Die Grundstücke werden im Grundbuch nach den in den Ländern eingerichteten amtlichen Verzeichnissen, d.h. dem Liegenschaftskataster benannt. In Preußen ist das seit 1872 so. Das in den östlichen Provinzen gerade einmal seit 10 Jahren bestehende Steuerkataster wurde damit zum Eigentumskataster aufgewertet. Die Bezugnahme auf das Steuerkataster hat aber auch dazu geführt, dass die in seltenen Einzelfällen von der materiellen Rechtslage abweichende fehlerhafte Darstellung im bisherigen Steuerkataster zur Grundlage der neu angelegten Grundbücher wurde. Und da so recht keiner weiß, wie damit umzugehen ist, kommen solche Abweichungen bis heute vor.
Ein Beispiel: Kurz nach Anlegung des Steuerkatasters ist die Ortslage eines Dorfes komplett abgebrannt. Nach den damaligen Bauvorschriften mussten beim Wiederaufbau größere Brandschutzabstände beachtet werden (sog. Auseinanderbau). Dazu kam es in einem behördlich geleiteten Verfahren zu einer moderaten Neueinteilung des Grundbesitzes, ähnlich einer heutigen vereinfachten Umlegung. Es gab einen Rezess und der Landrat bzw. die Provinzregierung hat den für die Bebauung vorgesehenen Neuzuschnitt der Grundstücke genehmigt. Es folgte die Abmarkung und Inbesitznahme der meist nur geringfügig neu zugeschnittenen Grundstücke. Der Eigentumsübergang war damit wirksam erfolgt, da es vor Einführung der GBO in Preußen nach dem ALR auf eine Grundbucheintragung eben noch nicht ankam. Die Katastervorschriften sahen zwar eine Fortführung des Steuerkatasters vor, diese wurde allerdings nur auf Antrag der Beteiligten vorgenommen und beschränkte sich zudem innerhalb der Ortslagen auf die Gebäudesteuerrolle. Die Katasterkarte wurde nicht fortgeführt. Zum Teil sind aber noch die für den Wiederaufbau gefertigten Planunterlagen und/oder die zugehörigen Rezesse vorhanden, etwa im Landesarchiv in Magdeburg oder im Landeshauptarchiv in Potsdam.
Als dann nach 1872 die Grundbücher angelegt wurden, sind nicht in allen Fällen die fehlenden Fortführungen des Steuerkatasters aufgefallen. Zwar wurde in den neuen Katastervorschriften die Fortführung verpflichtend eingeführt, jedoch nicht rückwirkend. Und so kommt es hin und wieder vor, dass bis heute der rechtmäßige Besitzsstand seit den 1860-er Jahren vom Liegenschaftskataster und mithin vom Grundbuch abweicht. Grundbuch und Kataster sind quasi von Anbeginn an falsch.
Wie kann man so etwas heute bereinigen?
Im Vermessungsrecht könnte man die Sache als Aufnahmefehler behandeln, auch wenn zum Zeitpunkt der Aufnahme gar kein Fehler gemacht wurde. Erst durch die nicht erforderliche Fortführung ist das Kataster unrichtig geworden. Dennoch ist an eine Behandlungsweise wie beim Aufnahmefehler zu denken, da zum Zeitpunkt der Anlegung der Grundbücher nicht der rechtmäßige Eigentumszustand erfasst war. Damit ist das Grundbuchamt mit im Boot. Es wäre dann dort zu prüfen, ob nicht etwa ein gutgläubiger Erwerb nach der Liegenschaftkarte stattgefunden hat. Das wird aber in den allermeisten Fällen ausgeschlossen sein, weil die Grundstücksneuzuschnitte in ihrer Form meist sehr deutlich vom Kartennachweis abweichen und häufig die nach dem Brand errichteten Gebäude auf den alten, bis heute im Kataster nachgewiesenen Grenzen errichtet wurden. Man kann also in aller Regel davon ausgehen, dass im Falle eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs auf den Besitzstand abgestellt wurde.
Das Problem ist allerdings, dass die Katasterbehörden bei beabsichtigten Zerlegungsvermessungen ihre Schwierigkeiten damit haben, wenn auf jene Grenzen abgestellt wird, die zwar in der Örtlichkeit vorhanden und z.T. auch noch mit Grenzzeichen versehen sind. Stattdessen orientiert man meist auf den Katasternachweis, selbst wenn er durchgehend nicht mit dem Besitzstand übereinstimmt, wie er infolge eines Brandereignisses seit rund 150 Jahren besteht. Meist kommt es dann zu Zerlegungen und die einem eigentlich schon gehörenden Teilflächen werden erneut erworben. Das mag ja eine pragmatische Lösung sein, aber richtig kann das ja wohl nicht sein. Daher meine Frage:
Kann man das Problem irgendwie von Grundbuchseite anpacken?