Schuldverschreibungen und Insolvenz

  • Oh je, da hat es in Dresden mächtig geknallt.
    Das dortige Insolvenzgericht ist recht ambitioniert an die Einberufung der Gläubigerversammlung(en) nach den Schuldverschreibungsgesetzen (genauer: Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen v. 4. Dezember 1899 und das Gesetz über Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen 2009) herangegangen. Die Gemeinschuldnerin hat über 4.500 Schuldverschreibungen emittiert.
    Im Ergebnis ist der Kollegin die Versammlung der Obligationäre in Folge von Befangenheitsanträgen "um die Ohren geflogen". Die Ursachen mögen woanders liegen, dazu noch sogleich.
    Zwei der Presse zu entnehmenden Anwürfe möchte ich aufgreifen:
    1. dass die Versammlung mit erheblicher Verspätung begonnen hat
    2. dass die Rechtspflegerin sich nicht zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters geäußert hat.

    Zu 1: das ist misslich, aber ein für die Verfahrensbeteiligten hinzunehmendes Problem, da die SVHVG(s) anders als das AktG hier keine entsprechenden Regelungen für die durch das Insolvenzgericht abzuhaltende Gläubigerversammlung der Obligationäre vorsieht

    zu 2: die Frage nach der Vergütung des gemeinsamen Vertreters ist sowohl was die Berechnung als auch die Zahlung der Vergütung schlechterdings nicht beantwortbar.

    Zu 2. ist selbst auf dem Workshop des letzten deutschen Insolvenzrechtstag die Frage nach der Höhe und der Tragung der Vergütung offen geblieben.
    Ich möchte hierzu jetzt keine Diskussion eröffnen, Ansätze oder Entscheidungen dazu wären mir - und vlt. auch dem geneigten Forum dennoch willkommen.

    Nur eine völlig ungeklärte Frage als nicht beantwortbar zu deklarieren, spricht für eine offene Verhandlungsführung; von daher geht die Kritik fehl. Deutlicher: zu dieser Frage halte ich es mit dirty harry: opinions like .....

    Ich mag mich jetzt nicht darüber auslassen, ob die Tagungsordnung so dolle war - das Thema der ordnungsgemäßen Einberufung ist schon höchst sensibel, und ich wage mal die Behauptung, wie das so richtig geht, weiß niemand wirklich. MIr gegenüber hat einmal ein Fachwanwalt für Wertpapierrecht abseits einer entsprechenden Veranstaltung geäußert, dass all das, was bei Hauptversammlungen an Störpotential gefahren wurde, nun auf die Versammlungen nach SchVG gefahren wird.
    Um einem Missverständnis vorzubeugen: ich kennen den FuBu Fall nicht und bevor ich mir oder dem Forum noch Abmahnungen einhandele: niemand wird im Zusammenhang mit dem FuBu-Verfahren von mir als Störer bezeichnet !.
    "Anlegerverfahren" snd hochsensibel. Dies aus 2 Gründen:
    Das eine ist die Psychologie des Anlegers: ich habe Geld und ich will mehr daraus machen doer vermeiden, dass es sich durch Inflation verringert. Ein verständlicher Ansatz. Der Anleger "entscheidet" sich für ein Investment. Die "Entscheidung" ist nur dann eine, wenn sie von rationalen Kriterien getragen ist, m.a.W. ich weiß, in was ich investiere und auch warum. Leider ist schon lange davor Ende mit der Rationalität. Zumeist wird in Anlageklassen investiert, die der Anleger geil findet, aber nicht versteht.
    Sorry, aber da kommt mir der Spruch der Carl Fürstenberg zugeschrieben wird und von Kostolany genial in Kontext gesetzt wurde über den Weg: "Aktionäre sind dumm und unverschämt. Dumm, weil sie mir ihr Geld überlassen, und unverschämt, weil sie auch noch Dividenden dafür haben wollen."
    Denkbar uneeignet, eine Gläubigerversammlung damit zu eröffnen, auch wenn berechtigt.
    Anleger sind einfach sauer, wenn ihr Investment schief gelaufen ist. Wenig Selbstreflektion, Umleitung des eigenen Versagens bei ihrem "Entscheiungsprozeß" auf andere....... Klar, wer gesteht sich schon gerne Fehler ein....

    Dann kommt dazu, dass es genügend Anwälte gibt, die dazu neigen, solche Versammlungen zu versuchen, zu torpedieren (niemand wird von mir einer Torpedierung der FuBu-Versammlung beschuldigt !) Und es gibt Anwälte, die qualifiziert für die Rechte ihrer Mandanten streiten. Wie gesagt: FuBu kann ich nicht beurteilen.

