verlauf des Verfahrens einer Klärung zuzuführen hat.
    Allerdings lässt sich das ein oder andere schon im Termin klären, ohne dass es anschließend gerichtlerseits Aufforderungen bedarf.

    In einer vor kurzem stattfindenden Gläubigerversammmlung war es grad gut, dass der Geschäftsfüher da war. Dieses Verfahren war im Zusammenhang mit zwei anderen bereits eröffneten Verfahren sowie noch laufender Antragsverfahren gegen andere Gesellschaften zu betrachten. Der Gesamteindruck ließ auf erhebliche kriminelle Machenschaften schließen. In dem anstehenden Verfahren erschien der Geschäftsfüher (zu dem der Verwalter keinen allzu regen Kontakt herstellen konnte) mit Anwalt (hochkarätig !). Nach dem Berichtstermin fand ein informeller Austausch statt, der eine für das Verfahren bedeutende Weichenstellung ergab (ja ja, schlagworte, aber ich hab keinen bock, hier den ganzen Fall zu schildern, was i.Ü. auch wg. der Hintergründe (beteiligte Personen, Struktur des ganzen) nicht möglich wäre...

    Aber egal, es mag jeder Verfahren führen, wie er will.

    Nur was die „Übertragung“ betrifft: zum Zählen abstimmender Gläubiger bedarf es eines Taschenrechners und eines Hauptschulabschlusses (ich bin übrigens Hauptschüler :D).

    Im englischen Insolvenzrecht ist das Gericht weitgehend nach Eröffnung raus; da macht alles noch der administrator.
    Dieser wird natürlich überwacht, aber anders als bei uns nicht fallspezifisch, sondern „allgemein“ durch eine spezielle Behörde.
    Also es geht auch ohne Gericht. Ob das nun gut ist oder nicht, will ich nicht beurteilen. Aber solange das Gericht nach Eröffnung des Verfahrens noch dabei ist, ist es eben auch sein Verfahren.Wie es zu führen ist, mag streitig bleiben.....

    Es tut mir allerdings leid, vom eigentlichen Thema abgelenkt zu haben....
    Grüsse
    Def

  • @ chick
    Danke für die Ausführungen. Zwei Fragen dazu hätte ich aber noch:

    Zu I.2) Wo wird denn der Schuldner vorgeführt? Gericht, IV oder in die Räume des GV? Stellt der GV die Fragen, wenn der IV nicht anwesend ist?

    Zu II. Besteht nicht die Möglichkeit, dass der Schuldner die Auskünfte schriftlich an Eides statt versichert? Auskünfte erteilt hat er dann ja offensichtlich auch freiwillig.

  • Zitat von Charlotte

    @ chick
    Danke für die Ausführungen. Zwei Fragen dazu hätte ich aber noch:

    Zu I.2) Wo wird denn der Schuldner vorgeführt? Gericht, IV oder in die Räume des GV? Stellt der GV die Fragen, wenn der IV nicht anwesend ist?

    Zu II. Besteht nicht die Möglichkeit, dass der Schuldner die Auskünfte schriftlich an Eides statt versichert? Auskünfte erteilt hat er dann ja offensichtlich auch freiwillig.



    1. Mit wäre die Vorführung immer am liebsten in die Räume des Gerichts, aber leider klappt das nicht immer und i.d.R. sind's die Räume des GV. Was auch nicht immer wunschgemäß klappt, ist meine Anwesenheit als IV, weil der GV natürlich nur bedingt vorab sagen kann, ob er den Schuldner erwischt. Wenn ich als IV nicht dabei bin, stellt der GV die Fragen nach meinem Fragenkatalog; praktisch ist das aber die unglücklichste Lösung, weil der GV natürlich die Hintergründe nicht kennt, nicht nachfragen kann und mit einem "Weiß ich nicht!" des Schuldners i.d.R. auch zufrieden ist.

    2. Die nach § 97 InsO geschuldeten Auskünfte sind im Grundsatz vom Schuldner persönlich und mündlich zu erteilen (Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 97 Rz. 5). Natürlich kann man im Einzelfall davon abweichen. In aller Regel halte ich aber die mündliche, persönliche Auskunft für sinnvoll und geboten, weil nur in dieser Situation Nachfragen möglich sind, die Glaubwürdigkeit des Schuldners vernünftig beurteilt werden kann, etc. - letztlich wie bei einer Zeugenvernehmung. Ausserdem kann der Schuldner bei persönlicher, mündlicher Auskunft diese nicht mit seinem Anwalt wasserdicht vorformulieren. (Zu den Zwangsmitteln komme ich ja in der Regel nur bei Schuldnern, deren Redlichkeit einem nicht sofort ins Gesicht springt.)

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