Nachlassverwaltungen

  • Meine Kollegin und mich haben zeitgleich zwei Fälle der Nachlassverwaltung erwischt; wir sind in beiden Fällen zugegebenermaßen ratlos und hoffen auf Eure Ideen.
    Fall 1:
    Der testamentarische Erbe hat die Annahme der Erbschaft angefochten mit der Begründung der Nachlass sei überschuldet (Immobilie mit Errichtung von Schwarzbauten auf dem Grundstück, hoher Sanierungsaufwand asbesthaltige Substanz, Feuchtigkeitsschäden Keller pp, Vermächtnisse, rückständige Unterhaltsschulden). Gesetzliche Erben sind die 3 Kinder, die nun durch einen Anwalt Antrag auf Anordnung einer Nachlassverwaltung gestellt haben. Erbscheinsantrag wollen sie nicht stellen, da es Aufgabe des Nachlassgerichts sei, die Wirksamkeit der Anfechtung zu prüfen, damit nicht im Erbscheinsverfahren festgestellt wird, dass die Anfechtung nicht wirksam war und die Antragsteller die Kosten tragen. Es ist ein Hinweis erfolgt, dass die Wirksamkeit erst im Erbscheinsverfahren geprüft wird. Aber selbst wenn die Anfechtung nicht wirksam wäre, wären die Asteller zumindest Gläubiger, da sie ihre Pflichtteilsansprüche gegen den testamentarischen Erben geltend gemacht haben. Kostenvorschusszahlung wurde abgelehnt unter Hinweis auf die Prüfungspflicht des Nachlassgerichts, ob eine ausreichende kostendeckende Masse vorhanden ist sowie eine Aufstellung über Vermögen (241.855 €) und Verbindlichkeiten (203.430 €). Mein Problem ist folgendes: Zur pflichtgemäßen Prüfung müsste ich den ungefähren Wert des Grundstückes kennen, den die Erben mit 230.000 € angeben, der testamentarische Erbe hat jedoch wegen der obigen Problematik und unter Hinweis auf Unverwertbarkeit des Grundstücks ausgeschlagen. Müsste ich ggfalls zunächst ein Gutachten auf Staatskosten erstellen lassen bevor ich anordne? Bei besonderen Verschmutzungen kann dies doch extrem teuer werden, bisher habe ich nur Behauptungen, aber wie soll ich sonst pflichtgemäß ermitteln, ob das Grundstück überhaupt werthaltig ist? Oder ordne ich an und lasse dann den Verwalter einen Gutachter beauftragen. Was, wenn sich dabei herausstellt, dass dies doch ein Fall für Nachlassinsolvenz ist, dann bleiben diese Kosten auch zulasten der Staatskasse oder?
    Fall 2:
    Die 2.Ehefrau meines Erblassers ist nichtbefreite Vorerbin; Nacherben sind die erstehelichen Kinder des Erblassers. Entsprechender Erbschein ist erteilt.
    Die Ehefrau stellt nunmehr den Antrag auf Anordnung einer Nachlassverwaltung und zwar wegen Erfüllung der Pflichtteilsansprüche . Weiter führt sie aus: „ Zur Begleichung des Pflichtteilsanspruches ist es notwendig, dass die Nacherben ihre Zustimmung zur Veräußerung von Grundbesitz geben, damit der Pflichtteilsanspruch erfüllt werden kann . Genügend liquide Mittel stehen nicht zur Verfügung.“
    Zum Nachlass gehören vier- unbelastete- Grundstücke, die Grundbücher sind bereits berichtigt. An sonstigem Nachlass sind ca. 5.800,- EUR sowie ein PKW vorhanden.
    Nachdem ich einen Kostenvorschuss in Höhe von 4000,- EUR ( im Hinblick auf die Gutachterkosten ) angefordert habe, wird argumentiert, es sei eine kostendeckende Masse vorhanden. Zur Sicherheit könne ja auf die Grundstücke Zugriff genommen werden. Kann das tatsächlich bedeuten, dass ich zunächst alles( Veröffentlichung, Verwalter, Gutachter ) aus der Staatskasse verauslagen muss oder darf ich auf einer Vorschusszahlung bestehen?