    Aber mal wech davon:
    Der Kollegin aus Dresden spreche ich meine Soiidarität aus und viel Mut und Kraft für das weitere Verfahren.

    herrschendes Recht ist das Recht der herrschenden
    Die Philosophen haben die Welt nur unterschiedlich interpretiert, es kommt darauf an, sie zu verändern! (K.M.)
    Ich weiß, dass ich nicht weiß (Sokrates zugeschrieben); jeder der mein Wissen erfolgreich erweitert, verbreitert mein Haftungsrisiko (nicht sokrates, nur ich)
    legalize erdbeereis
    :daumenrau

  • Hm, das Thema scheint wohl kaum jemanden hier zu interessieren.... oki, ist ja auch exotisch ! Ich hau dennoch mal zu dem Thema rein:

    Droht in Düsseldorf der nächste Eklat anlässlich des Zamek-Verfahrens ?
    oder ein Bericht über den salzigen Geschmak von Brüwürfel:

    Im Internet wird von einem Portal für Unternehmensanleihen - welches nach eigenem Bekunden "kritisch, unabhängig und transparent" über konkrete Einschätzungen und Bewertungen von Bonds (gemeint sind corporate-Bonds Anm. des Verfassers) dem Amtsgericht Düsseldorf unterstellt, es habe ohne Tagesordnungspunkte eine Versammlung der Obligationäre "ausgerechnet am Brückentag" bestimmt. Der Insolvenzverwalter habe auf den 30. Mai geladen und ohne einen Vorschlag eines Vertreters. Einladungen ohne Tagesordnungspunkten seinen anfechtbar, da Beschlüsse solcher Versammlungen unwirksam seien. Dann folgt die Behauptung, dass die Wahl eines der Zamek nicht genehmer gemeinsamer Vertreter durch Zamek anfechtbar sei. Der Insolvenzverwalter habe bereits Formulare zur Forderungsanmeldung verschickt, dies "offenbar in der festen Erwartung, dass es ohnehin nie einen gemeinsamen Vertreten geben werde".
    Gerügt wird ferner, dass die Aufnahme des Tagesordnungspunktes "Frank Günter" zum gemeinsamen Vertreter zu wählen, durch das Gericht abgelehnt wurde.

    http://www.bondguide.de/topnews/abgeka…amek-insolvenz/


    Der Beitrag ist zur allenfalls zur Stimmungsmache geeignet, rechtlich jedoch unbrauchbar. Es fragt sich nur, wer Interesse an der Stimmungsmache hat.

    1. nicht der Insolvenzverwalter hat nach § 19 SchVG einzuladen, sondern das Insolvenzgericht hat eine Versammlung zur Wahl eines gemeinsamen Vertreters einzuberufen
    2. dass die Terminierung auf den Brückentag institutionelle Anleger nicht begeistern will: sorry, aber es ist an die Kleinanleger zu denken, für die sich eine solche Terminierung wohl eher anbieten könnte. Institutionelle Gläubiger dürften wohl in der Erteilung von Vollmachten geübt sein ! Hätte das Gericht auf einen Montag terminiert, wäre dies als dem Wochenende zu nah aufgefasst worden, auf einen Freitag, der nicht Brückentag wäre, als zu stressig und möglicherweise ohne fleischloses Gericht in der Kantine und damit als Einschränkung der Glaubensausübung (oh je, hoffentlich hat das Gericht mit dem Kantinenpächter Rücksprache gehalten, sonst droht möglicherweise noch eine Klage auf Anfechtung etwaig getroffener Beschlüsse). Gut, dass die Wahl der Termine in der ZPO geregelt ist.

    2. der Gedanke, es müsse seitens des Gerichts in der Einberufung ein namentlich benannter Kandidat (am besten der, der dies beantragt) genannt werden, verträgt sich nicht mit dem gerichtlichen Neutralitätsgebot
    Dies hätte i.Ü. eine Einschränkung der Rechte der Anleihegläubiger zur Folge, denn wenn § 13 SchVG auch hinsichtlich des "Vorschlags" des gemeinsamen Vertreters strikt anwendbar wäre, könnten die Obligationäre keinen anderen Vertreter wählen. Man mag ja Sozialismus gut finden, aber Insolvenzgerichte sind für freie Wahlen in der Versammlung der Obligationäre und nicht für den, der als erster zu Gericht rennt und sagt, ich muss in die Tagesordnung, sonst ist sie unwirksam ! (und damit werden eben nicht die Rechte der Anleihegläubiger mit Füßen getreten, sie sollen sich - so wenn sie einen Vertreter haben wollen, sich unter den in der Versammlung auftretenden Prätendenten den geeignensten auswählen dürfen).

    Nun haben bestimmte Beteiligte derartige Tagesordnungspunkte schon bei Gerichten durchgesetzt, hieraus eine pflichtgemäße Übung für alle Insolvenzgerichte als verbindlich zu postulieren ist lächerlich ! Die Obligationäre sollen sich frei in den Versammlungen entscheiden können, ob sie jemanden wählen wollen, und wenn, wen !


    In dem Verfahren in Dresden hat eben auch die Beschränkung auf einen Vorgeschlagenen die Versammlung zum Platzen gemacht.

    Gerichte können – egal was sie machen – alles nur falsch machen, wenn die Anlegerseele kocht oder gewiefte Player ihr Mütchen irgendwie kühlen wollen.......


    Ich befasse mich zwar erst so seit 2006 mit der Problematik der Unternehmensanleihen in der Insolvenz, aber soviel Unfug, wie in dem Beitrag auf der oben genannten Seite ist mir selten untergekommen.


    Abschließend noch vlt. interessant, dass der Gläubigerausschuss - oder möglicherweis nur ein Mieglied des Gläubigerausschusses hier Informationen lanciert, die nicht unbedingt im Interesse der Gesamtgläubigerschaft sein könnten. Aber hierüber hat zu gegebener Zeit das zuständige Insolvenzgericht zu befinden haben.

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    Einmal editiert, zuletzt von Defaitist (2. Juni 2014 um 00:43)

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