  • zunächst zu Fall 1.:

    "Der antragstellende Erbe muss sich durch Erbschein oder letztwillige Verfügung ausweisen."
    (Zitat, Palandt, 68. Aufl. , Rd. 2 zu § 1981 BGB.)
    --> haben die Kinder bei Dir anscheinend nicht getan. Also Zurückweisung androhen.

    weiter zur kostendeckenden Masse:
    Eine kostendeckende Masse ist doch vorhanden, wozu Gutachten (?).
    Kostendeckende Masse heisst ausreichend Aktivnachlaß. Was interessiert Dich insoweit bei Antragstellung der Reinnachlaß (Aktiva abzüglich Passiva)
    Ob der Nachlaß überschuldet ist oder nicht ist doch erst im weiteren Verlauf zu klären. Das ist doch gerade Sinn und Zweck der Nachlaßverwaltung. Du bist doch nicht im Stadium eines Insolvenzverfahrens wo Du vorher Gutachten einholst, bevor Du erst tätig wirst.

    Einmal editiert, zuletzt von hawkwind (28. Januar 2011 um 14:59)

  • zu Fall 2.:
    was macht die Nachlaßverwaltung für einen Sinn ?
    Sachverhalt ist zu "dünn"
    Haben die Pflichtteilsberechtigten Vollstreckungsmassnahmen eingeleitet? Verweigern Sie die Zustimmung zum Verkauf oder was ist das Problem ? Ich würde das Rechtsschutzbedürfnis verneinen ?
    Der Nachlaßverwalter braucht meines Erachtens auch die Zustimmung der Nacherben bei Veräusserung des Grundbesitzes, dann kann die Antragstellerin doch auch selbst tätig werden. Aus Sicht der Vorerbin sollten andere Mittel der Haftungsbeschränkung gewählt und die Nacherben auf Zustimmung verklagt werden (vergl. § 2120 BGB).
    Die Pflichtteilsanspürche gefährden hier doch niemanden. Wenn alles unbelastet ist, liegt ganz klar ein deutlich positiver Nachlaß dar.
    Allenfalls können die pflichtteilsberechtigten (Nach)Erben als Gläubiger den Antrag auf Verwaltung stellen, wenn die Ehefrau den Verkauf verzögert zum Ausgleich der Pflichtteile.

    Einmal editiert, zuletzt von hawkwind (28. Januar 2011 um 15:03) aus folgendem Grund: siehe auch § 2120 BGB

  • Wer macht im Fall 2 Pflichtteilsansprüche geltend? Die erstehelichen Kindes des Erblassers, die gleichzeitig Nacherben sind?

    Letzteres kann nämlich schlecht sein, weil diese Kinder erst pflichtteilsberechtigt werden, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (§ 2306 Abs.2 BGB). Tun sie das und wird die Ehefrau dadurch Vollerbin, weil in diesem Fall regelmäßig keine Ersatznacherbfolge zugunsten der Abkömmlinge der Ausschlagenden zum Zuge kommt, braucht die Witwe die avisierte Zustimmung der Nacherben zur Veräußerung des Grundbesitzes nicht mehr, weil es keine Nacherben mehr gibt. Es bedarf also nicht der Bestellung eines Nachlassverwalters, um analog § 2115 S.2 BGB die Zustimmung der Nacherben zu umgehen (hierzu vgl. Palandt/Weidlich § 1985 Rn.7).

  • Ich habe in Fall 2 noch mal nachgefragt.
    Nacherbe ist eine ersteheliche Tochter; die 2. ersteheliche Tochter, die nicht Nacherbin ist, macht den Pflichtteil geltend.
    Die Vorerbin hat schon ein Schuldanerkenntnis in Höhe dieses Pflichtteiles unterschrieben.
    Der Nachlass verfügt über keine ausreichenden- liquiden- Mittel ( deshalb wollte ich ja den Vorschuss, der aber nicht gezahlt werden kann).
    Die Antragstellerin möchte die Auseinandersetzung mit der Nacherbin nicht führen.

  • Ich habe in Fall 2 noch mal nachgefragt.
    Nacherbe ist eine ersteheliche Tochter; die 2. ersteheliche Tochter, die nicht Nacherbin ist, macht den Pflichtteil geltend.
    Die Vorerbin hat schon ein Schuldanerkenntnis in Höhe dieses Pflichtteiles unterschrieben.
    Der Nachlass verfügt über keine ausreichenden- liquiden- Mittel ( deshalb wollte ich ja den Vorschuss, der aber nicht gezahlt werden kann).
    Die Antragstellerin möchte die Auseinandersetzung mit der Nacherbin nicht führen.


    und immer noch sehe ich kein Rechtsschutzbedürfnis für die Nachlaßverwaltung nur weil die Erbin keine Lust hat, die notwendigen Schritte zur Auszahlung des Pflichttteils selbst einzuleiten.
    Ich frage mich ob Deine Kollegin überhaupt den Sinn den Zweck einer Nachlaßverwaltung verstanden hat (?)
    Nochmal: Eine Nachlaßverwaltung ist dazu dar, um einen total unübersichtlichen Nachlaß zu sortieren um dann im Ergebnis feststellen zu können ob er überschuldet ist oder nicht --> um dann sagen zu können: "ja , ich nehme die Erbschaft an und kümmere mich jetzt selbst drum" oder " es wird Nachlaßinsolvenz eingeleitet zwecks Aufrechterhaltung der Haftungsbeschränkung".
    In Deinem Fall steht von vornherein fest, dass keine Überschuldung vorliegt. Es droht auch ohne Liquidität (im übrigen sehe ich hier eine Liquidität sehr wohl im Rahmen dr Verwertung der Grundstücke gegeben) keine Gefahr der persönlichen Haftung, im übrigen gäbe es andere Mittel der Gefahr geeignet auszuweichen, z.B. Inventarverzeichnis, Stundung etc.)
    Zur Wahrnehmung Ihrer Interessen hat sich die Erbin nicht eines Nachlaßverwalters zu bedienen sondern eines Rechtsanwalts oder Betreuers wenn sie mit der Bereinigung der Pflichtteilsansprüche überfordert ist.

    Deine Kollegin möchte ein Gutachten ? (quatsch!)
    Ich frage mich nur wie die Höhe des Pflichtteils für das Schuldanerkenntnis festgestellt werden konnte. Frag doch mal nach wie da irgendwelche Werte zugrunde gelegt werden konnten.

    2 Mal editiert, zuletzt von hawkwind (4. Februar 2011 um 14:37) aus folgendem Grund: geändert: Kursivschrift

  • Im Fall 2 ist ein Gutachten völlig überflüssig, weil der Pflichtteilsanspruch bereits dem Grunde und der Höhe nach anerkannt wurde, sodass es nur noch um die Veräußerung eines Grundstücks geht, um aus dem Kaufpreis den Pflichtteil bezahlen zu können. Insoweit will die Vorerbin offenbar darauf hinaus, dass ein Nachlassverwalter zur Grundstücksveräußerung nur die Genehmigung des Nachlassgerichts, nicht aber die Zustimmung der Nacherbin benötigt (OLG Braunschweig OLGZ 1988, 392; Palandt/Weidlich § 1985 Rn.7; MüKo/Küpper § 1985 Rn.4). Die für diese Ansicht ins Feld geführte -und bislang nicht hinterfragte- Analogie zu § 2115 S.2 BGB scheint mir aber doch sehr gewagt zu sein, weil es sich bei der Nachlassverwaltung nur um eine besondere Art der Nachlasspflegschaft handelt. Wenn es mit dieser Analogie seine Richtigkeit hätte, müsste man auch einem "normalen" Nachlasspfleger die gleichen Befugnisse für den Fall zugestehen, dass der Erblasser selbst Nacherbe und weiterer Vorerbe war, weil der ursprüngliche Erblasser Nachnacherbfolge angeordnet hatte. Das kann nach meiner Ansicht nicht zutreffen und ich sehe auch nicht, weshalb es beim Nachlassverwalter zutreffen sollte. Denn ansonsten hätte letzterer nahezu die Befugnisse eines Testamentsvollstreckers und selbst bei diesem ist streitig, ob er der Verfügungsbeschränkung des § 2113 BGB unterliegt, wenn er den Nachlass für einen Vorerben verwaltet (vgl. Palandt/Weidlich § 2205 Rn.24). Es scheint mir hier also -wieder einmal- ein Problembereich vorzuliegen, bei welchem man die Dinge nur isoliert betrachtet, aber nicht überprüft, ob die betreffenden Ansichten auch mit den in anderen Rechtsbereichen vertretenen Auffassungen "kompatibel" sind.

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